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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die sechs schlafenden Jungfrauen 12

Die sechs schlafenden Jungfrauen oder: Der schreckliche Zweikampf
Eine furchtbare Ritter- und Geistergeschichte von Wilhelm Bauberger erzählt
Kapitel 12
Die Flucht

Mittlerweile war zwischen den Sarazenen und den Kreuzfahrern ein Waffenstillstand geschlossen worden, und der Pascha mit seinem Sohn heimgekehrt. Ein paar Tage später ließ Adelma den Ritter um Mitternacht durch ihre Vertraute zu sich bitten, indem sie ihm wichtige Geheimnisse anzuvertrauen habe. Alfred war bezüglich der ungeeigneten Zeit nicht wenig überrascht, sagte aber zu.

Mit unverschleiertem Gesicht und rot geweinten Augen saß die schöne Fürstin auf der schwellenden Ottomane. Alfreds Herz pochte, denn er fürchtete die Entdeckung und dann war es um seinen Kopf geschehen.

Er beugte ein Knie, ergriff ihre Hand, drückte einen Kuss darauf und sagte: »Darf Euer Sklave die Ursache Eures Kummers wissen, schöne Gebieterin?«

Ihren Augen entrannen Tränen. Sie legte die Hand traulich auf seine Schulter und lispelte: »Du sollst, du musst die Ursache meines Kummers erfahren.«

»O, vermöchte ich doch mit meinem Blut ihn zu lindern!«, rief Alfred aus.

»Gute Seele«, erwiderte sie, »setze dich an meine Seite und vernimm! Mein Vater hat mich zum Weib des grausamen und mächtigen Paschas von Crux bestimmt. Binnen eines Monats Frist soll das Beilager schon vollzogen werden. Die Gestalt des Paschas ist scheußlich, und in übler Laune lässt er sogar öfters seine Weiber erdrosseln.«

»Wie kann, wie soll ich Euch helfen?«, sagte Alfred.

»Nur ein Mittel gibt es«, entgegnete sie gedehnt, »es heißt – Flucht.«

»Wollt Ihr mit nach Deutschland fliehen?«, fragte der freudig Überraschte.

»Wohin du mich führst«, erwiderte sie, und drückte den Jüngling weinend an ihre klopfende Brust.

»Nimmer werde ich Euch verlassen«, beteuerte er, sich eingedenk seines Gelübdes, ihrer Umarmung entwindend. »Ihr sollt in meiner Burg wohnen und an meiner Tafel essen, oder ich will nicht den Namen eines Ritters verdienen. Freiheit sei unsere Losung und Hoffnung unsere Begleiterin auf den Pfaden der Gefahr.«

Nun sprachen sie noch viel über ihre Flucht, wozu Adelma alles Nötige herbeischaffen lassen wollte. Auch die treue Mirza wurde in das Geheimnis mit eingeweiht und gelobte mit ihrer Gebieterin zu leben und zu sterben.

Alfred suchte, sobald es ihm gegönnt war, die Felsengrotte des Alten auf. Dieser aber zwar bereits aus dem Leben geschieden und die Jünglinge beweinten und beerdigten ihn nach morgenländischer Sitte.

Alfred tröstete die Jünglinge und sagte: »Folgt mir denn in mein Vaterland! Dort mögt ihr in zufriedener Häuslichkeit eure Tage verleben.«

Die Jünglinge willigten freudig ein. Alfred versprach ihnen in der Nacht des Vollmondes sie zur Flucht abzuholen und ermahnte sie, indem er ihnen strengste Verschwiegenheit empfahl, sich bis dahin bereitzuhalten.

Als endlich der ersehnte Vollmond am Firmament leuchtete, fand sich zur verabredeten Stunde des frühesten Morgen Alfred von Steinkopf in orientalischer Kleidung, das Haupt mit einem Turban geschmückt und an der Seite eine Damaszenerklinge, an dem festgesetzten Treffpunkt ein. Adelma war bereits vorher am bestimmten Platz angekommen. Sie betete, weinte und konnte sich fast nicht entschließen.

Endlich aber fasste sie sich. »Ritter, sei mein Führer und verlass mich nimmer«, sprach sie bittend. »Wenn ich dich je in Gefahr verlasse«, antwortete Alfred, zum Zeichen des Schwures die Finger emporhaltend, »so möge mich auch Gott in meiner letzten Stunde verlassen.«

»Folgt mir, alles liegt im besten Schlaf«, sprach Mirza.

Also brachen sie eiligst auf und erreichten unentdeckt das Ende des Gartens. Mit Mühe erstiegen sie mittels einer Leiter die hohe Mauer und gelangten auf der anderen Seite auf dieselbe Art ins Freie. Nun ging es eilends einem Wald zu, wo die sechs Jünglinge mit den zur Flucht besorgten Pferden ihrer harrten. Dann ritten sie alle ungesäumt dem nahen Gebirge zu.