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Im Goldlande Kalifornien 5

Sophie Wörishöffer
Im Goldlande Kalifornien
Fahrten und Schicksale Gold suchender Auswanderer
Zeitgemäß gekürzt von A. Flügel um 1930
Kapitel 2 – Teil 2

Fast die ganze Schiffsgenossenschaft war unseren Freunden weit voraus. Wer keine Frauen und Kinder mit sich führte, der kam schneller vorwärts. Und wer von Freunden oder Verwandten in San Francisco empfangen worden war, hatte den Vorteil, auf einem Wagen zu reisen oder wenigstens ein Pferd zu erhalten.

Ihrer vierzig zogen die ehemaligen Bewohner von Ladrin des Weges durch eine wundervolle Gegend, die bei jedem Schritt das Auge entzückte. Auf etwa vierzehn Tage hatte Kinski gerechnet, dann konnte man die Minenstädte erreicht haben.

Überall standen Fruchtbäume und beerentragende Sträucher. Wilder Wein rankte an den Stämmen empor, Erdbeeren und viele andere Obstsorten wucherten förmlich zwischen hohen Grasfeldern, aber nirgends zeigte sich mehr die Möglichkeit einer Ausbeute. Es war alles, reif und unreif, von den vorüberziehenden Goldsuchern bereits verzehrt worden.

Arsa und Ossip schossen bald einen Hasen, bald an seitab gelegenen kleinen Seen wilde Enten oder gar einen Fasan, der sich aus dem Buschwerk hervorgewagt hatte.

Hier und da begegnete man Goldgräbern aus den Minenstädten. Die Leute wollten in San Francisco neue Ankömmlinge empfangen oder sich selbst mit vollgehäuften Taschen wieder nach der alten Heimat einschiffen. Sie wanderten auch zuweilen nur zur Abwechslung zur Hafenstadt und waren immer sehr gesprächig und guter Dinge. Sooft Kinski sich erkundigte, ob nicht irgendwo in der Nähe eine Farm zu finden sei, schüttelten sie die Köpfe.

»Ihr müsst Büffel und Elentiere jagen, Fremde, müsst Früchte sammeln und Wurzeln ausgraben. Kaufen könnt ihr hier herum gar nichts.«

»Und euer König Semen?«, fragte Kinski. »Ist er wieder im Hause?«

»Leider noch nicht, den halten die Hound gefangen, bis er mürbe wird. Ich sage euch, Kameraden, erzählt es keinem Menschen, wenn ihr Glück haben solltet, denn diese, die Hound, erfahren es, und ihr werdet auf irgendeine Weise völlig ausgeplündert!«

»Und König Semen ist von diesen Leuten fortgeschleppt worden? Weshalb ermordeten sie denn gerade ihn, den Allerreichsten, nicht?«

»Weil sein Gold versteckt ist. König Semen trägt nichts mit sich herum oder verwahrt es in der Bretterbude. Er hat vielmehr eine geheime Vorratskammer, die niemand kennt. Diese soll er nennen.«

»Er soll ja Millionen besitzen.«

»Deswegen sitzt er auch jetzt in den Gebirgswäldern und wird abwechselnd von mehreren Hound bewacht, und niemand kommt in die Nähe seines Gefängnisses. Wer es trotzdem wagen würde, bekäme eine Kugel und damit gut.«

»Aber das sind ja grauenhafte Zustände!«

Die Goldgräber boten ihre Hände zum treuherzigen Abschiedsgruß. »Ihr werdet noch manches da oben grauenhaft finden, Fremde. Es ist ein schweres Leben, das mehr Opfer erfordert, als sonst irgendein anderes.«

Man trennte sich, und nun hielten unsere Freunde eine Beratung, deren Ergebnis war, dass zwei Rasttage gemacht werden sollten, um Lebensmittel zu erlangen.

»Wir finden uns schon wieder zurecht«, meinte Kinski. »Ich richte mich nach jener Felsspitze, die immer gerade auf unserem Wege stehen muss.«

»Dann lass uns gleich aufbrechen.«

Die Schleifen wurden gewendet, und alle verließen die Heerstraße.

An einer freien Stelle unter Bäumen machte die Karawane halt. Dort sollten die Zelte aufgeschlagen werden.

»Wir müssen dort auf dem See die großen grauen Gänse schießen«, sagte Boris, dem eine aufregende Jagd über alles ging. »Das gibt Fleisch für heute Abend und morgen, vielleicht kann ich auch Enteneier aus den Nestern nehmen.«

Die Knaben luden schon ihre Kugelbüchsen. Während einige der Männer die Zelte aufschlugen und andere Holz und Wasser herbeiholten, machten sich die Frauen daran, Früchte zu sammeln, essbare Pilze und die Wurzeln einer Pflanze, die zuvor die Goldgräber als sehr wohlschmeckend bezeichnet hatten. Salz und Kaffee waren vorhanden, Schiffsbrot und ein Rest Speck, auch alle nötigen Kochgeräte. Man konnte also einen angenehmen Aufenthalt im grünen Wald erwarten.

Boris und die Knaben waren zum See gegangen. Das Spiel der Schwalben hatte aufgehört, eine leichte Dämmerung breitete ihre Schatten über die Tiefe, und aus dem Schilf hervor tönte das abendliche Konzert der Frösche. Die grauen Gänse schwammen hin und her, und über dem ganzen Bild lag der Hauch der Ruhe und des Friedens.

Die Jäger schlichen sich leise heran, und dann fielen sechs Schüsse zugleich. Es schien grausam, das anmutige Spiel der Tiere so durch die schreckliche Vernichtung zu stören, aber der Hunger trieb vorwärts und überwand, wie immer, das Mitleid. Mehrere Gänse und Enten waren getroffen. Boris schwamm den Flüchtenden nach und holte sie aus den Schilfverstecken hervor. Er sammelte auch eine stattliche Anzahl Eier.

»Alle frisch gelegt!«, rief er. »Das gibt eine herrliche Mahlzeit.«

Die Knaben nahmen noch ein Bad, und alles tummelte sich lustig in den blauen Fluten, als plötzlich Arsa und Jegor zugleich den Kopf erhoben.

»Es kommt jemand!«, riefen beide wie aus einem Munde.

Am Ufer standen zwei Männer in wunderlicher Ausrüstung. Auf dem Rücken trug jeder ein großes Bündel, das offenbar Lebensmittel enthielt, daneben einen Kochtopf, eine Kaffeekanne und eine Blechpfanne, außerdem in der Hand ein großes flaches Eisengefäß. Messer und Pistolen steckten im Gürtel, und – als das seltsamste – um die Beine herum waren fast bis an den Leib dichte Schaffelle gewickelt. Die Wolle ging dabei nach außen, und das Ganze wurde durch Lederriemen fest geschlossen. In der Hand trug einer dieser Männer einen Drahtkäfig mit einem kleinen, unruhig hin und her hüpfenden Singvogel.

Die beiden Leute sahen so seltsam aus, dass alle im Wasser befindlichen Jäger an das Ufer kamen, um sie mit Muße zu betrachten.

»Gut Freund!«, sagte Boris. »Seid ihr Goldgräber?«

»Nein, wir jagen Klapperschlangen. Und ihr selbst?«

»Hm, wir sind auf dem Weg zu den Minen. Jagt ihr denn an diesem Ort?«

»Drüben im steinigen Grund am Seeufer, wo das niedere Gestrüpp wächst. Da leben die Klapperschlangen in den Erdlöchern der Maulwürfe und der Ratten zu vielen Hunderten. Hört, Freunde, wollt ihr uns nicht gestatten, euch zu begleiten? Unser Fleisch und unseren Kaffee haben wir natürlich selbst.«

Boris nickte, und so zogen denn die beiden Schlangenjäger mit den übrigen zum Lager und schienen nicht wenig erfreut, als sie das anmutige Bild der kleinen Niederlassung gewahrten.

»Ladys und Kinder!«, rief der eine. »Welch ein Vergnügen!«

»Ich heiße Karl Prüfer, und hier mein Freund ist Otto Hennecke – beide aus Hamburg.«

Felsing sandte mit plötzlichem Ruck des Kopfes einen spähenden Blick hinüber, und dann atmete er auf.

Man hieß die Fremden mit Gruß und Handschlag willkommen. Sie streckten sich vor dem Feuer in das Gras, zündeten ihre Pfeifen an und spielten mit den Kindern, während Kaffee und Büffelfleisch lustig brodelten.

»In den Minenstädten gibt es wenige oder gar keine Kinder«, sagte Prüfer. »Alles Familienleben, alle Gemütlichkeit hören für den Goldsucher auf. Er kocht sich sein Essen selbst, schläft mit zwei Pistolen im Gürtel und zieht die schweren Stiefel kaum einmal in der Woche aus.«

Prüfer hatte aus seinem Bündel die einzelnen Teile einer Flöte hervorgezogen und setzte sie nun zusammen. Dann spielte er ein Liedchen, und die Kinder tanzten jubelnd im Gras umher. Der Kaffeeduft zog durch den Wald, die Enten brodelten in der Pfanne, und das getrocknete Fleisch der beiden Schlangenjäger sandte kochend ganze Wolken von Dampf empor.

»So gut haben wir es lange nicht gehabt!«, rief Hennecke, indem er das jüngste Glied der Gesellschaft, einen zweijährigen kleinen Burschen, auf seinen Knien schaukelte. »Wie lange bleibt ihr hier, Kameraden?«

»Das kommt ganz darauf an«, versetzte Kinski. »Unsere Lebensmittel sind ausgegangen. Wir möchten gern einen Büffel oder einige Elentiere schießen. Gibt es dergleichen hier in der Nähe?«

»Sehr viele. Wir leben fast immer in den Wäldern, gerade weil einem ehrlichen Menschen die Minenstädte durch das wüste Treiben vollständig verleidet werden. Es herrscht Gesetzlosigkeit im höchsten Maße. Nur die Willkür regiert.«

Ein tiefes Schweigen folgte diesen Worten, das nur unterbrochen wurde von Frau Kinski, die mit der Meldung kam, dass das Abendessen fertig sei. Alle setzten sich nieder und griffen wacker zu. Das Fleisch und die weißen gekochten Wurzeln schmeckten so gut, dass sie die Kartoffeln vollständig ersetzten, und der Kaffee brachte neues Leben in alle Adern.

Als der Mond hoch am Himmel stand, machten sich die Schlangenjäger auf, um ihre Arbeit zu beginnen. »Den Büffel lagen wir am besten gegen Morgen«, meinte Hennecke. »Bis dahin sollten Sie zu schlafen suchen.«

»Und hierher kommen keine Schlangen?«, fragte ängstlich Frau Kinski.

»Nein, deswegen können Sie beruhigt sein.«

Beide Männer zogen aus ihren Bündeln dicke, kurze, mit Eisen beschlagene Holzkeulen hervor, dann nahm Hennecke den Vogelkäfig, und so ausgerüstet machten sie sich, von den Knaben begleitet, auf den Weg zu der steinigen, in der Nähe des Sees gelegenen Niederung.

Der Boden klang hohl. Es waren jedenfalls viele unterirdische Wohnungen vorhanden, aber von lebenden Geschöpfen zeigte sich keine Spur. Die hohen, bis zum Knie reichenden Schaftstiefel der jungen Leute waren zur Vorsicht ganz mit Erde angefüllt. Die langen, haarscharfen Messer lagen offen in den Händen, und die Pistolen steckten geladen im Gürtel. So ausgerüstet gingen sie hinter den Schlangenfängern her und beobachteten deren seltsames Treiben.

Hennecke setzte den Vogelkäfig vorläufig beiseite, nahm die Pistole schussgerecht zur Hand und ließ sich auf beide Knie nieder. Dann kroch er langsam an einer Reihe von offenen, kreisrunden Erdlöchern vorüber. Bei jedem hielt er an und schaute hinein.

»Sie sind da!«, raunte Hennecke, »eine ganze Anzahl!«

»Das ist gut.«

Beide Männer nahmen ihre Keulen in die Hände und steckten die Pistolen in den Gürtel. Prüfer stellte den Käfig mit dem gefangenen Vogel neben das erste Erdloch.

Es dauerte nur Sekunden, bis das Tierchen, erschreckt durch den scharfen Geruch der Schlange, ängstlich zu schreien anfing und wild im Käfig umherflatterte.

Die beiden Jäger standen so, dass sie etwa drei bis vier Erdhöhlen beobachten konnten. Es waren aufregende Minuten. Keiner der jungen Leute wagte es, auch nur laut zu atmen.

Dann erschien vor einem dieser unterirdischen Gelasse der Kopf einer Schlange. Die lange, gespaltene Zunge bewegte sich hin und her, das boshafte Gesicht sah nach allen Seiten, und der Hals schwoll an, als weite er sich schon jetzt, um die Beute aufzunehmen.

Das Tier schoss plötzlich hervor, dem Vogelkäfig gerade entgegen. Sobald sich der Körper ganz außerhalb des Baues befand, setzte Hennecke mit sicherer Bewegung den Fuß in die Mitte des schöngefärbten, glatten Leibes, der nun hoch aufbäumte. Die Schlange wandte den Kopf und biss voll Wut wohl zehnmal in das Schafsfell, dessen dichte Umhüllung den Jäger schützte, dann sank der Oberkörper ermattet zu Boden. Diesen Augenblick benutzte Hennecke, um mit einem einzigen wohlgezielten Keulenschlag den Kopf des Tieres zu zerschmettern. Nun nahm er den ringelnden, zuckenden Leib und warf ihn beiseite.

Aus dem Loch hervor war unterdessen eine zweite Schlange gekommen, und Prüfer hatte ihr ein gleiches Schicksal bereitet. Die beiden Männer gingen mit unglaublicher Sicherheit zu Werke. Nach Verlauf einer halben Stunde lagen bereits dreißig Schlangen getötet im Gras.

Der Geruch der Tiere war so entsetzlich, dass man es kaum ertragen konnte.

Hennecke trocknete sich das Gesicht. »Diese Seite des Steingrundes wäre abgeerntet«, sagte er, »wir müssen jetzt auf die entgegengesetzte gehen.«

»Da kroch etwas!«, rief Prüfer. »Arsa, sehen Sie sich vor!«

Er hatte die Worte kaum gesprochen, als unser Freund plötzlich einen leichten Schreckensschrei hervorstieß. Dicht vor seinen Füßen schnellte eine große, schön gezeichnete Schlange laut klappernd auf und schnappte nach seinem linken Arm. Im gleichen Augenblick griff Arsa zu und packte den Hals des Tieres unmittelbar unter dem Kopf, sodass eine weitere Bewegung desselben unmöglich wurde. Ebenso rasch hatte sich aber auch die Schlange, vom Schmerz zum Äußersten getrieben, um den ausgestreckten Arm des jungen Mannes geringelt, ihre geschmeidigen Glieder so fest zusammenpressend, dass Arsa glaubte, der Arm werde ihm an zehn Stellen zugleich gebrochen.

»Hilfe!«, rief er mit lauter Stimme. »Hilfe!«

Die beiden Jäger schienen sehr erschrocken. »Arsa!«, rief Prüfer, »wenn Sie loslassen, so sind Sie des Todes!«

»Ich weiß! Ich weiß!«

Hennecke legte die linke Hand um diejenige des Knaben, dann hob er die Pistole. Der Schuss krachte, und der Kopf der Schlange war zerschmettert, aber im gleichen Augenblick zog sich auch der Körper in seinen engen Windungen um den Arm des Knaben noch fester zusammen. Arsa wurde ohnmächtig. Er sank wie leblos zurück in die Arme des Jägers. Jetzt zog Prüfer das Messer aus dem Gürtel und begann den Schlangenleib zu zerteilen. Es war offenbar immer noch ein Rest von Leben in dem Tier, dessen Kopf nur noch aus Trümmern bestand. Das Fleisch zückte unter dem Messer, aber die Kraft des Widerstandes fehlte doch. Stück um Stück fiel das schillernde Rund, bis zuletzt Arsas Hand vorsichtig geöffnet wurde, um den zerschossenen Kopf freizugeben.

Prüfer brachte den Ohnmächtigen an eine gesicherte Stelle und untersuchte zunächst den Arm. Tiefe, schwarze Ringe bezeichneten die Stellen, an denen der Schlangenkörper fest wie eine Eisenschraube das Fleisch zusammengepresst hatte. Hier und da quoll Blut hervor, aber der Knochen hatte widerstanden.

Arsas Kopf wurde mit kaltem Wasser gewaschen und auch der Arm in nasse Tücher gewickelt. Aber es verging doch eine volle Viertelstunde, ehe die schwere Ohnmacht gänzlich wich.

»Für diese Nacht ist es genug«, erklärte Prüfer. »Wir müssen das Fett ausbraten und wollen dann noch eine Büffeljagd veranstalten, also gehen wir wohl jetzt am besten zum Lager.«

Wie ermüdet waren alle! Man streckte sich im Zelt auf die wollene Decke, und bald schliefen alle bis auf die beiden Jäger, die ihre beklemmenden Felle von den Beinen nahmen und am Feuer saßen, um die erbeuteten Schlangen auszubraten.

Der Rest der Nacht verlief ungestört, und als es endlich in den Zelten munter wurde, stand die Sonne schon hoch am Himmel.

Prüfer hatte Arsas Arm neu verbunden und war mit dem Aussehen der gequetschten Stellen sehr zufrieden. Er schlug dürre Zweige von den Bäumen und zerkleinerte diese zu Brennholz, während Dubois die Decken in die Sonne legte und sie kräftig klopfte.

»Kommt zum Frühstück!«, rief Kinski.

Die ganze Gesellschaft versammelte sich um die auf großen Blättern angerichteten Speisen, dann wurde die Arbeit für den Tag verteilt. Die Frauen wollten flicken und stopfen, Arsa sollte seine Wunden pflegen, und der Franzose übernahm es, mehrere große platte Steine zu sammeln.

»Um Maiskörner zu quetschen, damit wir Kuchen backen können«, erläuterte der Schlangenjäger. »Prüfer, du musst mit Sand und Wasser unsere Tortillapfannen scheuern.«

»Soll geschehen!«, war die Antwort. »Sorge du nur für einige Zwiebeln zum Braten. Sie wachsen ja überall.«

Kinski deutete auf die tiefe Niederung. »Arsa«, sagte er, »wenn das mein Eigentum wäre, wenn ich hier eine Farm gründen könnte – Weinberge, Weizenfelder, Obstgärten! Welch ein paradiesisches Land!«

»Vielleicht ist der Boden billig zu haben, Vater.«

Der Alte schüttelte den Kopf. »Es will ja alles Gold graben, alles ohne Arbeit reich werden«, seufzte er. »Frage nur den Windbeutel, den Felsing, ob er Lust hätte, während seines ganzen Lebens täglich vierzehn Stunden zu schaffen und alle Unbill des Wetters über sich ergehen zu lassen, auf alle Vergnügungen des Stadtlebens zu verzichten, und du wirst hören, was er antwortet.«

Arsa wechselte die Farbe. »Aber Felsing ist doch auch kein Ackerknecht«, antwortete er in beinahe gereiztem Ton.

»Er ist ein Plänemacher, ein Obenhinaus. Wenn wir erst eine feste Heimstätte haben, denke ich mich allmählich von ihm zurückzuziehen – deinetwegen, mein Junge. Er ist mir für dich kein wünschenswerter Umgang.«

Arsa schwieg, aber im Herzen war er anderer Meinung.

Nicht lange darauf kehrten frohgemut die Beutemacher zurück. Vielerlei brachten sie mit sich an Früchten, Wildbret und anderem. Alles wurde auf den Boden gelegt.

»Hier sind Zwiebeln, Frau Kinski. Herr Dubois, haben Sie uns flache Steine besorgt? Und du, Prüfer, hast du die Pfanne gescheuert?«

»Alles fertig, gestrenger Herr!«

Hennecke streifte die Ärmel auf. »Jetzt geht es daran, den Mais auszuhülsen«, rief er. »Wer hilft?«

»Ich!«, antwortete der gefällige Dubois.

»Das ist nett. Sehen Sie nur diese prachtvollen Kolben!«

Der Schlangenjäger zog aus dem Korb den erbeuteten Mais hervor. Große gelbe Körner fielen bei jeder Bewegung aus den Hülsen.

»Alles in diese Pfanne«, gebot Hennecke.

Hennecke ließ über dem Feuer die Körner etwas antrocknen, dann befreite er sie von den gelben Hülsen und begann nun die Mehlbereitung. Ein platter, von Dubois sorgsam gewaschener Stein wurde in ein Gefäß gelegt, eine Handvoll Körner darauf ausgebreitet und mit dem zweiten Stein zu Pulver gerieben. Es kostete viele Mühe, ehe genügend Mehl vorhanden war, um mit Eiern, zerlassenem Fett die beliebten Tortillas – kleine runde Kuchen – backen zu können. Einen Fruchtsaft hatten die Frauen aus Trauben und Pflaumen bereitet, ebenso einen riesigen Braten. Es gab also ein vorzügliches Mittagsessen.

Während der heißen Stunden des Nachmittags schliefen alle, dann wurde Kaffee bereitet und die Blechflaschen gefüllt, ebenso packte sich jeder der Jäger ein tüchtiges Stück Fleisch und einige gekochte Wurzeln in ein Bündel zusammen, um für den weiten Marsch bis zum Weideplatze der Büffel einige Mundvorräte zu besitzen.

Felsing wollte die Jagd nicht mitmachen, auch Dubois schauderte. »Herr Kinski«, bat er, »ich werde unterdessen das Lager bewachen.«

Auch Arsa musste bei den Zelten bleiben. Sein Arm war steif und geschwollen, er durfte ihn nicht aus der Binde nehmen.

Quer durch den Wald führte der Weg. Dann lichteten sich die Stämme, der Waldsaum war erreicht, und die offene Prärie lag vor den Blicken der Jäger.

»Kennt ihr denn die Gegend, Leute?«, fragte Kinski.

»Ja. Wenigstens auf vierzig oder fünfzig Meilen im Umkreis. König Semen hat uns in unsere Tätigkeit so eingeführt, dass es uns nicht fehlen kann. Wir sind ihm großen Dank schuldig.«

»War er denn früher selbst Schlangenjäger?«

»Er ist alles Mögliche gewesen, auch schon Pelzjäger, Farmer und in den Städten des Ostens Zeitungshändler, Kellner und Schaffner. Seine unruhige Natur treibt ihn aber aus engen, kleinlichen Verhältnissen immer wieder hinaus, er strebt nach einem Ziel, das ihn in den Stand setzen soll, Großes zu leisten, besonders aber anderen zum Wohltäter zu werden – und das hatte er erreicht, ehe ihn die Hound gefangen nahmen.«

»Wir befreien ihn«, rief Kinski, »ich raste nicht eher, als bis es gelungen ist.«

Hennecke nickte. »Gebs Gott – aber hier, sehen Sie, hier ist die Stelle, wo wir die Büffel erwarten wollen.«

»Ein Morast«, rief Jegor.

»Ganz recht, hier nehmen die Büffel der Stechmücken wegen täglich ein Schlammbad. Sind die Erdklumpen auf ihrem dicken Pelz getrocknet, so wälzen sie sich so lange im Gras, bis der Staub aus den Haaren wieder heraus ist. Jetzt aber heißt es, sich platt auf den Boden zu legen. Sehen die Bisons auch sehr schlecht, so ist ihr Gehör dafür sehr scharf. Hierher ins Gebüsch, Sir! Die Herde kommt von den Hügeln dort und geht zunächst zur Tränke im Tal. Immer den gleichen Weg von der Weide zur Tränke und wieder zurück. Sehen Sie dort die ausgetretenen Pfade?«

Durch die Luft segelten in diesem Augenblick mehrere große Geier und ließen sich mitten auf der Prärie nieder. Beide Schlangenjäger hohen den Kopf.

»Jetzt kommen die Bisons!«

Ein fernes, donnerähnliches Gebrüll erschütterte förmlich den Boden. Über dem Kamm des nächsten Hügels erhob sich ein ungeheurer, von langen Mähnen umwogter Kopf, dem dann ein riesenhafter Körper folgte. Gewaltige Stiere kamen schnaufend heran, bis sich die Ebene mit den Kolossen gefüllt hatte.

Einige jüngere Tiere befanden sich auch bei der Herde, und gerade diese waren es, die man erlegen wollte.

»Das Fleisch der alten Büffel schmeckt streng und ist hart«, hatte Hennecke gesagt. »Wir nehmen die vorjährigen Stierkälber aufs Korn, sobald sie sich der Schlammpfütze nähern.«

»Feuer!«, kommandierte Prüfer, als die Tiere nahe genug waren.

Sechs Schüsse krachten zugleich, und die nun entstehende Verwirrung war unbeschreiblich. Die Büffel flüchteten nicht sofort, sondern blieben bei ihren mit dem Tod ringenden Artgenossen stehen und beobachteten mit glühenden Blicken den unheimlichen Vorgang. Ganze Wolken von Geiern kamen aus den umliegenden Gebüschen herbei, schlugen mit den Flügeln und stießen heisere Schreie hervor, als könnten sie es nicht erwarten, bis ihnen die Beute zufiel. Als Hennecke, um die Leiden eines der getroffenen, aber immer noch lebenden Büffel zu beenden, einen letzten Schuss abgab, da stob die ganze Herde nach allen Richtungen auseinander. Der Platz des eben noch so lärmenden, bewegten Schauspiels war leer.