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Die Trapper in Arkansas – Band 2.10

Die-Trapper-in-Arkansas-Band-2Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 2
Erster Teil – Treuherz

Kapitel 19 – Der Rat der Häuptlinge

Trotz der stürmischen Unterredung, welche Adlerkopf mit Eusebio gehabt hatte, fuhr er doch fort, seine Gefangene mit der größten Sanftmut und mit jener zartfühlenden Rücksicht zu behandeln, die den roten Menschen angeboren ist und welche man weit entfernt wäre, von Männern zu erwarten, die man, unserer Ansicht nach, ohne allen Grund, mit dem Namen Wilde beschimpft.

Eine Tatsache, die erwähnt zu werden verdient und auf die man nicht genug Nachdruck legen kann, ist die Art, wie die Indianer im Allgemeinen ihre Gefangenen behandeln. Statt, wie man nur zu oft behandlet hat, ihnen überflüssige Martern zuzufügen und sie ohne Grund zu quälen, haben sie die größte Rücksicht für sie und scheinen gewissermaßen Anteil an ihrem Unglück zu nehmen.

In dem von uns erwähnten Fall war der blutdürstige Entschluss Adlerkopfs in Bezug auf die Mutter von Treuherz eine Ausnahme, die in dem Hass, den der indianische Häuptling gegen den Jäger hegte, ihre natürliche Erklärung fand.

Der Abschied der beiden Gefangenen war ein ergreifender und erschütternder. Der alte Diener ging mit dem Tod im Herzen, um den Jäger zu suchen, während die arme Mutter den Comanchen mit gebrochenem Herzen folgte.

Am zweiten Tag traf Adlerkopf an dem, von den Häuptlingen des Volkes bezeichneten Versammlungsort an. Der ganze Stamm war beisammen.

Es kann keinen malerischen und eigentümlicheren Anblick geben als ein indianisches Lager.

Wenn die Indianer entweder auf dem Marsch sind oder im Krieg oder zur Jagd, so begnügen sie sich damit, an dem Ort, wo sie lagern wollen, Zelte von Büffelfellen zu errichten, die über kreuzweise aufgepflanzte Pfähle gespannt werden. Diese Zelte, deren Fuß unten mit Stücken Erde belegt ist, haben alle eine Öffnung an der Spitze, um den Rauch hinauszulassen, der sie sonst unbewohnbar machen würde.

Das Lager bot einen sehr belebten Anblick dar, die Frauen gingen, mit Holz und Fleisch beladen, hin und her oder leiteten Schlitten, die mit Hunden bespannt waren und alle ihre Schätze enthielten. Die Krieger saßen feierlich an den, wegen der Milde der Luft, im Freien brennenden Feuern, rauchten und sprachen untereinander.

Aber man konnte ohne Mühe erraten, dass etwas Besonderes vor sich gehen solle, denn trotz der frühen Tageszeit, die Sonne zeigte sich kaum noch am Horizont, waren die angesehensten Häuptlinge in der Beratungshütte versammelt, wo, nach dem ernsten, sinnenden Ausdruck ihres Gesichts zu schließen, eine wichtige Frage verhandelt werden sollte.

Es war der Letzte der von Adlerkopf dem Eusebio gewährten Tage.

Seines Hasses eingedenk und von dem Wunsche beseelt, sich möglichst bald zu rächen, hatte der indianische Krieger die bedeutenden Häuptlinge zusammenberufen, um die Einwilligung zur Ausführung seines abscheulichen Planes zu erhalten.

Wir wiederholen es, um unsere Leser wohl davon zu überzeugen, dass die Indianer nicht aus Gefallen an der Grausamkeit grausam sind. Die Notwendigkeit ist ihr erstes Gesetz. Niemals wird das Todesurteil eines Gefangenen, namentlich einer Frau gesprochen, wenn es nicht das Interesse der Nation fordert.

Sobald die Häuptlinge um das Beratungsfeuer des Rates versammelt waren, trat der Pfeifenträger mit angebranntem Kalumet in ihren Kreis, verneigte sich nach den vier Himmelsrichtungen, indem er ein kurzes Gebet murmelte. Dann reichte er dem Ältesten das Kalumet, wobei er aber den Pfeifenkopf in der Hand behielt.

Als alle Häuptlinge, einer nach dem andern geraucht hatten, schüttelte der Pfeifenträger die Asche aus dem Kalumet ins Feuer und sagte: »Häuptlinge der großen Nation der Comanchen, möge Ratosh Euch Weisheit verleihen. Trachtet, dass die Entscheidung, die Ihr aussprecht, auch gerecht sei.«

Hierauf verneigte er sich ehrerbietig und entfernte sich.

Es trat eine Pause ein. Jeder dachte über die Worte, die eben gesprochen worden waren, ernsthaft nach. Endlich erhob sich der Älteste der Häuptlinge.

Es war ein ehrwürdiger Greis, dessen Körper mit unzähligen Narben bedeckt war, und der unter den seinen den Ruf großer Weisheit genoss.

Er hieß Eshis – die Sonne.

»Mein Sohn Adlerkopf hat«, sagte er, »dem Rat der Häuptlinge eine wichtige Eröffnung zu machen. Er möge reden, unsere Ohren stehen offen. Adlerkopf ist ein eben so weiser als tapferer Krieger, wir werden seine Worte mit Ehrfurcht anhören.«

»Ich danke Euch«, antwortete der Krieger, »mein Vater ist die Weisheit selbst, Ratosh hat keine Geheimnisse vor ihm.«

Die Häuptlinge verneigten sich.

Adlerkopf fuhr fort. »Die Bleichgesichter, unsere ewigen Verfolger, quälen und reizen uns beständig und zwingen uns, ihnen allmählich alle unsere Jagdreviere zu überlassen und uns wie schüchterne Rehe in die Tiefe der Wälder zu flüchten. Viele von ihnen wagen es, bis in die Prärien, die uns als Zufluchtsort dienen, zu dringen, Biberfallen aufzustellen und den Hirsch und Bison zu jagen, die unser Eigentum sind. Diese Menschen ohne Religion, der Abschaum ihres Volkes, berauben und morden uns, wenn sie es straflos können. Ist es gerecht, wenn wir ihre Räubereien ertragen müssen, ohne uns zu beklagen? Sollen wir uns wie furchtsame Ashahas abschlachten lassen, ohne zu versuchen, uns zu rächen? Heißt nicht das Gesetz der Prärien Auge um Auge, Zahn um Zahn? Mein Vater antworte! Wollen meine Brüder sagen, ob das gerecht ist?«

»Die Rache ist erlaubt«, sagte die Sonne, »es ist das unveräußerliche Recht des Schwachen und Unterdrückten, doch muss sie dem erlittenen Unrecht angemessen sein.«

»Gut! Mein Vater hat gesprochen wie ein weiser Mann, was denken meine Brüder?«

»Die Sonne kann nicht lügen, alles, was er sagt, ist gut«, antworteten die Häuptlinge.

»Hat sich mein Bruder über jemand zu beklagen?«, fragte der Greis.

»Ja«, fuhr Adlerkopf fort, »ich bin von einem weißen Jäger beschimpft worden. Er hat mein Lager mehrere Male angegriffen. Er hat in einem Hinterhalt mehrere meiner jungen Männer verwundet, ich bin selbst, wie Ihr noch sehen könnt, verwundet worden, die Wunde ist noch nicht vernarbt. Jener junge Mann ist überhaupt der ärgste Feind der Comanchen, die er wie wilde Tiere jagt, um sich an ihren Martern zu ergötzen und ihr Sterbegeschrei zu hören.«

Bei diesen, mit hinreißendem Feuer gesprochenen Worten lief ein Beben des Zorns durch die Reihen der Versammlung. Der ränkevolle Häuptling, welcher merkte, dass seine Sache bei den Zuhörern gewonnen habe, fuhr, ohne die innere Freude, die er darüber empfand, zu zeigen, fort: »Ich hätte diese Beleidigungen, so ernster Art sie auch sind, verzeihen können, wenn sie nur mich allein betroffen hätten. Aber hier handelt es sich um einen gemeinschaftlichen Feind, um einen Mann, der den Untergang des Volkes geschworen hat. Und deshalb darf ich, so bitter mir die Notwendigkeit auch erscheint, nicht zögern, ihn, in dem, was ihm das Teuerste ist, zu strafen. Seine Mutter ist in meinen Händen. Ich habe angestanden, sie zu opfern. Ich habe mich nicht durch den Hass blenden lassen. Ich habe gerecht sein wollen. Und so leicht es mir gewesen wäre, jene Frau zu töten, so habe ich es doch vorgezogen, zu warten, bis Ihr selbst, von unserem Volk verehrte Häuptlinge, mir den Befehl dazu gegeben habt. Ja, ich habe noch mehr getan, weil mir es so sehr widersteht, unnötiges Blut zu vergießen und den Unschuldigen für den Schuldigen zu strafen. Ich habe der Frau vier Tage Frist gegeben, damit ihr Sohn Zeit habe, sie zu retten, indem er sich stellte, um statt ihrer die Qualen zu erleiden. Ein Bleichgesicht, einer meiner Gefangenen, ist gegangen, ihn zu suchen. Aber der Mann hat ein Hasenherz, der nur dem wehrlosen Feinde gegenüber Mut besitzt. Er ist nicht gekommen, er wird nicht kommen … Heute mit dem Aufgang der Sonne war die von mir gewährte Frist abgelaufen. Wo ist der Mann? Er ist nicht erschienen! Was sagen meine Brüder? Habe ich recht gehandelt, bin ich zu tadeln? Oder soll die Frau an den Pfahl gebunden werden, damit die weißen Diebe, durch ihre Martern abgeschreckt, einsehen, dass die Comanchen fürchterliche Krieger sind, die keine Beleidigung ungestraft lassen? Ich habe gesprochen. Habe ich gut geredet, Ihr mächtigen Männer?«

Nachdem er diese lange Rede beendet hatte, setzte sich Adlerkopf wieder nieder, kreuzte die Arme über der Brust und wartete gesenkten Hauptes auf die Entscheidung der Häuptlinge.

Auf diese Rede folgte ein ziemlich langes Schweigen, endlich erhob sich die Sonne.

»Mein Bruder hat gut gesprochen«, sagte er, »seine Worte sind die eines Mannes, der sich nicht von der Leidenschaft beherrschen lässt. Alles, was er gesagt hat, ist gerecht. Unsere grausamen Feinde, die Weißen, arbeiten eifrig an unserem Untergang. So schwer uns auch der Tod jener Frau fallen möge, so ist er notwendig.«

»Er ist notwendig!«, wiederholten die Häuptlinge und neigten das Haupt.

»Geht«, fuhr die Sonne fort, »trefft die Vorbereitungen. Gebt dem Gericht das Ansehen einer Sühne und nicht das einer Rache. Es muss sich jeder davon überzeugen, dass die Comanchen keine Freude darin suchen, die Frauen zu quälen, aber dass sie die Schuldigen zu strafen wissen. Ich habe gesprochen.«

Die Häuptlinge erheben sich, und nachdem sie den Greis ehrerbietig gegrüßt hatten, entfernten sie sich.

Adlerkopf hatte seinen Zweck erreicht. Er konnte sich rächen, ohne die Verantwortlichkeit für eine Tat, deren ganze Schändlichkeit er wohl begriff, auf sich zu nehmen, sonders es war ihm gelungen, die Häuptlinge seines Volkes unter dem Schein einer Gerechtigkeit, um die er sich im Grunde sehr wenig kümmerte, daran zu beteiligen.

Man beeilte sich, die Vorbereitungen zu der Hinrichtung zu treffen.

Die Frauen schnitzten dünne Stäbchen aus Eschenholz, um sie unter die Nägel zu stecken. Andere bereiteten das Mark des Holunderbaumes vor, um mithilfe von Schwefel Lunten daraus zu machen, während die Jüngsten in den Wald gingen, um grünes Reisigholz herbeizutragen, das dazu bestimmt war, die zum Tode Verurteilte langsam zu verbrennen, während sie durch den rauch erstickt wurde.

Während dieser Zeit hatten die Männer einen zum Marterpfahl ausgewählten Stamm von der Rinde ganz abgeschält, worauf sie ihn mit Hirschtalgfett, untermischt mit rotem Oker, bestrichen. Am Fuß desselben hatten sie einen Holzstoß errichtet. Nachdem das geschehen war, war der Zauberer gekommen, um den Baum mit geheimnisvollen Worten zu beschwören und ihn zu dem bestimmten Zweck geschickt zu machen.

Als diese Vorbereitungen beendet waren, wurde die Verurteilte an den Fuß des Pfahles geführt, ohne gebunden zu sein auf den Holzstoß, der zu ihrer Verbrennung dienen sollte, gesetzt. Und nun begann der Skalptanz.

Die unglückliche Frau war scheinbar ruhig, sie hatte ihr Leben zum Opfer gebracht. Nichts von dem, was um sie her vorging, konnte sie erschüttern.

Ihre fieberhaft brennenden und von Tränen geschwollenen Augen irrten zwecklos auf der Menge umher, die sie heulend wie wilde Tiere umgab. Ihr Geist war indessen so scharf und hell wie in ihren besten Tagen. Die arme Mutter hegte eine Furcht, die ihr das Herz bedrückte und sie eine Qual erdulden ließ, gegen welche diejenige, die ihr die Indianer zugedacht hatten, nichts war. Sie zitterte, wenn sie daran dachte, dass ihr Sohn, von dem schrecklichen Schicksal, das ihrer harrte, unterrichtet, herbeieilen könnte, um sie zu retten und sich seinen grausamen Feinden auszuliefern. Sie lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit auf das leiseste Geräusch. Sie meinte jaden Augenblick den eiligen Schritt ihres Sohnes zu vernehmen, der ihr zu Hilfe eilte. Ihr Herz bebte vor Angst. Sie betete aus tiefster Seele zu Gott, dass er gestatten möge, dass sie statt ihres geliebten Kindes sterben könne.

Der Skalptanz drehte sich wild um sie herum.

Eine Menge großer, schöner, prächtig geschmückter Krieger, deren Gesichter aber geschwärzt waren, drehten sich zwei und zwei um den Pfahl. Sieben mit Trommeln und Chichikouès versehenen Musikanten, die Eulenfedern auf dem Kopf trugen, welche nach hinten zurückfielen, gingen ihnen voran.

Die Krieger trugen Flinten und Streitäxte in der Hand, die mit schwarzen Federn und rotem Tuche verziert waren und deren Kolben sie beim Tragen auf den Boden stemmten.

Die Männer bildeten einen weiten Halbkreis um den Pfahl, ihnen gegenüber und den Kreis schließend, tanzten die Frauen.

Adlerkopf, der die Krieger anführte, trug einen langen Stab, an dessen Spitze ein menschlicher Haarschmuck hing, über welchem eine ausgestopfte Elster mit ausgebreiteten Flügeln befestigt war. Ein wenig tiefer befand sich an dem Stab ein zweiter Skalp, eine Luchshaut mit Federn.

Als man eine kurze Zeit auf diese Weise getanzt hatte, stellten sich die Musikanten an die Seite der Verurteilten und machten einen betäubenden Lärm, indem sie sangen und aus Leibeskräften auf ihre Trommeln schlugen und die Chichikouès schüttelten.

Dieser Tanz dauerte ziemlich lange, begleitet von einem scheußlichen Geheul, welches die Unglückliche, der es die fürchterlichen Qualen, die ihr bevorstanden, verkündete, hätte vor Schrecken wahnsinnig machen können.

Endlich berührte Adlerkopf die Verurteilte leicht mit dem Stab. Bei diesem Zeichen hörte der Lärm wie durch Zauberei auf, der Reigen wurde aufgelöst und jeder griff nach den Waffen.

Die Marter sollte beginnen.