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Der Marone – Nach Willkommenberg

Thomas Mayne Reid
Der Marone – Erstes Buch
Kapitel 18

Nach Willkommenberg

Ungefähr eine halbe Stunde weiter auf dem Hauptweg kam das Eingangstor von Willkommenberg in Sicht. Dort waren keine Wohnung, nur zwei große steinerne Pfeiler mit einem Flügel aus starkem Mauerwerk auf jeder Seite und eine schwere Flügelpforte dazwischen.

Den bereits erhaltenen Weisungen zufolge konnte Herbert ganz gut wissen, dass dies der Eingang zu seines Onkels Pflanzung sei.

Aber Quashie, der sich fortwährend an den Ponyschwanz festhielt, entfernte jeden möglichen Zweifel, indem er ausrief:

»Das sein der Tor, das sein der Weg nach Willkommenberg

Als er durch das Tor ritt, war das große Wohnhaus selbst zu sehen. Seine weißen Mauern und grünen Jalousien erschienen deutlich am Ende der langen Allee, die mit ihren langen Reihen von Palmen und Tamarinden dem Zugang ein höchst aristokratisches Aussehen gaben.

Herbert war auf etwas Derartiges gefasst. Er hatte zu Hause gehört, dass seines Vaters Bruder ein Mann von großem Vermögen sei, und dies war fast alles, was sein Vater über ihn selbst wusste.

Die glänzende Equipage, die seinen mehr begünstigten Reisegenossen aufgenommen und die vielleicht eine Stunde zuvor denselben Weg befuhr, bewies schon genügend, in welch großartiger Weise sein Onkel lebte.

Das Wohnhaus vor seinen Augen entsprach vollkommen allem, was er bisher gehört und gesehen hatte.

Kein Zweifel konnte obwalten, sein Onkel gehörte zu den »Großen« der Insel.

Dieser Gedanke erregte bei ihm weit weniger Vergnügen als vielmehr Sorge. Sein Stolz war bereits arg verletzt worden, und nun würde er wahrlich eine Hütte und ein herzliches Willkommen aller Gastfreundschaft eines ihn unfreundlich aufnehmenden Palastes vorgezogen haben.

Selbst schon vor der Landung, vielleicht schon vor der Einschiffung, hatte er nicht gerade besondere Erwartungen für seine gute Aufnahme gehegt. Damals konnte er nur nach seines Vaters Erfahrungen urteilen, doch nun besaß er bereits andere Anhaltspunkte in der Verschiedenheit des ersten Empfanges, die seinem Reisegenossen und ihm selbst gewährt worden waren. Als er daher die prachtvolle Allee hinauf sah, wurde er von einem Vorgefühl bedrückt, dass ihn noch eine größere Demütigung erwarte.

Er wusste nicht, ob sein Onkel Familie besaß. Sein Vater hatte nie davon gehört, auch nicht einmal, ob er verheiratet sei. Den englischen Verwandten war sein Verhältnis mit der Quadrone niemals berichtet worden, noch sonst etwas, was ihn seit seiner Auswanderung nach Jamaika betraf.

Herbert näherte sich deshalb dem Haus in äußerster Ungewissheit über diese Dinge, da ihm gänzlich unbekannt war, ob sein Onkel kinderlos sei oder ob er bei seiner Ankunft einen großen Familienkreis antreffen würde.

Natürlicherweise dachte er auch an die Möglichkeit, Vettern und Cousinen anzutreffen, und war deshalb neugierig, hierüber aufgeklärt zu werden. Konnte Quashie ihm nicht vielleicht die gewünschte Auskunft erteilen? Der Bursche hielt sich noch immer am Ponyschwanz fest, und Herbert entschloss sich, ihn zu fragen.

»Quashie! Das ist dein Name, nicht wahr?«

»Ja, Herr! Quashie, der Postbursche.«

»Postbursche! Bringst du denn die Briefe?«

»Ja, Herr! Nach dem Posthaus in der Bay, und da bringen nach dem großen Hause.«

»Wessen Briefe bringst du?«

»Massa seine Briefe, Herr; zuweilen auch an junges Fräulein.«

»Welches junge Fräulein?«

»Nun, Herr, was fragen? Da nur ein einziges Fräulein sein. Fräulein Käthe, Massas einzige Tochter.«

»Eine Cousine wenigstens«, sagte Herbert zu sich selbst, sehr wohl zufrieden mit dem Erfolg seiner versteckten Fragen. Ich bin doch neugierig, ob da auch sonst noch männliche Familienglieder vorhanden sind,

»Quashie!«

»Hier, Herr!«

»Hast du auch zuweilen Briefe für Fräulein Käthchens Bruder?«

»Fräulein Käthens Bruder? Sie hat keinen Bruder, Herr. Ich nie gesehen.«

»O, ich meinte ihren Vater.«

»Jo, gewiss, Herr! Quashie schon gesagt, Briefe bringen für Massa Van. Fast alle Briefe für Massa.«

»Also nur eine Cousine!«, sagte Herbert wieder zu sich selbst. »unter anderen Umständen wäre dies vielleicht ganz interessant, aber nun? Sag mir, Quashie, war es denn Herr Vaughan selbst, der dich beauftragte, mich nach Willkommenberg zu bringen? Oder hast du deine Befehle vom Aufseher erhalten?«

»Massa nicht mit mir gesprochen von Ihnen, Herr! Ich nichts gehört von ihm.«

»Der Aufseher dann?«

»Jo, Herr! Der Aufseher.«

»Was hat er dir aufgetragen? Sag es mir so genau, wie du kannst, und ich will dir später ein Geschenk machen.«

»Wohl, wohl, Massa! Ich alles erzählen, genau, wie er gesagt. Quashie, sagte er, Quashie, befahl er, du gehst hinunter an Bord des großen Schiffes, du siehst, dass da ein junger Herr das waren Sie selbst Herr! Du bringen ihn zum Ochsenwagen. Du nehmen sein Gepäck dazu; dann du steigen ihn auf Coco des Ponys Namen und dann bringen hier in mein Haus. Das alles, er gesagen, jedes Wort.«

»Zu seinem Haus? Willkommenberg meinst du?«

»No, junger Herr kommen nach Aufsehers Haus. Und nu sind wir grade bei dem Wege, der dahin führt. Diesen Weg, Herr! Diesen Weg!«

Der schwarze Bursche zeigte hinten auf einen Nebenweg, der von der Hauptallee abgehend zu dem Bergrücken führte, wo er sich in dickem Gehölz verlor.

Herbert hatte das Pony angehalten und saß, in stummer Verwunderung auf seinen Führer starrend.

»Diesen Weg, Herr!«, wiederholte der Knabe. »Das da ist der Haus! Sie sehen, da, wo der Rauch aufsteigt, grad über den großen Baum.«

»Was meinst du denn, mein Freund? Von welchem Haus sprichst du denn eigentlich?«

»Des Aufsehers Haus, Herr!«

»Was kümmert mich des Aufsehers Haus?«

»Wir alle da, Herr!«

»Wer? Du?«

»Beide, Herr! Und das Pony auch.«

»Bist du verrückt geworden, du Sprössling der Finsternis?«

»Nein, Herr! Quashie nur tun, was ihm befohlen. Aufseher Quashie befohlen, jungen Herrn nach seinem Haus zu bringen. Das hier ist der Weg.«

»Ich sage dir, Bursche, du musst dich sehr irren. Ich will nach Willkommenberg, zu meines Onkels Haus.«

»Nein, nein, Herr, wir nicht irren. Der Aufseher mir ganz genau sagen. Mir sagen, Sie nicht für den großen Haus, den Buff. Er sagen, Sie bringen zu seinem eigenen Hause.«

»Bist du dessen ganz gewiss?«

Während Herbert diese Frage stellte, beugte er sich im Sattel über und hörte aufmerksam auf die Antwort.

»O, Herr! Ich weiß es ganz gewiss, so gewiss, wie die Sonne da am Himmel stehen. Ich es beschwören, wenn Sie wollen.«

Als er diese feste Versicherung hörte, saß der junge Engländer einen Augenblick in tiefes und peinliches Nachdenken versunken. Seine Brust hob und senkte sich in wildester Aufregung, als ob eine fürchterliche Wahrheit, die er bisher nicht glaubte, sich ihm nun vollständig enthülle.

Da ergriff Quashie den Zaum und wollte das Pony in den Nebenweg lenken.

»Nein!«, rief der Reiter mit donnergleicher Stimme aus. »Lass mich gehen, Bursche, lass mich gehen, oder du bekommst Prügel! Das da ist mein Weg.«

Und sofort entzog er die Zügel der Hand des Führers und lenkte das Pony in die große Allee zurück.

Dann gab er dem Pferd einen kräftigen Hieb und sprengte im vollen Galopp auf das große Haus zu.