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Der Freibeuter – Norcroß in schwedischen Diensten

Der Freibeuter
Erster Teil
Kapitel 15

Nach dieser kurzen, und wie es schien dem Kapitän schmerzhaften Unterbrechung fuhr er sich nach seiner Gewohnheit mit der flachen Hand über das Gesicht und zerteilte so die Wolken, welche über dasselbe aufgestiegen waren. Hierauf fuhr er fort:

»Das Possierlichste bei der ganzen Geschichte war, dass Frau Elisabeth Brondlov durchaus darauf bestand, ich solle zum Lohn für ihren Anteil an meiner Rettung ihre hässliche und dumme Tochter heiraten. Dieses Geschöpf war ungefähr achtzehn Jahre alt, aber selbst derjenigen Äußerlichkeiten bar, welches dieses Alter doch fast allen weiblichen Geschöpfen zu verleihen pflegt. Da hieß es denn recht, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Ich musste befürchten, dass mich die Schlechtigkeit meiner Befreierin wieder ins Gefängnis ausliefere, wenn ich mich weigerte, ihre Bedingung zu erfüllen. Ich tat mein Möglichstes, sie mit schlauen Versprechungen hinzuhalten, bis ich einst in der Nacht die Flucht ergriff und zu Fuß und ohne Mittel auf dem in der Nähe liegenden Gut des Obersten Maxfield, eines Anhängers der Stuart, ankam. Der Oberst war selbst zugegen und nahm mich herzlich auf. Auch er war in steter Gefahr, aufgehoben und ins Gefängnis gesetzt zu werden. Wir schlossen uns aneinander an und begaben uns, mit guten Mitteln versehen, verkleidet und meist nur in der Nacht reisend, auf die Flucht nach Frankreich.

Von Calais reisten wir sogleich nach St. Germain zu Ihrer Majestät der verwitweten Königin Maria von England. Wir hofften dort, wenn auch vor der Hand unsere Pläne nicht verwirklicht zu sehen, aber doch auf irgendein Unterkommen. In meinem Vaterland war ich geächtet, an den Stuarts hatte ich treu gehalten und diese Treue hatte mein Unglück herbeigeführt. War es nicht natürlich, dass ich mich in meiner Hilflosigkeit an die wandte, welche sie verursacht hatte? Aber hilf Himmel! Was muss ich da sehen und erfahren! Dieser Anblick schnitt mir durch das Herz. Ich werde ihn nie vergessen. Ich sah die rechtmäßige Königin von England arm und im Elend von anderer Gnade leben. Ich sah eine geborene Fürstin ihre Blöße nur mit den armseligen Lappen des zerfetzten Purpurs bedecken, darben in Schmach und sich gegen ihre Untertanen beklagen, dass sie nicht einmal den nötigen Unterhalt mehr habe. Ach! Der große Ludwig war tot, und Frankreich gedachte der Besprechungen nicht mehr, welcher dieser edelmütige König in seinem Namen gegeben hatte. Mir verging bei diesem Anblick so aller Mut, dass ich beschloss, mir mein Glück auf eigne Faust zu bauen, und es nicht in einem Lande zu suchen, wo man eine Königin Not leiden ließ. Ich hörte, dass es vielen meiner Landsleute, Anhängern des Hauses Stuart, in Frankreich seit Ludwig XVI. Tod erbärmlich gehe, und beschloss daher, Frankreich sogleich wieder zu verlassen und nach Schweden zu gehen. Der kühne und tapfere Genius Karls XII. zog mich an. Aus der Türkei zurückgekehrt, hatte er seine mächtigen Feinde mit Schrecken erfüllt. Er sollte fortan mein Vorbild sein. Ich bat also die Königin Maria um ein Empfehlungsschreiben an des Königs von Schweden Majestät und reiste mit demselben ab. Der Oberst Maxfield ging nach Bar sur Aube, dem Aufenthaltsort des Prätendenten. Dort hoffte und erwartete ich nichts. Ohne also etwas von der neuen Verschwörung in England zugunsten der Stuarts, ohne vom Plan des Prätendenten, aus Frankreich zu fliehen und sich nach Schottland einzuschiffen, die geringste Ahnung zu haben, bestieg ich ein Schiff und eilte nach Gothenburg. Sei es nun, dass die Königin über das bevorstehende Unternehmen ihres Sohnes selbst nicht unterrichtet war, sei es, dass sie sich scheute, mir das Geheimnis anzuvertrauen, sei es endlich, dass der Plan damals noch nicht völlig reif war. Genug davon, ich reiste unwissend ab. So viel ist gewiss, dass die Verschwörung in England und Schottland sehr geheim gehalten wurde. Und so konnte ich keinen Teil an der Ausführung des Unternehmens haben, welches ich teilweise selbst vorbereitet hatte. Die Expedition des Prätendenten ist, wie ihr wisst, unglücklich abgelaufen. Die verhängnisvolle Schlacht vom 13. November verdrängte den edlen Stuart wieder aus seinem Reich, und mir ist der Schmerz erspart worden, diesen Jammer mit anzusehen.

Ich gelangte ohne Geld in Gothenburg an und gab meinen Empfehlungsbrief an den Gouverneur der Stadt, Gadenhielm, ab. Dieser empfing mich freundlich, aber ich verbarg ihm meine dürftigen Umstände. Diese entdeckte ich einem meiner Landsleute und Parteigänger der Stuarts, den General Hamilton, welcher in schwedische Dienste getreten war und in Gothenburg lag.

Ich hatte diesen Mann noch nicht persönlich gekannt, aber bei dem ersten Besuch, den ich ihm nachte, nahm er mich so sehr ein, dass ich von diesem Zeitpunkt an kein Geheimnis vor ihm haben konnte. General Hamilton war ein Freund des Gouverneurs Gadenhielm und hatte diesem gesprächsweise meine Not vertraut. Nun war Gadenhielm auf mich aufgebracht, weil ich nicht gleich mit der Wahrheit herausgekommen war, und hieß mich, als ich mich wieder bei ihm meldete, ohne Umstände zum Teufel gehen. Ich hielt mich an den General Hamilton und bat ihn, er möchte sich meiner bei des Königs Majestät annehmen und mir zu irgendeiner Beförderung, sei es, welche es wolle, verhelfen. Allein der General erwiderte zu meinem Erstaunen: ›Sie sind ein junger Edelmann, der sich in der Welt schon vieles versucht hat. Bleiben Sie nicht hier. Es würde sie gereuen, wenn es zu spät wäre.‹ Wenn ich Jugend und Erfahrung im Seewesen besäße, so bliebe ich gewiss nicht in Schweden.

Da stand ich denn scheinbar von Gott und den Menschen verlassen und wusste meiner Verzweiflung kein Ende. Viel zu stolz, um auf diese Erklärung des Generals nur noch ein Wort zu sagen, verließ ich ihn, um ihn nicht mehr zu sehen. Ich kannte in Schweden keinen Menschen weiter, die Landessprache war mir unverständlich. Ich war mittellos und konnte nicht einmal Gothenburg verlassen, um nach Stockholm zu reisen und meinen Brief dem König selbst zu überbringen. Überdies steckte ich auf einem Kaffeehaus und im Gasthof in Schulden und war in der Kleidung fast abgerissen. Dies war ein schrecklicher Zustand, und ich rannte an der Meerküste und im Hafen wie wahnsinnig umher. Dort fand ich endlich den Kaperkapitän Flaxmann und machte Bekanntschaft mit ihm. Dieser wackere Mann nahm sich meiner an und machte mich zum Lieutenant seines Schiffs. Das war im vergangenen Herbst. Wir kreuzten hierauf längs der Vigseite zwischen den Klippen bei Marstrand. Als wir in dieser Hafenstadt anlangten, bemerkte ich, dass mein Kapitän mehr Lust hatte, bei seiner Geliebten, die dort wohnte, zu bleiben, als in der See nach Beute zu streifen. Ich ersuchte ihn also, in seiner Abwesenheit mir die Führung des Schiffes anzuvertrauen, und er übergab es mir mit Freuden. Aber kaum war ich ausgelaufen, als ich an der Stimmung meiner Untergebenen bemerkte, dass man mir auf dem Schiff nicht gewogen war. Freilich hatte ich auf Mannszucht gehalten und war vom Kapitän bevorzugt worden. Ein mir ergebener Mann, Namens Rouard, verriet mir, dass der Secondlieutenant des Schiffs sich mit den Matrosen beraten hatte, nicht unter mir zu dienen.

Ich suchte seinem Anschlag zuvorzukommen, aber es half mir nichts. Ich wurde gezwungen, in den Hafen von Marstrand zurückzukehren und das Kommando des Schiffs niederzulegen. Hier musste ich einige Zeit in einer mir unangenehmen Ruhe zubringen, und das Schlimmste war, dass ich nur wenig Mittel hatte. Inzwischen hatte ich doch den Winter über Gelegenheit, zu zeigen, dass ich etwas vom Seewesen verstehe. Ich sah, dass mir das Glück in Schweden nicht günstig sein wollte, und nahm mir vor, Anfang dieses Jahres nach Holland zu reisen. Unterdessen hatte ich mich mit der schwedischen Sprache ziemlich vertraut gemacht. Ich ging also zum Kapitän Hedenberg nach Gothenburg, welchem der Kaper, auf welchen ich diente, gehörte, und begehrte einen Reisepass und ein Zeugnis über mein Verhalten von ihm. Unterwegs traf ich mit dem Gouverneur Gadenhielm und dem Kapitän Kline zusammen. Gadenhielm sagte gnädig zu mir, er habe mit Freuden vernommen, dass ich ein tüchtiger Seemann sei, er wünsche mir, mein Glück zu machen. Als ich ihm von meinem Entschluss, nach Holland zu gehen, sagte, befahl er dem Kapitän Kline sogleich, dass er mich als Kapitänlieutenant an Bord nehmen sollte. So war mir denn mit einem Mal geholfen. Wir liefen in See und bemächtigten uns bald einer Galliote, die unter holländischer Flagge ging. Mein Kapitän befahl mir, die Prise nach Gothenburg zu führen, er selbst landete, da sein Schiss einigen Schaden erlitten hatte, in der Gegend von Marstrand, ohne weiter eine Prise gemacht zu haben. Der Gouverneur Gadenhielm, welcher an diesem und vielen anderen Kapern Anteil hatte, war über Kline sehr ungehalten, als er dessen schnelle Rückkehr in den Hafen vernahm. Er trug mir auf, zu dem Kaperschiff zu reisen, dessen Schaden zu besichtigen und ihm Rapport zu erstatten. Das Schiff war übel zugerichtet, und ich sprach nach Recht und Billigkeit meinen Kapitän von aller Schuld frei. Nichtsdestoweniger bot mir Gadenhielm auf der Stelle das Kommando des Schiffs an. Er mochte wohl noch besonderen Hass auf Kline haben. Aber ich versetzte, niemals wolle ich durch anderer Unglück steigen, und solle ich nur Kapitän werden durch Klines Sturz, so wolle ich lieber diese Charge niemals bekleiden. Diese Antwort muss den Gouverneur sehr gefallen haben, denn er hatte sie des Königs Majestät mitgeteilt, welche eben nach Gothenburg gekommen war, das Seewesen dieses Hafens in Augenschein zu nehmen. Den folgenden Tag wurde ich zum Gouverneur gerufen. Er sagte mir, dass über fünfzig Kaperschiffe im Hafen lägen, welche der König besichtige. Ich solle mir eins aussuchen und mich nach Leuten umsehen, um es zu bemannen. Denn ich sei durch des Königs Gnade Kapitän. Da sah ich ein, dass der günstige Zeitpunkt für mich gekommen war, mich dem König bemerkbar zu machen. Zu diesem Zweck wählte ich keines von diesen Schiffen, sondern bat um Erlaubnis, eine in der Gegend versunkene Fregatte aus dem Grund des Meeres heben und führen zu dürfen. Jedermann staunte über diesen Einfall, aber er lenkte des Königs ganze Aufmerksamkeit auf mich. Mit Mitteln, die in Schweden noch nicht bekannt waren, zog ich das treffliche Schiff aus der Tiefe. Ihr wisst, meine Freunde, es ist das herrliche Gebilde, auf welchem wir jetzt die ruhige Meerflut durchschneiden. Des Königs Gnade wurde mir von Stund’ an gewährt. Ich hatte oft die Ehre, mich mit ihm zu unterhalten, und nun erst überreichte ich ihm den Brief der Königin Maria von England. Es gefiel dem König ausnehmend wohl, dass ich mich vorher als einen brauchbaren Mann bewährt und dann erst den für mich schmeichelhaften Brief übergeben hatte. Einen vorzüglichen Gönner fand ich an des Königs Begleiter und Günstling, an seiner Exzellenz dem Grafen Mörner. Der König hatte die Gnade, meinem Schiff den Namen des Grafen zu erteilen. So ist denn dieses treffliche Schiff gewissermaßen mein Geschöpf und ich das seine, denn ohne mich läge es ewig im Meeresgrund, und ohne es wäre ich nicht vom König und dem Grafen begünstigt worden. So gehören wir unzertrennlich zusammen, und ich fühle eine so lebhafte Zuneigung zu meiner Fregatte, dass ich nicht mehr leben möchte, wenn ich sie nicht in die brausende Meerflut führen sollte. Gebietet das Schicksal einmal über mein Leben, so wünsche ich nichts sehnlicher, als dass dies treue Fahrzeug mit mir wieder in den Abgrund gezogen werden möchte, aus welchem ich es für mich, ja für mich allein heraufgeholt habe. Nachdem ich dies, mein Schiff, gefunden hatte, fand ich auch euch, meine Freunde, die dies Wasserhaus mit mir nun schon fast neun Monate im Sturm und Sonnenschein bewohnt haben. Ihr kennt von dieser Zeit meine Schicksale und ich habe euch nichts weiter zu erzählen.«