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Der Welt-Detektiv Band 6

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John Tanner – Das Leben eines Jägers 27

John Tanner
Das Leben eines Jägers
oder
John Tanners Denkwürdigkeiten über seinen 30-jährigen Aufenthalt unter den Indianern Nordamerikas
Erstmals erschienen 1830 in New York, übersetzt von Dr. Karl Andree

Siebenundzwanzigstes Kapitel

Esch-ke-buk-ke-koo-scha, ein Häuptling vom Leech-See, fand sich um diese Zeit nebst einem Gefolge von vierzig jungen Kriegern, zu Pembina ein. Ich ging, nebst mehreren anderen, welche er gleichfalls zu sich eingeladen hatte, in seine Hütte, um etwas Näheres über die neue Offenbarung zu hören, welche der große Geist dem Manito-o-gheez-hik gemacht hatte. Eines Abends befanden wir uns sämtlich in einer ausdrücklich zu diesem Behuf errichteten Hütte, tanzten, aßen und wollten die Eröffnungen des Häuptlings anhören, als plötzlich zwei Flintenschüsse gehört wurden, die beinahe in demselben Augenblick fielen, und zwar aus der Gegend herüber, wo die Nordwest-Compagnie ihr Kontor hatte. In demselben befand sich weiter niemand, als zwei Franzosen, die erst an jenem Tag angekommen waren. Die alten Indianer sahen einander unruhig an, und schienen bestürzt zu sein. Mehre sagten: »Die Franzosen töten Wölfe.«

Esch-ke-buk-ke-koo-scha aber entgegnete: »Ich erkenne die Gewehre der Sioux.«

Die Nacht war sehr dunkel. Die jungen Leute griffen zu den Waffen und eilten hinaus; ich mit ihnen. Einige verhedderten sich im Gestrüpp oder verletzten sich an den Zweigen. Deshalb kamen wir nur langsam vorwärts. Ich meinerseits erreichte endlich den Pfad und ging nun eine Strecke weit den Übrigen voran. Da schlüpfte plötzlich eine dunkle Gestalt an mir vorüber, und in demselben Augenblick vernehme ich die Stimme der schwarzen Ente.

Er sagte: »Ich bin ein Mann (Reen-dow-in-nin-ne).«

Ich hatte oft von seiner Tapferkeit gehört und ihn schon einmal in einem Dorf der Sioux am Chief Mountain gesehen. Damals hatten wir uns auf einen Kampf gefasst gemacht, und er befand sich an unserer Spitze. Ich beschloss, ihm auch diesmal zu folgen.

Als wir noch etwa einen Schuss weit vom Fort entfernt sein mochten, fing er an, bald auf die rechte, bald auf die linke Seite zu springen, und erreichte im schnellsten Zickzack binnen kurzer Zeit das Fort. Ich folgte seinem Beispiel und sah, wie er sich mit einer solchen Behändigkeit hinein schwang, dass seine Fußsohlen auf Mannshöhe über dem Boden schwebten. Innerhalb der Umwallung gewahrten wir ein Haus, aus welchem durch Fenster und Tür ein helles Licht strahlte. Die schwarze Ente hatte eine Bisonhaut über die Schultern geworfen und konnte, weil diese von dunkler Farbe war, an dem Fenster vorübergehen, ohne von der im Zimmer stehenden Schildwache bemerkt zu werden. Mich aber verriet meine weiße Decke, und schon befand sich die Mündung eines Gewehrlaufes ganz in der Nähe meines Kopfes, als mein Gefährte den erschreckten Franzosen beim Arm packte. Dieser hatte mich nämlich für einen Sioux gehalten und darum mich niederschießen wollen.

Der andere Franzose lag in einer Ecke. Die Frauen und Kinder heulten und wehklagten. Nun erfuhren wir, dass der Mutigste von beiden, derselbe, welcher am Fenster Wache gehalten hatte, kurz vorher sein Pferd außerhalb der Umwallung hatte tränken wollen. Aber kaum war das arme Tier außerhalb der Pforte, so wurde es auch schon von Leuten, die sich ganz in der Nähe versteckt hielten, niedergeschossen. Der Franzose hatte uns für die Täter gehalten, kam aber natürlich bald von seinem Irrtum zurück. Wir beiden hatten nicht einmal den Leichnam des Pferdes bemerkt, und doch waren wir über denselben hinweggeschritten, als wir ins Fort drangen. Der Franzose wollte dasselbe nicht verlassen, die schwarze Ente aber stand zu einem der in demselben befindlichen Frauen in einem sehr vertrauten Verhältnis und drang deshalb darauf, dass sie alle im Indianerlager Schutz und Zuflucht suchen müssten. Nach und nach fanden sich mehrere unserer jungen Krieger ein, und wir beschlossen nun, die ganze Nacht hindurch wohl auf der Hut zu sein.

Am frühen Morgen gewahrten wir die Spuren von zwei Männern, welche über den Pembina gesetzt waren. Am anderen Ufer hatte sich ein Kriegerhaufen versteckt gehalten. Jene beiden Krieger waren der berühmte Yankton-Häuptling Wah-ne-tah und dessen Oheim. Sie hatten dicht am Eingang zum Fort gelegen und den Entschluss gefasst, auf alles, was aus- oder eingehen würde, zu schießen. Durch ihren Schuss war das Pferd des Franzosen getötet worden. Die beiden Männer hatten darauf die Flucht in Richtung Strom genommen, wahrscheinlich ohne zu wissen, ob sie ein Pferd oder einen Menschen getötet haben.

Als wir uns überzeugt hatten, dass jener Kriegerhaufen der Sioux nicht sehr zahlreich war, wollten sich mehrere unserer Krieger aufmachen und ihn verfolgen.

Aber Esch-ke-buk-ke-koo-scha sagte uns: »Nein, meine Brüder, Manito-o-gheez-hik, der mich zu Euch gesandt, hat gesagt, wir sollten nicht mehr gegen unsere Feinde ziehen. Ist es nicht augenscheinlich, dass uns bei dieser Gelegenheit der große Geist beschützt hat? Wenn die

Sioux sich der Hütte genähert hätten, in welcher wir, ohne Waffen bei uns zu tragen, zum Fest versammelt waren, würden sie uns dann nicht mit leichter Mühe haben töten können? Aber sie waren dermaßen verblendet, dass sie ein Pferd für einen Chippewa ansahen. So wird es auch ferner gehen, wenn wir den Befehlen gehorchen, die uns kundgetan wurden.«

Ich schwebte in Besorgnis über das Schicksal, welches meine Familie betroffen haben konnte. Ich hatte sie in meiner Hütte zurückgelassen und musste fürchten, dass sie von den Sioux auf ihrem Rückzug überfallen worden war.

»Geh«, sprach Esch-ke-buk-ke-koo-scha, als ich ihm sagte, wie ängstlich ich sei, »aber fürchte nicht, dass die Sioux deiner Frau oder deinen Kindern ein Leid zugefügt haben. Ich wünsche nur, dass du heimläufst, um deinen Medizinbeutel mitzubringen. Ich werde dir zeigen, was man mit dem Inhalt desselben machen muss.«

Ich kam bald zurück, hatte meine Familie unversehrt angetroffen, und er warf alles ins Feuer, was ich mitgebracht hatte, die Jagd- und Kriegsmedizin ausgenommen.

»Höre«, sprach er, »was wir fortan tun müssen. Wenn einer krank wird, soll man ein aus Birkenrinde verfertigtes Gefäß nehmen, und ein wenig Tabak, und das soll der Kranke selbst, wenn er noch gehen kann, und ist dieses nicht der Fall, sein nächster Anverwandter bis an das nächstliegende fließende Wasser tragen. Dort soll man den Tabak dem Fluss übergeben, das Gefäß gegen den Strom eintauchen und einige Tropfen herausziehen, welche der Kranke in seiner Hütte trinken muss. Ist der Kranke sehr schlecht, so muss dieses Gefäß so tief untergetaucht werden, dass der Rand desselben den Grundschlamm berührt.«

Als er mir diese Anweisung gegeben hatte, überreichte er mir noch einen kleinen hölzernen Reif, der wie ein Band um den Kopf getragen werden sollte. Auf der einen Seite desselben sah man das Bild einer Schlange, deren Amt, wie er sagte, es sein sollte, das Wasser zu bewachen. Auf der anderen Seite war ein Mensch abgebildet, welcher den großen Geist vorstellen sollte. Diesen Schmuck durfte man aber nicht für gewöhnlich tragen. Nur wenn ich Wasser für kranke Verwandte oder Freunde holen würde, sollte ich ihn umtun. Ich war sehr missvergnügt darüber, dass er den ganzen Inhalt meines Medizinbeutels vernichtete. Es waren Wurzeln und andere Dinge darin, deren heilsame Wirkung in Krankheitsfällen ich selbst erprobt hatte. Noch mehr aber tat es mir leid, dass er uns ein für alle Mal verboten hatte, künftig von diesen wohltätigen Heilmitteln Gebrauch zu machen. Indessen ließen es sich sämtliche Indianer dieser Gruppe gefallen, und so musste auch ich mich fügen.

Im Anbeginn des Frühlings machte ich mich auf, um verabredetermaßen mit Scha-gwaw-ko-sink zusammenzutreffen. Das hatte ich ihm, als im vorigen Jahr die Blätter abfielen, versprochen. Ich war zur rechten Zeit am Platz, und bald darauf kam auch der Greis an, ganz allein und zu Fuß. Er lagerte seit einigen Tagen nur zwei Meilen weit entfernt und war mit frischem Wildbret im Überfluss versehen, was mir sehr angenehm war, da ich seit einiger Zeit nichts geschossen hatte. Ich blieb den Sommer über bei ihm. Scha-gwaw-ko-sink war zu alt und zu schwach, um noch jagen zu können, hatte aber einige junge Männer bei sich, die es ihm an nichts fehlen ließen, solange überhaupt Wild in der Umgebung war. Gegen Ende des Jahres war das nicht mehr der Fall; das Wetter kalt und der Erdboden sehr tief eingefroren, aber es fiel kein Schnee, und deshalb war es sehr schwer, den Moosetieren nahe zu kommen, denn sie liefen immer davon, sobald sie hörten, dass wir uns näherten. Das Geräusch, welches unsere Tritte im dürren Laub und auf der harten Erde verursachten, verriet uns immer. Da dieses Wetter lange andauerte, so fingen wir an, Hunger zu leiden, und nahmen nun zu unserem letzten Hilfsmittel, einer Jagdmedizin, unsere Zuflucht. Ich sang und betete die halbe Nacht und legte mich alsdann schlafen. Da sah ich im Traum, wie ein schöner junger Mann durch die Giebelöffnung meiner Hütte herabstieg.

Er sprach: »Warum das Geräusch, welches ich vernehme? Weiß ich etwa nicht, wann dich hungert und dürstet? Ich halte stets meine Augen auf dich gerichtet, und du brauchst mich nicht mit lautem Schreien herbeizurufen.« Dann wies er nach Osten hin und fuhr fort: »Siehst Du dort nicht jene Spuren?«

»Ja, es sind die zweier Moosetiere. «

»Ich gebe dir diese beiden Moosetiere zu essen. «

Darauf ging er aus der Tür meiner Hütte, und als er diese öffnete, sah ich den Schnee in dichten Flocken herabfallen.

Ich wachte auf, fühlte aber noch große Müdigkeit und rief deshalb den alten Scha-gwaw-ko-sink, auf dass er mit mir rauchen sollte. Dann bereitete ich das Muz-zin-ne-neen-suk, das heißt die Darstellung der Tiere, welche mir im Traum gezeigt worden waren. Bei Tagesanbruch verließ ich meine Hütte. Der Schnee lag schon dick. Ich folgte der mir angedeuteten Richtung. Schon vor Mittag gewahrte ich die Spuren zweier Moosetiere und schoss beide nieder. Es waren ein Männchen und ein Weibchen, und beide außerordentlich fett.

Die Gesänge, welche bei diesen Jagdmedizinen angestimmt werden, haben Bezug auf die religiösen Meinungen der Indianer und werden sehr häufig an Na-na-boo-scho oder Na-na-busch gerichtet, den sie darin bitten, er möge ihnen als Dolmetscher dienen und ihr Anliegen dem höchsten Wesen vortragen. Oft beten sie auch zu Me-suk-kum-mik-o-kwi, oder der Erde, der Urmutter aller. In diesen Gesängen wird erzählt, wie Na-na-busch die Erde geschaffen hat, um den Befehlen des großen Geistes zu gehorchen, und wie alle, den Vettern und Muhmen Na-na-buschs, d. h. den Männern und Frauen, notwendige Dinge, der Obhut jener Urmutter anvertraut sind. Na-na-busch, der sich stets als wohlwollender Vermittler zeigt, und beim großen Geist zum Besten der Menschen wirkt, ließ zum Nutzen diese letzteren Tiere werden, deren Fleisch ihnen zur Nahrung dienen und in deren Häute sie sich kleiden sollten. Er schuf Wurzeln und Arzneimittel, die wirksam gegen Krankheiten sind, und mit deren Hilfe man zur Zeit der Hungersnot Tiere erlegen kann.

Alles wurde der Sorgfalt Me-suk-kum-mik-o-kwis anvertraut, und die alte Frau erhielt Befehl, stets in der Hütte anwesend zu sein und sie niemals zu verlassen, damit seine Vettern und Muhmen ihn niemals vergeblich anflehen dürften. Die guten Indianer reißen daher auch nie Wurzeln, woraus sie ihre Medizin fertigen, aus der Erde, ohne irgendein Opfer für Me-suk-kum-mik-o-kwi auf den Boden zu legen. Sie besingen ferner, wie der große Geist in den frühesten Zeiten den Bruder des Na-na-busch getötet habe, worauf Na-na-busch böse wurde und sich gegen das höchste Wesen empörte. Na-na-busch wurde allmählich immer mächtiger und war im Begriff, über Gitsch-e-Manito den Sieg davonzutragen, als dieser, um ihn zu besänftigen, ihm den Metai überreichte. Na-na-busch war mit demselben so zufrieden, dass er ihn auf die Erde zu seinen Vettern und Muhmen herabbrachte.

Viele dieser Gesänge werden auf eine den Indianern ganz eigentümliche Art, auf Birkenrinde oder kleine Holztäfelchen aufgezeichnet. Die Ideen werden durch bildliche Gestalten ausgedrückt, etwa in derselben Weise wie bei den Mitteilungen, von denen ich weiter oben schon gesprochen habe.

Zwei Jahre vor dieser Zeit war einem Mann aus unserer Gruppe, namens Ais-kaw-ba-wis, seine Frau gestorben. Er galt für einen friedlichen Menschen und einem sehr schlechten Jäger. Seine Kinder litten seitdem noch mehr Hunger als früher. Der Tod jener Frau war von mehreren bemerkenswerten Umständen begleitet gewesen. Ais-kaw-ba-wis wurde trübsinnig und niedergeschlagen, was wir uns daraus erklärten, dass er von schwachem Charakter war. Endlich aber rief er einmal die Häuptlinge zusammen und verkündete auf die feierlichste Weise, dass der große Gott ihn mit einer neuen Offenbarung begnadigt habe. Er zeigte ihnen eine runde Kugel aus Erde, die etwa fünf Zoll im Durchmesser haben mochte, glatt, rot bemalt und etwas größer als ein halber Menschenkopf war.

»Der große Geist«, sprach er, »hat gesehen, dass ich in meiner Hütte alle Tage schrie, betete und sang. Da hat er mir zugerufen und gesagt: Ais-kaw-ba-wis, ich habe deine Bitten erhört, habe gesehen, wie du die Matten deiner Hütte mit Tränen befeuchtet hast. Ich beachte dein Flehen. Ich gebe dir diese Kugel, sie ist rein und neu. Ich gebe sie dir, damit du die ganze Welt derselben ähnlich machst, so wie sie aus den Händen Na-na-buschs hervorgegangen ist. Alle alten Dinge müssen zerstört und zerstreut, alles muss neu geschaffen werden, und deinen Händen, Ais-kaw-ba-wis, vertraue ich dieses große Werk an.«

Ich gehörte zu den Männern, welche er zusammenberufen hatte und denen er seine Offenbarungen zuerst mitteilte. Solange er bei uns blieb, sagte ich nichts. Als er aber fortgegangen war, nahm ich, im Gespräch mit meinen Gefährten, keinen Anstand, meine Ungläubigkeit kundzutun.

»Es ist sehr gut«, sprach ich, »dass wir den Willen und die Absicht des großen Geistes so wohlfeil erfahren. Jetzt treten ja die Verkündiger seiner Gebote wahrlich sehr häufig bei uns auf. Wir haben an ihnen keinen Mangel, und zufällig sind das immer Leute, die sonst zu weiter gar nichts taugen. Der Schahnis-Prophet war weit entfernt von uns. Ke-zhik-o-we-ninne und Manito-o-gheez-hik, die freilich zu unserem Stamm gehörten, waren auch nicht bei uns. Das waren auch Männer. Jetzt haben wir da nun einen Gesellen, der zu faul, träge und erbärmlich ist, um seine Familie ernähren zu können. Und der wäre also, wenn wir ihm glauben, ein Werkzeug, das der große Geist auserkoren hat, um der Welt eine andere Gestalt zu geben!«

Ich hatte eine sehr ungünstige Meinung von diesem Menschen, weil ich wusste, dass er unter den Indianern zu den am allerwenigsten Achtbaren gehörte. Ich war ärgerlich darüber, dass er sich für einen Lieblingsboten des großen Geistes ausgeben wollte. Daher verfehlte ich denn nicht, seine Anmaßungen bei jeder Gelegenheit zu verhöhnen und lächerlich zu machen. Allein trotzdem gewann er täglich einen stärkeren Einfluss auf die Gemüter der Indianer. Da er oft ganze Nächte hindurch die Trommel schlug, so zog sich alles Wild fort, und seine unverschämte Heuchelei machte ihn mir zu allen Zeiten gehässig. Aber er kannte das Geheimnis, wie er sich die Gewogenheit der meisten unter uns verschaffen konnte, und so waren denn alle meine Bemühungen gegen ihn erfolglos.

Während wir uns an jener Stelle aufhielten, traf es sich, dass, nachdem wir mehrere Tage gehungert hatten, ich ein Moosetier schoss. Als ich heimkam, erzählte ich das, und bemerkte, das Tier sei so stark verwundet, dass es wohl werde sterben müssen. Am andern Morgen, ganz früh, trat Ais-kaw-ba-wis in meine Hütte und sagte mir im ernsthaftesten Ton, der große Geist wäre herabgestiegen und hätte mit ihm über jenes Moosetier gesprochen. »Jetzt ist es tot«, fügte er hinzu, »und du wirst es da und da finden. Der große Geist will, dass es zu einem Opfer bereitet werde.«

Ich hielt es für gar nicht unwahrscheinlich, dass das Moosetier in Folge der erhaltenen Wunde gestürzt sei, und ging demnach hin, aber es war nicht tot. Dieser Umstand gab mir eine neue Gelegenheit, mich über die Anmaßungen des Ais-kaw-ba-wis lustig zu machen. Dennoch aber blieb das Vertrauen der Indianer unerschütterlich. Kurze Zeit danach schoss ich abermals ein Moosetier an und kam heim, ohne etwas davon mitzubringen. »Das ist jenes Moosetier, welches der große Geist mir gezeigt hat.«

Dieses brachte ich wirklich zur Hütte und wollte, da die meisten Indianer sehr an Hunger litten, ein Festgelage anstellen, was auch unser Prophet sagen mochte. Da unserer nicht so viele waren, dass wir alles hätten verzehren können, so wurden dem Tier die Knochen ausgelöst und diese allesamt von Ais-kaw-ba-wis auf einen Haufen gelegt; dabei auch Sorge getragen, dass nicht ein einziger zerbrach. Darauf wurden sie an einen sicheren Ort geschafft und so hoch aufgehängt, dass weder Hunde noch Wölfe daran kommen konnten; denn ein Tierknochen, welcher auf diese Weise zum Opfer dargebracht wird, darf unter keinen Umständen zerbrochen werden. Am anderen Morgen schoss ich abermals ein fettes Moosetier. Bei dieser Gelegenheit hielt Ais-kaw-ba-wis eine lange Rede an den großen Geist und sagte dann zu mir: »Du siehst, mein Sohn, wie deine gute Aufführung belohnt wird. Du hast dem großen Geist die Erstlinge deiner Jagd dargebracht. Er wird also schon dafür sorgen, dass dir nichts fehlt.«

Am anderen Morgen ging ich mit meinem Schwager aus, und wir schossen jeder ein Moosetier. Ais-kaw-ba-wis rühmte sich höchlich der Wirksamkeit des Opfers, welches ich auf seine Veranstaltung hatte bringen müssen, und sein Einfluss auf die abergläubigen Gemüter der Indianer stieg von Tag zu Tag. Dieser Mensch, der so hoch in Gunst kam, hatte früher einmal zur Zeit einer Hungersnot seine eigene Frau aufgefressen, und die Indianer hatten ihn totschlagen wollen, weil er unwürdig war, bei ihnen zu leben.

Als die Oberfläche des Schnees gegen den Anfang des Frühlings härter wurde, zogen alle Männer unserer Gruppe, Scha-gwaw-ko-sink, Waw-zhe-kwaw-maisch-koon, Ba-po-wasch, Kisch-kau-ko und noch mehrere andere nebst mir fort. Wir dörrten Fleisch in einem Jagdlager, das wir in einiger Entfernung angelegt hatten. Ais-kaw-ba-wis blieb allein bei den Frauen zurück. Wir schossen viel Wild, denn den Elend- und Moosetieren ist in jener Jahreszeit leicht beizukommen, weil die gefrorene Oberfläche des Schnees recht gut einen Menschen trägt, während die schweren Tiere einsinken und sich nur mit Mühe wieder losmachen.

Endlich ging Kisch-kau-ko einmal fort, um seine Familie zu besuchen, und gab mir nach seiner Rückkehr im Auftrag des Ais-kaw-ba-wis etwas Tabak.

Dieser ließ mir sagen: »Dein Leben ist in Gefahr. «

»Mein Leben«, entgegnete ich, »gehört weder mir noch dem Ais-kaw-ba-wis. Es liegt in den Händen des großen Geistes, und wenn der es mir verlängern oder nehmen will, so kann ich mich darüber nicht beklagen. Aber ich glaube nicht, dass er von seinen Absichten einem so unwürdigen Menschen wie diesem Ais-kaw-ba-wis etwas kundgetan hat.« indessen beunruhigte dieser Ausspruch alle Indianer, welche bei mir waren, und sie gingen gleich nach dem Ort, wo sich Ais-kaw-ba-wis mit den Frauen aufhielt. Ich dagegen machte einen Umweg, um nach einigen meiner Fallen zu sehen; fand auch darin eine Otter, die ich über den Rücken warf. Bald danach erreichte ich meine Gefährten.

Alle unsere Hütten waren zu einer einzigen großen Hütte umgewandelt. Die Frauen, Kinder und jene Männer, welche vor mir sich dorthin begeben hatten, saßen in freier Luft um ein Feuer herum, zitterten und bebten aber dabei vor Kälte. Auf meine Fragen, was denn hier eigentlich vorgehe, erhielt ich zur Antwort, Ais-kaw-ba-wis bereite sich auf eine wichtige Mitteilung vor, welche der große Geist durch seine Stimme kundtun wolle. Er hatte viel Zeit gebraucht, um die Hütte herzurichten. Kein Indianer durfte dieselbe betreten, ehe er ein Zeichen geben würde. Dann aber sollte Ba-po-wasch den Tanz führen, und von allen Übrigen begleitet in die Hütte eintreten.

Es war ausgemacht, dass alle viermal in der Hütte herumtanzen müssten. Darauf sollte sich jeder an seine Stelle setzen. Ich bekümmerte mich um all das nicht im Geringsten, sondern trat ohne Weiteres in die große Hütte, warf meine Otter auf die Erde und setzte mich ans Feuer.

Ais-kaw-ba-wis schleuderte einen Blick voll Wut und Zorn auf mich, schloss darauf seine Augen, und stellte sich, als fahre er mit einem Gebet fort, worin ich ihn gestört hatte. Einige Zeit späterer begann er die Trommel zu schlagen und mit lauter Stimme zu singen. Als er zum dritten Mal innehielt, dieses war das verabredete Zeichen, kam Ba-po-wasch tanzend herein, von Männern, Frauen und Kindern gefolgt. Sie tanzten vier Mal in den Hütten herum und kauerten sich dann alle auf ihren Plätzen nieder. Eine Zeit lang war dann alles still. Ais-kaw-ba-wis blieb mit geschlossenen Augen mitten in der Hütte auf einem Haufen weicher Erde, den er mit seinen eigenen Händen zubereitet hatte, sitzen. Derselbe glich denen, welche die Häuptlinge im Krieg für die Feierlichkeit des Kozaubunzitschegun bereiten. Dann rief er die Männer einzeln beim Namen, und sie mussten sich rund um ihn herum setzen.

Ich war der Letzte und ließ mich auf der Stelle nieder, welche er mir anwies.

Darauf wandte er sich zu mir und sprach: »Schaw-schaw-wa-ne-ba-se, mein Sohn, du wirst dich wahrscheinlich erschrecken, denn ich habe dir traurige Nachrichten mitzuteilen. Der große Geist hat, wie ihr, meine Freunde, alle sehr wohl wisst, mich seit langer Zeit durch Mitteilung seiner Gedanken und seines freien Willens begünstigt. Neulich hat es ihm gefallen, mir kundzutun, was jedem von uns in Zukunft beschieden ist. Ihr, meine Freunde«, fuhr er fort, sich zu Schaw-gwaw-go-nusk und den übrigen Indianern wendend, »seid aufmerksam gewesen und habt die Befehle des großen Geistes geachtet und befolgt, so wie ich euch gelehrt habe. Er gestattet daher allen das Menschenalter. Ihr werdet es voll erleben und alt werden. Diese lange, gerade Linie, die hier am Boden gezogen, ist ein Bild des Lebens, wie es euch allen zuteilwerden wird. Du aber, Schaw-schaw-wa-ne-ba-se, du hast dich vom richtigen Weg entfernt. Du hast den Rat, welchen ich dir gab, nicht beachtet. Diese kurze und krumme Linie stellt dein Leben dar, du wirst nur ein halbes Menschenalter erreichen. Diese andere Linie, welche eine Krümmung nach jener Seite hin zeigt, deutet das Schicksal an, dessen sich die junge Frau des Ba-po-wasch zu gewärtigen hat.« Nachdem er so gesprochen hatte, mussten wir nähertreten und die Linien betrachten.

Ba-po-wasch hatte die besten Stücke von einem fetten Bären geräuchert und gedörrt, um im nächsten Frühjahr davon ein Festgelage für seine Medizin zu halten. Wenige Tage vor der erwähnten Zusammenkunft hatte Ais-kaw-ba-wis, während Ba-po-wasch auf der Jagd war, zu der Schwiegermutter dieses Letzten gesagt: »Der große Geist hat mir zu wissen getan, dass nicht alle Sachen so stehen, wie sie stehen sollten. Geh’ darum hin, und sieh zu, ob der Bär, den dein Sohn aufgehängt hat, um damit ein Festmahl für seine Medizin zu halten, noch ganz und unversehrt ist.«

Sie tat das und fand, dass die Tatzen des Bären verschwunden waren. Ais-kaw-ba-wis, der sehr leckermäulig war, hatte sie selbst gestohlen. Ba-po-wasch erfuhr jenes, und war sehr bekümmert über das Unglück, welches ihm bevorstände. Um es abzuwenden, gab er dem Propheten nicht nur alles, was noch von jenem Bären übrig war, sondern auch viel Mark, und noch manche andere Dinge, welche er eben für jenes Festmahl bestimmt hatte.