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Der Welt-Detektiv Band 6

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Rübezahl – Rübezahl als Holzhacker in Aupa

Rübezahl
Der Berggeist des Riesengebirges
Sagen und Schwänke neu erzählt nach R. Münchgesang
Rübezahl als Holzhacker in Aupa

In dem Städtchen Aupa am Südhang des Riesengebirges wohnte ein steinreicher Bäcker, der weit und breit als ein habsüchtiger Mensch verschrien war. Keiner wollte mit ihm zu tun haben. Doch waren viele auf ihn angewiesen, denn in bösen Hungerjahren mussten sie sich bei ihm Geld leihen, die Weber, um Garn, die kleinen Bauern, um Saatkorn oder Ziegen kaufen zu können. Ehrlichen Leuten lieh er gern auf Treu und Glauben, nahm aber unverschämte Wucherzinsen. Kam der Verfalltag, dann trieb er seine Forderungen rücksichtslos ein, nahm auch häufig genug die Gerichte hierzu in Anspruch. Auf diese Weise kam mancher um Haus und Hof. Statt des Geldes nahm er von seinen Schuldnern auch Korn an Zahlungsstatt an, Mehl, Holzkohlen oder Holz. Dabei machte er immer das beste Geschäft, denn er rechnete die Ware so gering an, dass er von seinem Guthaben in der Regel das Doppelte herausschlug.

Einmal kam ein Bäuerlein aus dem Gebirge und bot ihm für die entliehene Geldsumme einen voll beladenen Wagen gutes Brennholz an. Der Mann hatte mit seiner Familie lange arbeiten müssen, bis er so viel zusammenbekommen hatte. Außerdem hatte er sich noch Pferde und den Wagen geliehen, um die Ladung herschaffen zu können. Der Bäcker ließ ihn erst ruhig abladen, dann fing er an, mit dem armen Holzbauern zu unterhandeln. Für diesen kam eine so niedrige Summe heraus, dass der Mann ganz bestürzt war und nicht recht gehört zu haben vermeinte. Allein der habsüchtige Schelm wusste, dass er jenen in seiner Gewalt hatte und mit ihm tun konnte, was ihm gutdünkte.

»Was glaubst du, Joseph? Bin ich vielleicht dazu da, mein Gut zu verschenken? Durch Barmherzigkeit und Mildtätigkeit ist noch keiner auf einen grünen Zweig gekommen. Der Müller gibt mir das Mehl auch nicht aus Barmherzigkeit, und der Stadtvogt erlässt mir die hohen Steuern ebenfalls nicht. Ich kann dir beim besten Willen nicht mehr für dein faules Holz geben, Joseph. Sieh dir doch einmal den Haufen Holz an, den ich schon im Schuppen habe. Was da liegt, reicht mir schon für mehrere Jahre. Wenn ich es kleinmachen lassen will, so muss ich vier, fünf Leute haben, die einige Tage daran zu sägen und zu spalten haben. Das läuft ins Geld, Joseph. Übrigens will ich nicht, dass du durch mich zu Schaden kommst. Wenn du meinst, anderswo mehr dafür zu kriegen, so lade nur ruhig wieder auf und biete es an, wo du Lust hast. Zudem nehme ich das Holz nur dir zu Gefallen, Joseph. Ein anderer, mit dem ich sonst keine Geschäfte mache, dürfte mir damit gewiss nicht kommen.«

Was wollte das Bäuerlein tun? Er ging den ungerechten Handel ein und fuhr betrübt und enttäuscht heim. Der Bäcker aber freute sich, wieder einen geprellt zu haben. »Mich kann keiner überlisten«, sagte er triumphierend zu seinem Weib, »alle werden von mir genasführt, sie müssen Wolle oder Federn lassen.«

»Du versündigst dich an den Leuten«, antwortete ihm die Frau, »dem armen Menschen standen die Tränen in den Augen, weil du ihm das Fell über die Ohren gezogen hast.«

»Geh in die Küche, liebe Sabine«, belehrte er sie, »und koche mir da etwas Rechtschaffenes. Tue aber als Würze keine Mildtätigkeit oder Barmherzigkeit daran, sondern nimm die beste Butter und die frischesten Eier! Nach einem guten Handel schmeckt mir ein gebackenes Hühnchen immer am besten.«

Der geprellte Bauer fuhr unterdessen langsam heim und hing seinen trüben Gedanken nach. Da traf sich’s, dass Rübezahl, wie ein Holzknecht anzusehen, in der Gegend herumstrich. Als er des Bauern ansichtig wurde, bat er ihn, ein Stück mitfahren zu dürfen. Gleich hielt dieser den Wagen an, und Rübezahl setzte sich neben ihn. Der Berggeist merkte bald, dass den Mann etwas bedrückte. Dieser erzählte gern seinen Verdruss, um sein Herz zu erleichtern. Rübezahl merkte sich alles ganz genau und verabschiedete sich bald von dem Bauern. Er werde noch von ihm hören, sagte er.

Am gleichen Tag sprach er bei dem spitzbübischen Bäcker vor, wieder wie ein Holzhacker anzusehen, mit Axt und Säge ausgerüstet, und bot sich an, das gesamte Holz im Schuppen zu zerkleinern. Als Lohn für seine Mühe wollte er nur so viel Holz mitnehmen, wie er auf dem Rücken wegtragen könne. Der Bäcker ging mit Vergnügen auf den seltsamen Handel ein und stellte nur die Bedingung, dass das Holz recht klein gesplittert werde, damit er es sowohl im Bachofen als auch in der Küche verwenden könne.

Und als Rübezahl dies zusagte, setzte sich der Bäcker mit Behagen an den gedeckten Tisch und aß für zwei.

Aber der beste Bissen blieb ihm im Munde stechen, als er draußen ein ungeheures Getöse vernahm, als ob ein Dutzend Schmiede gleichzeitig auf ihre Ambosse schlügen. Erschrocken lief er hinaus und sah, dass der neu geworbene Holzhacker nicht wie andere mit Axt und Säge hantierte, sondern sich ein Bein ausgezogen hatte und damit so unheimlich und blitzschnell auf das Holz einhieb, dass die Stücke wie Graupenhagel umherflogen. Entsetzt schrie er dem unheimlichen Zerstörer zu, er möge aufhören, so hätten sie nicht gewettet. Aber dieser ließ sich nicht im Geringsten stören. Außerdem sausten so viele Holzstücke auf den breiten Rücken des Wucherers, dass er eine regelrechte Tracht Prügel erhielt, ehe er sich dessen versah und sich nur durch schnelle Flucht ins Haus retten konnte.

Im Handumdrehen war Rübezahl mit seiner Arbeit fertig und fing nun an, seine vertragsmäßige Hucke aufzuladen. Zum Entsetzen des Bäckers lud er nicht weniger als den gesamten Holzvorrat auf, ohne einen Splitter zu vergessen, grüßte den Wucherer, der hinter dem Fenster Augen wie Pflugräder machte, sehr freundlich und ging davon auf Nimmerwiedersehen.

Seit der Zeit wusste der Bäcker, dass ihm Rübezahl auf die Finger sah, und wurde mild und menschlich, anfangs gezwungen, nachher aus Gewohnheit.

Das Holz lud Rübezahl vor dem Häuschen jenes Bauern ab, der durch des Bäckers Habgier so schwer gelitten hatte. Der arme Mann hatte nun selbst Holz genug für seinen eigenen Bedarf und konnte noch davon verkaufen, sodass der schlimme Handel durch Rübezahls Gunst für ihn doch noch zum Guten ausgeschlagen war.