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Fritz Wildaus Abenteuer zu Wasser und zu Lande 16

Friedrich Gerstäcker
Fritz Wildaus Abenteuer zu Wasser und zu Lande
Kapitel 16

Der Kampf zwischen dem Eber und dem Ziegenbock,
und wie sich die Affen dabei benahmen

Regeres Leben als das selbst im vorigen Kapitel beschriebene kam aber bald in die Gruppe, denn die Aufmerksamkeit der Zuschauer wurde jetzt einem anderen Platz zugelenkt, wohin sich die Europäer mit dem Regenten nun begaben.

Es war dies der schon früher erwähnte riesige Bambuskäfig, der unten von starken, ziemlich weit auseinanderstehenden Pfosten errichtet, oben noch mit einem dünnen Netzwerk von Rattan und Bambus umflochten war, um überall, soviel wie möglich wenigstens, einen Einblick in das Innere zu gewähren, doch auch wieder dicht genug, einige der größeren Affenarten halten zu können.

In diesem Käfig stand in der Mitte ein Pfosten, neben seinem Ende ein leeres ziemlich großes Fass, während bisher die einzigen Bewohner ein sehr starker prächtiger Ziegenbock und vier Affen, ein blauer, ein schwarzer und zwei der gewöhnlichen langgeschwänzten braunen Affen waren. Der Ziegenbock schritt dabei gravitätisch in dem ihm angewiesenen Raum umher, naschte dann und wann an einigen ihm hingeworfenen saftigen Stauden und schien den Affen keines Blickes zu würdigen. Er hatte einen stattlichen Bart und ein Paar prachtvoll ausgebogene Hörner, war überhaupt ein starkes, ungemein sehniges Tier.

Der blaue Affe, der bläulich-grauen Farbe seiner Haare nach, oder häufiger noch Heulaffe genannt, da er ein wunderlich wehmütig klingendes Geheul ausstößt, das sich nur denken lässt, saß mit dem schwarzen langgeschwänzten Affen (der Heulaffe hat gar keinen Schwanz) oben auf dem Fass, den anderen nur selten gestattend, ebenfalls mit Platz darauf zu nehmen. Der Blaue fuhr nur manchmal herum und warf dem Schwarzen einen grimmigen Blick zu, wenn dieser, was er gerne tat, mit dem langen Schwanz umher schlug und den Blauen traf. Er griff ein paar Mal danach, konnte ihn aber nicht erwischen, mochte auch wahrscheinlich nicht gerne ernstlichen Streit anfangen, denn die schwarzen Affen sind gar böse Tiere und haben fast so starke Zähne wie ein Hund – verstehen auch überdies keinen Spaß.

Die braunen, ebenfalls langgeschwänzten Affen – wie wir denn überhaupt immer gerade da am liebsten hingehen, wo wir eigentlich nicht hingehen sollen – waren nun aber doch schon mehrmals auf das Fass gesprungen und hatten einige Male, wenn sich der Heulaffe nach ihnen umdrehte, den Versuch gemacht, an dem in der Mitte der Hütte befindlichen Pfosten hinauf zu klettern – es blieb aber auch nur immer bei dem Versuch, denn der Pfosten war ganz glatt und mit Seife eingerieben. Einer der beiden unten Sitzenden hatte sie noch überdies jedes Mal beim Schwanz erwischt und wieder zurückgezogen, wobei sie einmal sogar auf den Ziegenbock gefallen waren, der das entsetzlich übel nahm.

Dieses freundliche Stillleben sollte jedoch bald auf eine höchst unerwartete und rohe Weise gestört werden. Schon das Ansammeln der Menschen um den Käfig mit dem lauten Lachen und Sprechen und den jetzt dicht neben ihnen erschallenden Tönen des Gongs und Gamelangs (denn die Musiker hatten sich nach und nach alle wieder zusammengefunden) gefiel ihnen nicht recht. Sie wurden unruhig. Der Bock, der vielleicht glaubte, einer der Affen sei schuld daran, bog den Kopf nieder und nahm einen kleinen Anlauf gegen das Fass, wobei er den Heulaffen sehr erschreckte und den Schwanz des schwarzen Affen gegen den Pfosten klemmte, sodass ihn dieser mit einem lauten Angst- und Schmerzensschrei hinaufzog, ernsthaft betrachtete und nach allen Seiten herumdrehte, dann aber, während er sich an einem anderen Teil nahte, die Zähne gegen den unten wieder stolz auf- und abgehenden Bock fletschte und sonst noch alle nur möglichen ärgerlichen Gesichter schnitt.

Da plötzlich wurde die Aufmerksamkeit der ganzen Gesellschaft vollständig von sich weg und der Tür ihrer jetzigen Behausung zugelenkt, denn eine Gruppe schwatzender lachender Kulis kam dort mit einem ziemlich großen und anscheinend sehr schweren Bambuskasten an, den sie dicht vor dieselbe niedersetzten. Die Tür wurde aufgezogen. Als sich der Ziegenbock demselben neugierig näherte und sogar der blaue Affe von seinem etwas höher gelegenen Standpunkt, dem Fass, heruntergekommen war, um zu sehen, was es da unten gäbe, wurde plötzlich draußen eine Klappe aufgezogen. In demselben Moment fuhr ein grimmer schwarzer borstiger Eber, wie aus einer Pistole geschossen heraus, mitten zwischen die entsetzte Gesellschaft hinein, die natürlich gerade so rasch auseinander stob, wie die Gong- und Gamelangschläger vorher, als der Panther zwischen sie kam.

Der Affe war mit einem Satz wieder auf dem Fass und wollte an der Stange hinauf, was aber der schlüpfrigen Seife wegen nicht ging. Der Bock floh im ersten Schreck an die andere Seite des Fasses, glaubte sich dort sicher. Der Eber aber, der von den andern Tieren auch nicht die geringste Notiz nahm, fand sich kaum aus seiner bisherigen engen Haft erlöst, als er auch den Weg ins Freie zu finden suchte und mit tiefem Grunzen rings um die Bambuswand lief, den Ausgang zu treffen, der sich ihm nirgends zeigen wollte.

Der Bock hatte sich indessen dicht an das Fass gedrückt. Erst als ihn das grunzende Schwein mehrmals dicht umkreiste, gewann der alte Zorn und Stolz die Oberhand über den ersten Schreck. Er bog den Kopf nieder, lehnte sich ein wenig zurück und stieß plötzlich, als ihn der Eber wieder passierte, mit solcher Gewalt dem überraschten Tier gerade in die Weichen, dass dieses mit lautem Grunzen gegen die Bambuswand geworfen wurde. Das aber war ihm doch zu bunt. Sich zornig gegen den tückischen Angreifer werfend, hieb er nach diesem, ihn leicht an der Schulter verwundend und bedrängte ihn so, dass der Bock seinerseits auf das Fass hinauf retirieren musste, was er auch mit einem kühnen Satz ermöglichte und zu welchem Zwecke das Fass denn auch in der Tat eingesetzt worden war.

Dadurch kam er aber natürlich den Affen sehr in den Weg, die in wilder Flucht an der Stange, aber immer vergeblich hinauf zu flüchten suchten, während die beiden braunen Affen an dem inneren Bambusgitter in die Höhe liefen und dort sich mit drei Beinen festhängend, einen Arm und den Schwanz niederhängen ließen und die Zähne dem Eber zufletschten, der jedenfalls an der ganzen Verwirrung Schuld war und schon anfing, den Hausherrn zu spielen.

Der Bock überschaute nun, die untereinander kratzenden und beißenden Affen keines Blickes würdigend, das Terrain, endlich wohl einsehend, dass er hier oben jedenfalls einen gedeckten Rückhalt habe, sprang er vom Fass herab. Den Kopf senkend und ein paar Schritte zurückgehend, fuhr er wieder mit solcher Gewalt gegen den Eber ein, dass dieser fast zu Boden gestürzt wäre und nun in der Tat ergrimmt sich gegen den mutwilligen Angreifer wandte. So plötzlich fuhr er dabei nach diesem herum und mit so unerwartetem Erfolg, indem er dem Bock einen tüchtigen Hieb in die Seite versetzte, dass dieser in wilder Eile seinen Zufluchtsort wieder zu erreichen suchte, durch den etwas zu heftigen Ansprung aber das Fass umstieß und auf der anderen Seite, während der Eber einen Hieb nach dem rollenden Fass selber tat, die Erde erreichte.

Daraufhin aber begann erst das Komische des ganzen Kampfes – die beiden großen Affen, ebenfalls durch das Umstürzen des Fasses jedes Rückhaltes beraubt, suchten an dem schlüpfrigen Pfosten, aber immer vergebens, in wilder Eile hinauf zu klimmen. Der Schwarze, welcher der Gewandtere schien, hatte sich indessen noch nicht mehr als etwa vier Fuß von der Erde emporgearbeitet, als ihn der Blaue auch schon beim Schwanz erwischte und wieder herunter zerrte, um dann selber sein Heil in der Flucht an den Bambusstäben hinauf zu suchen. Der Ziegenbock aber nahm dann einen Anlauf gegen den schwarzen Affen, während dieser gewandt zur Seite auf den Eber und von diesem ab an der Wand hinaufsprang, rannte jener gewöhnlich mit aller Kraft gegen den Mittelpfosten an, dass die Hütte erbebte. Er durfte sich aber nicht lange mit dem Holz abgeben, denn der Eber machte einen neuen Angriff auf ihn. Diesem mit einem kühnen Sprung ausweichend, stieß er den schwarzen Burschen wieder mit solcher Gewalt und so genau und voll gegen das Hinterteil, dass das Tier von dem unerwarteten Stoß mit einem dumpfen Grunzen zusammenknickte und sich nur wieder erholen konnte, um einen zweiten gerade an die Seite des Kopfes zu bekommen.

Laut aufschreiend fuhr er nach dem Bock herum. Dieser war mit einem Satz auf dem umgestürzten Fass droben. Dort aber bot sich ihm kein fester Punkt, das liegende Fass rollte und der Bock hatte alle Hufe voll zu tun, sich oben und im Gleichgewicht zu halten. Der Eber schien übrigens so derbe Stöße erhalten zu haben, dass er sich wirklich erst wieder erholen musste, ehe er den wunderlichen Kampf erneuern konnte. Er schnauzte deshalb die Affen an, die, als er kurze Zeit ruhig stand, ihn begannen, zur Treppe zu gebrauchen, auf der sie bequem von unten nach oben und wieder zurücksprangen. Endlich aber verlor der Bock das Gleichgewicht, das Fass schoss ihm hinten unter den Hufen fort, und der Eber, der das für eine neue Beleidigung hielt, warf sich von Neuem gegen ihn.

Dieses Mal wurde er aber bös empfangen. Der Bock, augenscheinlich durch das Rollen des Fasses, vielleicht auch schon durch die vorher erhaltenen Wunden, in die übelste Laune versetzt, ließ ihn gar nicht zur Tat kommen und traf ihn gleich beim ersten Ansprung voll gegen die Hauer.

Der zweite Stoß, den er rasch nach dem ersten führte, wäre vielleicht noch verderblicher geworden, hätte sich da nicht der blaue Affe, wenn gleich ganz unfreiwillig, dazwischen geworfen. Dieser hatte nämlich während der Zeit oben und zwar sehr unnötigerweise, mit dem schwarzen Affen eine Rauferei angefangen, welche der Schwarze, der lange genug geduldig zugesehen hatte, nicht länger mit seinem Gefühl von Ehre und Mut vereinbaren konnte. Er fasste ihn deshalb plötzlich dermaßen mit den Nägeln und Zähnen, indem er seinen Schwanz dabei um einen der Bambusstäbe schlang, sich daran festzuhalten, dass der Heulaffe, nur um sich gegen den rasenden Angriff zu verteidigen, loslassen musste und nun, während der Gegner an seinem Stern-Tau, wie die Matrosen sagen würden, hängen blieb und zähnefletschend hin und her schaukelte, nieder und gerade zwischen die beiden unten kämpfenden Tiere in demselben Moment hineinfiel, als der Bock einen neuen Anlauf genommen hatte. Das arme Tier hätte zu keiner ungelegeneren Zeit hier ankommen können, denn von der furchtbaren Gewalt des Stoßes getroffen wurde ihm gleich die Brust zerschmettert. Er blieb tot neben dem Eber liegen, während der Bock, der bei dem lauten Aufschrei nicht anders glaubte, ein neuer Gegner sei ihm da erstanden, rasch wieder auf sein rollendes, sich wälzendes Fass zurücksprang.

Der Eber dagegen, der natürlich nicht wissen konnte, welchen vortrefflichen, wenn auch unfreiwilligen Dienst ihm der Tote geleistet hatte, hieb in grimmer machtloser Wut ein paar Mal nach ihm und wandte sich dann wieder gegen das Fass. Dort aber kam ihm der Bock, der durch den bis dahin so erfolgreichen Kampf immer mehr Mut und Zuversicht geschöpft hatte, auf halbem Wege entgegen und bearbeitete ihn nun dermaßen, dass das Schwein zuletzt nur noch machtlos und ohne imstande zu sein das schon halb gelähmte Kreuz vom Boden wieder aufzubringen, nach ihm hauen konnte. Der Bock aber, der bei diesen Kämpfen wunderbarerweise fast stets das Feld behaupten konnte, gab ihm noch drei oder vier mit aller Macht geführte Stöße und sprang dann – nun jedoch wie im Triumph und Übermut – nochmals auf das Fass zurück, wo er sich wie im Spiel zu schaukeln und balancieren schien, den schwarzen Affen dadurch ärgerte, der den Platz als ganz vortrefflich gefunden hatte, um den Kampf der beiden Tiere zu beobachten.

Mit dem Sieg des Bockes, denn das Schwein war so mürbe gemacht worden, dass es gar nicht wieder aufzustehen wagte, hörte aber das Interesse der Zuschauer an dem Kampf auf. Die Europäer verließen den Schauplatz, um den sich neugierig die Eingeborenen drängten, um zu sehen ob sich der Eber vielleicht noch einmal erholen oder der Bock aufs Neue wieder beginnen würde, wobei man es natürlich nicht an Anreizungen fehlen ließ.

Die Festlichkeiten beschränkten sich von da an mehr auf Essen und Trinken. Die Tänze der Eingeborenen, welche die ganze Nacht hindurch währten, wenigstens waren die unausweichlichen Töne des Gamelangs und der Gongs das Erste wieder, das Fritz Wildaus Ohr begrüßte, als er am nächsten Morgen mit Tagesanbruch erwachte.