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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die sechs schlafenden Jungfrauen 8

Die sechs schlafenden Jungfrauen oder: Der schreckliche Zweikampf
Eine furchtbare Ritter- und Geistergeschichte von Wilhelm Bauberger erzählt
Kapitel 8
Die Versuchung

Alfred und Adelgunde hatten noch einmal ihr Lieblingsplätzchen besucht und unter den heiligsten Schwüren ewiger Treue mit blutenden Herzen voneinander Abschied genommen. Schon befand sich der Ritter von seinem treuen Leibknappen Wolff begleitet im zauberhaften Land Italien und hatte das schöne Venedig erreicht, von wo aus er mit einem neu angeworbenen Gefolge von sechs Knappen sich ungesäumt zum Gelobten Land einzuschiffen gedachte. Aber der Himmel hatte es anders beschlossen. Unvermutet wurde er von einem gefährlichen Fieber ergriffen, das ihn einige Wochen ans Siechbett fesselte. Seine Knappen wichen nicht von seinem Lager und befolgten des Arztes Vorschriften aufs Genaueste. Dieser ausgezeichneten Pflege hatte er nächst seiner ungeschwächten Jugend seine Rettung zu verdanken. Als er kaum wieder genesen war, ritt er fast täglich in die frische Luft. Das entschwundene Rot der Wangen und das Feuer der Augen kehrten allmählich wieder. Da ereignete sich ein Vorfall, welcher des edlen Alfred Glück auf immer hätte zerstören können, wenn nicht ein mächtiger Schutz das Unheil abgewendet hätte.

Vom treuen Wolff begleitet, ritt er eines Tages außerhalb der Stadt spazieren. Er freute sich seiner Genesung und schwelgte im Vollgenuss der herrlichen Natur. Plötzlich ließ sich am Rand eines nahen Waldes eine Stimme hören, die um Hilfe rief. Alfred sprengte darauf zu und sah bald eine Dame, die mit Gewalt von zwei Reisigen auf ein Ross gehoben werden sollte. Bei Alfreds Ankunft ließen diese ihre Beute im Stich und ergriffen die Flucht. Ohnmächtig lag eine Dame von üppig vollem Körperbau auf der Erde. Alfred sprang vom Ross und staunte nicht wenig über die Ähnlichkeit dieser Dame mit Elfriede, Gräfin von Sondershausen. Als er ihren Geist mit den ihm eben zu Gebote stehenden Mitteln ins Leben zurückgerufen hatte, erstaunte er noch mehr, als ihm die Dame in geläufigem Deutsch für ihre Rettung dankte und erzählte, dass sie in der Freien Reichsstadt Nürnberg geboren und erzogen wurde, aber seit dem Tod ihres Onkels, der ihr ein großes Vermögen hinterlassen hatte, hierher gezogen sei und nun in dieser Gegend eine Villa bewohne. Da sie sich zu weit von ihr entfernt habe, so sei sie plötzlich von zwei Räubern angefallen worden, die sie hätten entführen wollen. Alfred erbot sich daher, die Dame zu ihrer Villa zu begleiten. Dankbar nahm sie seinen Vorschlag an. Er bat sie, sein Ross zu besteigen, welches sie auch nach einiger Weigerung tat. Er selbst führte es am Zügel.

»Italienerblut ist nimmer gut«, murmelte Wolff und folgte langsam.

Die Villa und der Garten waren prächtig zu nennen. Da der Tag sich gegen Abend neigte, erging an Alfred von Seite der Dame die Einladung, für heute wenigstens es sich bei ihr gefallen zu lassen. Ja, sie bat Alfred zu bleiben, zumal sie immer noch in Angst schwebe. Alfred willigte in ihre schmeichelnden Bitten ein. Zwei Diener trugen das Beste auf, was Küche und Keller vermochten. Alfred ließ sich Speise und Trank trefflich schmecken. Die Dame spielte auf der Laute und sang deutsche Lieder, die Alfred entzückten. Als es dunkelte, war der Ritter von dem Genuss des Rebensaftes und der reizenden Gesellschafterin so bezaubert, dass die erregte Sinnlichkeit ihn weit über die Grenze der Selbstbeherrschung fortriss. Die fein geübte Sprödigkeit, welche die Dame Alfred anfangs entgegensetzte, entflammte sein Blut nur noch mehr. Seiner selbst nicht mächtig umschlang er sie fest und bedeckte mit glühenden Küssen ihre purpurnen Lippen. Schon widerstand das in fesselnder Schönheit prangende Weib nicht länger seinem heftigen Drängen. Mund an Mund und Brust an Brust ruhten die Glücklichen, während das Licht von einem Windstoß erloschen war. Adelgunde und die schlafenden Jungfrauen schienen in diesem Augenblick vergessen.

Da erbebte plötzlich die Villa und in glänzender Rüstung von leuchtenden Flämmchen umgeben stand der Geist Unkos da.

»Alfred«, sprach er ernst, »vergiss dein Versprechen nicht. Sehnsüchtig harren die schlafenden Jungfrauen ihrer Erlösung. Meide die Buhlerin!«

Er verschwand. Ohnmächtig lag die Dame auf dem Boden. Ein Diener kam herbei und brachte bestürzt ein Licht, weil ein fremder Mann ihm dies befohlen hätte. Auch Wolff kam herbei und erhielt Befehl, die Pferde rasch vorzuführen, um sogleich zur Stadt zurückzureiten. Die Dame erwachte bald zu neuem Leben und klammerte sich ängstlich an den Ritter, der jedoch kalt beiseitetrat und mit einem kurzen »Gute Nacht, holde Dame!« das Zimmer verließ. Wohlbehalten kam er mit seinem Knappen in Venedig wieder an. Die Dame aber, durch Alfreds Kälte aufs Höchste beleidigt, entbrannte in wütendem Hass und schwor ihm Verfolgung und Rache.