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Im fernen Westen – Der junge Auswanderer 7

Der junge Auswanderer
Kapitel 7

Am folgenden Nachmittag ritten Alfred und Emmy in frischem Trab von einem Ausflug zurück, den sie miteinander gemacht hatten, und waren eben an jene Talsenkung gekommen, die weiter unten die beiden Ranches trennte, als Emmy ausrief: »Dort oben hält ein Reiter, der uns winkt! Seht, Fred! Dort bei den Baumwollholzbäumen!«

Als Alfred in die angedeutete Richtung hinaufblickte, sah er in der Tat einen Mann, welcher seinen Hut schwenkte, im scharfen Trab auf sich heranreiten. Er hielt sein Pferd an und sah einen wildfremden Mann vor sich, der ihn alsbald anredete.

»He, seid Ihr etwa Squire Alfred von Holz’ Ranch?«

Alfred bejahte, und der Fremde fuhr fort. »Ja, denn, Boss, Squire Holz lässt Euch sagen, Ihr möget so rasch wie möglich zu Agdens Ranch hinüberreiten, wo er Euch erwarte.«

»Zu Agdens Ranch?«, fragte Alfred überrascht. »Was soll ich denn dort tun?«

»Weiß ich nicht und schätze, das geht mich auch nichts an«, versetzte der Fremde trocken. »Ich richte meinen Auftrag aus, wie Squire Holz ihn mir gegeben hat. Wenn ich aber recht gehört habe, so handelt es sich um ein Stück Land in den Bergen, das der Squire kaufen will. Der Eigentümer davon will zu Agdens Ranch herunterkommen und Squire Holz dort übernachten. Das ist alles, was ich weiß.«

»Das ist aber doch ganz sonderbar …«, sagte Alfred.

»Na, meinetwegen«, fiel ihm der Fremde barsch ins Wort. »Mich geht’s ja nichts an. Als ich Squire Holz drüben hinter Rabbit Tail Creek begegnete und er hörte, dass ich nach Jackson City gehe und an Gosport Ranch vorüberkomme, bat er mich, diesen Auftrag zu bestellen, und meinte, ich werde Euch vielleicht unterwegs mit der Miss hier treffen. Na, ich habe meinen Auftrag ausgerichtet und die zwei Dollar verdient, die mir der Squire gegeben hat. Alles andere ist nicht meine Sache. Good bye!« Damit schwenkte er sein zottiges Pony herum und sprengte davon, und ehe Alfred sich noch auf eine weitere Frage besonnen hatte, war der fremde Bote außer Hörweite.

»Ich glaube, ich muss doch gehen, obwohl ich vor Nacht nicht mehr zu Agdens Ranch kommen werde«, sagte Alfred.

»Geht lieber nicht, Fred«, sagte Emmy. »Der Mann gefiel mir gar nicht. Er konnte Ihnen nicht einmal in die Augen sehen. Ich kann mir zwar nicht denken, weshalb er Sie belügen sollte, allein ich würde doch erst lieber nach Hause reiten und nachfragen, ob die Botschaft von Mister Holz auch richtig ist.«

»Es ist schon ziemlich spät am Nachmittag und es würde mich zu lang aufhalten, wenn ich erst zur Ranch hinauf und dann wieder zurückreiten würde«, sagte Alfred. »In dieser Zeit kann ich halbwegs Agdens Ranch erreichen. Ich hätte dann den schlimmsten Teil meines Wegs bei Nacht zurückzulegen und würde vielleicht meinen Onkel beleidigen. Nein, es kann ja keine Gefahr dabei sein, wenn ich dem Oheim gehorche. Adieu denn, liebe Emmy!«, sagte er und schüttelte ihr die Hand. »Grüßen Sie Ihren Herrn Vater und sagen Sie ihm, warum ich nicht mitkomme!«

Alfred ritt den westlichen Abhang der Senkung hinauf, hielt auf der Höhe einen Augenblick, schwenkte seinen Hut zum Gruß und ritt davon, worauf Emmy langsam nach Hause ritt. Emmy traf ihren Vater, als sie am Haus anritt. Dieser fragte natürlich, wo denn Alfred bleibe. Als er hierauf den Vorfall erfuhr, war er nicht wenig überrascht.

»Das ist doch seltsam«, sagte er nachdenklich. »Holz hat mir noch nie etwas davon gesagt, dass er Land in den Bergen kaufen wolle, während hier in den Plains noch viel zu haben ist. Überdies ist es noch keine Stunde her, dass ich ihn drüben über die Prärie reiten sah.«

»Dann steckt etwas Schlimmes dahinter,« erwiderte Emmy erschrocken. »Der Fremde und sein Aufzug gefielen mir gar nicht.«

»Possen!«, sagte Gosport, »hier an der Grenze geht man nicht im schwarzen Frack umher.«

»Wenn aber Alfred etwas zustieße?«, rief Emmy ängstlich. »Er hat nicht einmal eine Flinte bei sich.«

»Was sagt Ihr da, Señorita Emmy? Was ist’s mit Señor Alfredo?«, rief eine alte Mexikanerin namens Ines, welche gerade in der Milchkammer beschäftigt gewesen war, und lief entsetzt herbei.

»Señor Alfredo ist nicht bei Euch? Ist zur Agdens Ranch geritten? O, das ist schlimm!«

»Ja, meiner Treu! Nun erinnere ich mich«, sagte Gosport und schlug sich vor die Stirn. »Ines fragte mich heute Mittag ängstlich, ob ich Alfred nicht gesehen habe. Ich sagte ihr, er sei mit dir ausgeritten, und das schien sie zu beruhigen.«

»Ja, damals hielt ich Señor Alfredo für sicher, aber nun weiß ich es gewiss. Er wird umgebracht werden«, sagte Ines, welche den Worten des Farmers aufmerksam zugehört hatte.

»O Himmel, meine Ahnung! Ines, ich bitte dich, was gibt es denn?«, rief Emmy.

»Das sollt Ihr sogleich erfahren, Señorita! Señor Alfredo ist in großer Gefahr«, sagte Ines. »Baldomero, mein Junge, soll Euch alles selbst sagen. Ich gehe sogleich, ihn zu holen.« Währenddessen erzählte Emmy ihrem Vater von dem Schuss, welcher gestern auf Alfred gefallen sei und von dem dieser nicht habe reden wollen, um seinen Oheim nicht zu erschrecken. Gosport wurde nun auch sehr ernst. Mittlerweile war Ines mit ihrem halbwüchsigen Sohn Baldomero zurückgekehrt, und dieser erzählte nun in aller Kürze, er sei, als er gegen Mittag seinem Vater das Essen zur Weide gebracht hatte, dem Ute Cuervo begegnet und dieser habe ihm aufgetragen, er solle Señor Alfredo warnen, nicht zu der Barranca de los Conejos (Kaninchenschlucht) zu gehen, denn dort werde ihm von zwei »bösen Indianern« aufgelauert, bei denen ein Weißer sei. Diese hätten sich verschworen, ihn umzubringen. Señor Alfredo solle unter keinen Umständen allein in die Berge reiten. Baldomero war dann zu Holz’ Ranch geritten, nur um Alfred die Botschaft auszurichten, hatte aber weder Alfred noch Mister Holz getroffen. Der Ute habe auch etwas von einem Boten geschwatzt, der Alfred einen angeblichen Auftrag von seinem Oheim ausrichten solle.

»Alle Wetter! Nun sehe ich klar!«, rief Gosport. »Das ist ein ganzes Bubenstück. Der Junge muss durch die Kaninchenschlucht reiten, wenn er zur Agdens Ranch kommen will. He, Antonio, Bill, Robert, kommt her! Und du, Emmy, reite sogleich zu Holz’ Ranch und sage dem Alten, er solle alle Leute, die er zu Hause habe, sich bewaffnen und aufsitzen lassen und durch die Barranca zu Agdens Ranch schicken! Schnell!«

»Nicht doch, Vater! Schicke lieber einen anderen zu Holz hinüber«, erwiderte Emmy und nahm die Zügel ihres Goldfuchses wieder auf. »Ich werde Alfred nachreiten. Er kann kaum zwei Meilen Vorsprung vor mir haben. Wenn ich mich tüchtig spute, so kann ich ihn noch einholen, ehe er die Barranca erreicht, und ihn vor der Gefahr warnen, die ihm droht!« Und damit jagte sie im Galopp davon, ehe der Vater ihr noch antworten konnte.

Die Sonne stand schon ziemlich tief und es war keine Zeit zu verlieren.

»He, Jungens, tummelt euch! Sattelt fünf Pferde und holt eure Gewehre! Du, Robert, reitest zu Holz hinüber und sagst ihm, er solle mit seinen Leuten zu der Kaninchenschlucht reiten, wo Alfred Gefahr drohe. Du, Ines, sagst meinen Leuten, wenn sie heimkehren, dass sie mir sogleich folgen sollen. Ich reite mit meinen Söhnen zum Korral, wo Texas Dick ist, und folge dann Alfred. Mach’s dringlich, Ines, hörst du?«

»Santissima Madre! Wie Señorita Emmy reitet!«, rief Baldomero, welcher der Reiterin nachgeschaut hatte. »Ihr Goldfuchs setzt kaum die Hufe auf den Boden … Jetzt ist sie am Creek. Sie sucht gar nicht nach der Furt … Wahrhaftig, sie sprengt mitten hinein und schwimmt durch, um Zeit zu sparen … Ah, brava mu chacha! Und das Wasser ist dort zwanzig Fuß tief … Hurra, sie ist durch!«

Gosport hatte mit Herzklopfen dem Beginnen feiner Tochter zugesehen. »Wackeres Mädel!«, murmelte er nun aufatmend und eilte ins Haus, von wo er bald mit einigen Gewehren und Patronen zurückkehrte und seinen Oberknecht Antonio und seine beiden ältesten Söhne bewaffnete. Inzwischen wurden auch die gesattelten Pferde aus dem Korral gebracht, und Gosport, Bill, Red und Antonio schwangen sich in den Sattel. »Robert, beeile dich, zu Holz hinüberzukommen!«, rief Gosport noch seinem jüngeren Sohn zu. Dann ritt er mit seinen Begleitern im scharfen Trab davon, jedoch in einer etwas anderen Richtung als derjenigen, welche Emmy eingeschlagen hatte, weil er zunächst Texas Dick und dessen Leute mitnehmen wollte, die er noch bis zu Sonnenuntergang an dem neuen Schafkorral zu treffen sicher war. Auf diesem Ritt war kein Wort gewechselt, aber mancher besorgte Blick nach den fernen Vorbergen geworfen, bis man des neuen Korrals und der fünf oder sechs Leute ansichtig wurde, welche dabei beschäftigt waren. Ein lautes »Hallo« und verschiedene Signale setzten schon von fern Texas Dick und seine Leute davon in Kenntnis, dass der Ritt ihnen galt, und sie eilten Gosport entgegen. Wenige Worte reichten hin, um Texas Dick mit dem Stand der Dinge bekannt zu machen. Im Nu wurden die Pferde eingefangen und gesattelt und die ganze Reiterschar jagte in Richtung der Berge davon.

»Sagt ich Euch nicht neulich schon, dass ich einen weißen Mann mit den beiden Apachen gesehen habe?«, sagte Texas Dick zu dem Farmer.

»Na, seht, auch einer meiner Leute hat sie beisammen gesehen und gestern sogar den Weißen beobachtet, wie er hehlings zu Greenwood, dem Postmeister, ins Haus trat.«

»Ja, ich habe gestern Nachmittag einen fremden Weißen gesehen, der ganz heimlich durch die Hintertür in des Postmeisters Haus trat, nach einer Weile wieder herauskam, sich ganz verstohlen davonmachte und in das Gebüsch floh, wo ich ihn aus dem Blick verlor«, berichtete einer der Mexikaner.

»Jener Greenwood ist ein Schuft«, sagte Gosport.

»Ja, meiner Treu, das ist er«, versetzte Dick, »und wenn Mister Alfred ein Unglück zustößt, so werden wir den Postmeister lynchen. Ich hatte schon vorigen Winter große Lust, ihm eine Kugel auf den Pelz zu brennen, denn er steckt sicher bei den Pferdediebstählen mit unter der Decke. Aber diesmal soll er gewiss baumeln.«

Ein beifälliges Gemurmel der anderen folgte dieser Drohung, und die Gesellschaft ritt schweigend weiter. Die Sonne ging nun unter, die Dämmerung sank langsam herab und verhüllte im Verein mit dem abendlichen Duft die Ferne. Die Pferde griffen rascher aus, als ob die Nähe der Nacht sie ebenfalls ansporne, und sie jagten rasch über den unebenen Boden der Prärie hin.

Plötzlich rief Dick, welcher fortwährend den ganzen Horizont nach den Bergen hin absuchte: »Beim Wetter! Dort reitet Señor Alfred! Ich erkenne seinen Grauschimmel!«

Und in der Tat sah man in ziemlicher Ferme einen einzelnen Reiter über eine leichte Hügelwelle hinreiten, und alsbald ritt ihm der ganze Haufen nach. Allein der Reiter hatte noch immer einen bedeutenden Vorsprung und schien den Ruf nicht zu hören, welchen ihm Texas Dick nachsandte.

»Señor Gosport, das war ein Schuss! Habt Ihr’s nicht gehört?«, rief nach einer Weile einer der Mexikaner.

»Bei Jove, das war ein Schuss in den Bergen!«, sagte Dick. »Antonio hat recht! Nun im Galopp, vorwärts!

Und da knallte es wieder, ein-, zwei-, dreimal! Adolante!«

Der Boden war hier ziemlich eben und der Galopp förderte die Reiter sehr. Sie sahen in der Ferne schon die Schlucht dunkeln, in welche Alfred hineingeritten war.

Gosport rief: »Stoßt ein Kriegsgeschrei aus, Jungens, damit er unsere Nähe bemerkt. Alle miteinander stießen nun ein gellendes Geschrei aus, welches man eine Meile weit hören musste, legten die Zügel auf den Hals der Pferde und gebrauchten Sporen und Peitsche, um diese zur größten Eile anzutreiben.