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Die Trapper in Arkansas – Band 2.5

Die-Trapper-in-Arkansas-Band-2Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 2
Erster Teil – Treuherz

Kapitel 14 – Der schwarze Hirsch

Alle blieben stehen.

In der Wildnis ist das Wort ein Mann beinahe immer gleichbedeutend mit einem Feind.

Der Mensch fürchtet in der Prärie seinesgleichen mehr als das grausamste Raubtier. Ein Mensch ist ein Konkurrent, ein unfreiwilliger Associé, der vermöge des Rechtes des Stärkeren mit dem Erstangekommenen teilt und ihm oft, um nicht zu sagen immer, die Früchte seines undankbaren Fleißes zu rauben sucht.

Daher begrüßen sich Weiße, Indianer oder Halbblut, wenn sie sich in der Prärie treffen, nicht anders als mit scharfem Blick, gespanntem Ohr und den Finger an dem Hahn ihres Gewehrs.

Bei dem Ausruf »Ein Mann!« hatten sich der General und die Lanzeros auf alle Fälle auf einen plötzlichen Überfall vorbereitet, indem sie ihre Flinten spannten und sich so gut wie möglich hinter den Büschen versteckten.

Fünfzig Schritte vor ihnen stand ein Mann, der seine Flinte mit dem Kolben auf die Erde gestellt hatte und sich mit beiden Händen auf den hohen Lauf derselben stützte, während er sie aufmerksam betrachtete.

Es war ein hochgewachsener Mann, mit kräftigen Zügen und einem offenen, festen Blick.

Sein langes Haar war sorgfältig geordnet, geflochten und mit Otterfellen und bunten Bändern geschmückt.

Ein ledernes, verziertes Jagdhemd reichte ihm bis auf das Knie herab. Seine Beine wurden von sonderbar geformten Gamaschen, die mit Schnüren, Fransen und einer Anzahl Troddeln verziert waren, umschlossen. An den Füßen trug er sehr reiche, mit unechten Perlen gestickte Mokassins.

Von seinen Schultern hing eine scharlachrote Decke herab, die mit einem roten Gürtel, in welchem zwei Pistolen, ein Messer und eine indianische Pfeife steckten, um die Hüften befestigt war.

Seine Büchse war mit roter Farbe und kleinen Kupfernägeln sorgfältig verziert.

Einige Schritte von ihm entfernt graste sein Pferd.

Es war wie sein Herr auf das Fantastischste angeschirrt, mit Streifen und Punkten in roter Farbe bemalt, die Zügel und der Schwanzriemen mit unechten Perlen und Kokarden verziert, Kopf, Mähne und Schweif mit einer Menge von Adlerfedern, die im Winde wehten, geschmückt.

Beim Anblick dieses Mannes konnte der General einen Ausruf der Überraschung nicht unterdrücken. »Welchem Indianerstamm gehört dieser Mann an?«, fragte er den Führer.

»Keinem.«

»Wie, keinem?«

»Nein, es ist ein weißer Trapper.«

»Aber seine Kleidung?«

Der Führer zuckte die Achseln. »Wir sind in der Prärie«, sagte er.

»Das ist wahr«, murmelte der General.

Indessen hatte der Mann, den wir eben beschrieben haben, den das Zögern der kleinen Truppe, die vor ihm stand, wahrscheinlich langweilte, und der endlich erfahren wollte, was er von ihnen zu halten habe, entschlossen das Wort ergriffen.

»Heda«, sagte er auf Englisch, »wer zum Teufel seid Ihr denn, Ihr dort, und was habt Ihr hier zu suchen?«

»Caramba!«, antwortete der General, warf seine Flinte auf den Rücken und befahl seinen Begleitern ein Gleiches zu tun. »Wir sind Reisende, die ein langer Weg ermüdet hat, die Sonne scheint heiß, und wir bitten Euch um Erlaubnis, uns einige Augenblicke in Eurem Rancho ausruhen zu lassen.«

Diese Worte waren auf Spanisch gesprochen worden.

Der Trapper antwortete daher in derselben Sprache: »Tretet furchtlos näher, der Schwarze Hirsch ist ein guter Teufel, wenn man ihn nicht zu kränken sucht. Ihr könnt das Wenige, was ich besitze, mit mir teilen, und wohl bekomme es Euch!«

Bei dem Namen der Schwarze Hirsch konnte der Führer eine Bewegung des Schreckens nicht zurückhalten, er wollte sogar einige Worte sagen, aber er hatte keine Zeit dazu, denn der Jäger warf seine Flinte über den Rücken, schwang sich in den Sattel und ritt den Mexikanern entgegen, die er bald erreicht hatte.

»Mein Rancho ist nur wenige Schritte von hier entfernt«, sagte er zu dem General, »wenn die Señorita Lust hat, einen gut gewürzten Büffelbuckel zu kosten, so bin ich imstande, ihr einen solchen anzubieten.«

»Ich danke Euch, Caballero«, antwortete das junge Mädchen lächelnd, »aber ich gestehe offen, dass ich augenblicklich mehr der Ruhe als etwas anderes bedarf.«

»Alles zu seiner Zeit«, sagte der Trapper gravitätisch, »erlaubt mir, Euch auf kurze Zeit als Führer zu dienen.«

»Wir stehen zu Diensten«, sagte der General, »reitet voran, wir folgen Euch.«

»Wohlan, vorwärts«, sagte der Trapper und stellte sich an die Spitze der kleinen Gesellschaft. In diesem Augenblick fiel sein Blick zufällig auf den Führer. Er zog die dichten Brauen zusammen und murmelte zwischen den Zähnen: »Hm! Was soll das heißen? Wir werden sehen«, fügte er hinzu.

Hierauf gab er, ohne sich scheinbar weiter um den Mann zu bekümmern, und indem er sich stellte, als ob er ihn nicht erkannt habe, das Zeichen zum Aufbruch.

Nachdem sie einige Zeit schweigend am Rande eines ziemlich breiten Baches hingeschritten waren, machte der Trapper plötzlich einen Bogen und entfernte sich von diesem, indem er sich wieder in den Wald begab.

»Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Euch den Umweg machen lasse, aber es gibt hier einen Biberteich und ich fürchte sie zu erschrecken.«

»Ach!«, sagte das junge Mädchen, »wie gern möchte ich die fleißigen Tiere arbeiten sehen!«

Der Trapper blieb stehen.

»Nichts leichter als das, Señorita«, sagte er, »wenn Sie mir folgen wollen, während Ihre Begleiter hier bleiben und auf Sie warten.«

»Ja! Ja!«, sagte Donna Luz eifrig, doch, sich besinnend, sagte sie plötzlich, »ach! Verzeih mir, guter Onkel.«

Der General warf einen Blick auf den Jäger. »Geh, mein Kind! Wir werden dich hier erwarten«, sagte er.

»Ich danke dir, Onkel«, sagte das junge Mädchen erfreut, und sprang vom Pferd.

»Ich stehe für sie«, sagte der Trapper treuherzig, »fürchten Sie nichts.«

»Ich fürchte nichts, wenn ich sie Euch anvertraue, mein Freund«, erwiderte der General.

»Vielen Dank«, sagte der Schwarze Hirsch, winkte Donna Luz und verschwand mit ihr hinter dem Gebüsch und den Bäumen.

Als sie eine Strecke weit gegangen waren, blieb der Trapper stehen. Nachdem er gehorcht und sich nach allen Seiten umgesehen hatte, beugte er sich zu dem jungen Mädchen herab, legte die Hand leicht auf ihren rechten Arm und sagte: »Hören Sie.«

Donna Luz blieb ängstlich und zitternd stehen.

Der Trapper bemerkte ihre Aufregung. »Fürchten Sie nichts«, erwiderte er, »ich bin ein ehrlicher Mann. Sie sind hier in der Wildnis allein mit mir eben so sicher, als wenn Sie im Dom in Mexiko vor dem Hauptaltar ständen.«

Das junge Mädchen warf einen verstohlenen Blick auf den Trapper. Trotz seiner sonderbaren Kleidung hatte sein Gesicht einen so offenen Ausdruck, sein Blick war so sanft und mild, als er ihn auf sie richtete, dass sie ganz beruhigt wurde.

»Reden Sie«, sagte sie.

Sie gehören, wie ich jetzt sehe, zu der Gesellschaft Fremder, die seit einigen Tagen die Prärie nach allen Richtungen durchstreifen, nicht wahr?«

»Ja.«

»Es befindet sich eine Art von Narr bei Ihnen, der eine blaue Brille und eine blonde Perücke trägt, und der sich, ich weiß nicht, warum, die Zeit damit vertreibt, Gräser und Steine zu sammeln, anstatt wie ein braver Jäger einen Biber zu fangen oder einen Hirsch zu erlegen.«

»Ich kenne den Mann, von dem Sie sprechen, er gehört allerdings zu unserer Gesellschaft, es ist ein sehr gelehrter Arzt!«

»Ich weiß es, er hat es mir gesagt. Er kommt oft hierher und wir sind gute Freunde. Mithilfe eines Pulvers, das er mir gegeben hat, bin ich ein Fieber los geworden, das mich seit zwei Monaten plagte und nicht weichen wollte.«

»Das freut mich.«

»Ich möchte etwas für Sie tun, um diese Gefälligkeit zu erwidern.«

»Dank, mein Freund, aber ich weiß nicht recht, was Sie mir nützen könnten, außer dass Sie mir die Biber zeigen.«

Der Trapper schüttelte den Kopf.

»Vielleicht noch etwas anderes, und das vielleicht eher, als Sie denken. Hören Sie mich aufmerksam an, Señorita, ich bin nur ein armer Mann, doch hier in der Prärie wissen wir manches, was uns Gott offenbart, weil wir allein mit ihm leben. Ich will Ihnen einen guten Rat geben. Der Mann, der Ihnen als Führer dient, ist ein durchtriebener Schurke. Er ist als solcher in allen Prärien des Westens bekannt. Ich müsste mich sehr irren, wenn er Sie nicht in irgendeine Falle lockte. Es fehlt nicht an Schuften hier, mit denen er sich verständigen kann, um Sie zu verderben oder wenigstens zu berauben.«

»Wissen Sie das gewiss?«, rief das junge Mädchen aus, die von den Worten, die so merkwürdig mit dem, was ihr Treuherz gesagt hatte, übereinstimmen, erschreckt wurde.

»Ich bin so fest davon überzeugt, wie ein Mensch etwas behaupten kann, wofür er keine Beweise hat, das heißt, man darf, dem früheren Leben Schwätzers nach zu schließen, alles Mögliche von ihm erwarten. Glauben Sie mir, wenn er Sie noch nicht verraten hat, so wird er es demnächst tun.«

»Mein Gott! Ich will meinen Onkel warnen.«

»Hüten Sie sich wohl, das zu tun, damit würden Sie alles verderben! Die Leute, mit denen sich Ihr Führer verständigt hat, oder, wenn es noch nicht geschehen ist, sich in Kürze verständigen wird, sind zahlreich, unerschrocken und kennen die Prärie genau.«

»Was ist denn zu tun?«, fragte das junge Mädchen angstvoll.

»Nichts. Warten und ohne es bemerken zu lassen, alle Bewegungen Ihres Führers überwachen.«

»Aber …«

»Sie begreifen wohl«, fiel ihr der Trapper in das Wort, »dass, wenn ich Sie bitte, ihm zu misstrauen, dies nicht geschieht, um Sie, wenn der Augenblick gekommen sein wird, in der Verlegenheit zu lassen.«

»Das glaube ich.«

»Also, hören Sie, was Sie zu tun haben. Sobald Sie die Gewissheit haben, dass Sie Ihr Führer verrät, so schicken Sie mir Ihren alten närrischen Doktor. Auf den können Sie sich doch verlassen, nicht wahr?«

»Ganz und gar.«

»Gut. Also, wie gesagt, dann schicken Sie ihn mir und tragen ihm nur auf mir zu sagen: ›Schwarzer Hirsch‹. Der Schwarze Hirsch, das bin ich.«

»Ich weiß es, Sie haben es uns gesagt.«

»Gut, er soll mir also sagen: ›Schwarzer Hirsch, die Stunde schlägt!‹ – Nichts weiter. Sie werden sich die Worte merken?«

»Ganz gewiss, ich sehe nur nicht ein, was uns das helfen soll.«

Der Trapper lächelte geheimnisvoll.

»Hm!«, sagte er nach einer Weile, »mit den paar Worten können Sie fünfzig der entschlossensten Männer in der Prärie herbeirufen. Männer, die sich auf ein Zeichen ihres Anführers werden umbringen lassen und Sie aus den Händen derjenigen befreien, die sich Ihrer bemächtigt haben werden, wenn das, was ich vermute, geschieht.«

Es folgte ein kurzes Schweigen. Donna Luz schien nachzudenken.

Der Trapper lächelte. »Wundern Sie sich nicht über die lebhafte Teilnahme, die ich Ihnen beweise«, sagte er. »Ein Mann, der unbedingt über mich gebieten darf, hat mich schwören lassen, dass ich während seiner gezwungenen Abwesenheit über Sie wachen will.«

»Was meinen Sie?«, fragte sie neugierig, »und wer ist dieser Mann?«

»Dieser Mann ist ein Jäger, der über alle weißen Trapper der Prärie gebietet. Da er wusste, dass Schwätzer Ihr Führer ist, hat er vermutet, dass der Mestize Sie möglicherweise in eine Falle locken könne.«

»Aber der Name des Mannes«, rief sie mit angstvoller Stimme.

»Treuherz, werden Sie mir nun vertrauen?«

»Tausend Dank, mein Freund«, antwortete das junge Mädchen mit Wärme, »ich werde Ihre Worte nicht vergessen, und eintretenden Falles, wenn es unglücklicherweise nötig sein sollte, werde ich nicht unterlassen, Sie an Ihr Versprechen zu erinnern.«

»Daran werden Sie wohl tun, Señorita, denn es wird Ihre einzige Rettung sein. Also, Sie haben mich verstanden, nun ist es gut, und behalten Sie unsere Unterredung für sich. Geben Sie sich ganz besonders nicht das Ansehen, als ob wir uns verständigt hätten, denn der verteufelte Mestize ist schlau wie ein Biber. Wenn er etwas merkte, so würde er Ihnen entwischen wie eine Natter.«

»Seien Sie unbesorgt, ich werde schweigen.«

»Nun wollen wir unseren Weg zum Bieberteich weiter fortsetzen. Treuherz wacht über Sie.«

»Er hat uns schon beim Präriebrand das Leben gerettet«, sagte sie mit Wärme.

»Aha!«, murmelte der Trapper und sah sie mit einem sonderbaren Blick an, »dann ist alles gut.« Hierauf fügte er laut hinzu: »Fürchten Sie sich nicht, Señorita. Wenn Sie meinen Rat pünktlich befolgen, so wird Ihnen in der Prärie nichts zustoßen, welche Verräterei man auch an Ihnen begehen mag.«

»Ach!«, rief sie begeistert, »ich werde nicht säumen, Sie in der Stunde der Gefahr zu rufen, das schwöre ich Ihnen.«

»Das ist also abgemacht«, sagte der Schwarze Hirsch lächelnd, »nun wollen wir uns die Biber ansehen.«

Sie traten ihren Weg wieder an und befanden sich nach wenigen Minuten am Rand des Waldes.

Dort blieb der Trapper stehen und gab dem jungen Mädchen ein Zeichen, sich nicht zu rühren. Dann sagte er, indem er sich zu ihr wendete: »Sehen Sie.«