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Die Trapper in Arkansas – Band 1.5

Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 1
Erster Teil – Treuherz
Kapitel 1 – Die Prärie

Im Westen der Vereinigten Staaten erstreckt sich mehrere Hundert Meilen jenseits des Mississippi ein gewaltiger Landstrich, der bis zu jenem Tag unbekannt war und aus brachliegendem Boden bestand, auf welchem sich weder die Wohnung des weißen Mannes noch der Hato des Indianers erhob.

Diese unermessliche Wildnis, in der sich dunkle, von geheimnisvollen, wilden Pfaden durchzogene Wälder mit grünen Prärien abwechseln, deren dichtes, hohes Gras von jedem Wind bewegt wird, ist von gewaltigen Wasserströmen durchzogen, zu denen der Canadian River, der Arkanas River und der Red River zählen.

Auf diesem, reichlich mit Pflanzen bedeckten Gebiet ziehen unzählige Herden von wilden Pferden, Büffeln, Damhirschen, Antilopen und jenen Myriaden von Tieren, welche die Zivilisation täglich mehr aus in den übrigen Teilen von Amerika zurückdrängt, und die in dieser Gegend ihre ursprüngliche Freiheit wiederfinden, umher.

Deshalb hatten auch die mächtigsten Indianerstämme ihr Jagdgebiet in jenen Landstrich verlegt.

Die Delawaren, Creeks und Osagen durchstreiften die Grenzen der Wildnis in der Nähe der amerikanischen Niederlassungen, mit welchen sie allmählich durch schwache Bande der Zivilisation vereinigt wurden, bekämpften die Horden der Pawnee, Blackfeet, Assiniboine und Comanchen wilde Völkerschaften, Nomaden der Prärien oder Bergbewohner, welche die Wildnis nach allen Richtungen durchstreifen, deren Besitz sich keine anzumaßen wagten, obgleich sie sich alle vereinten, um sie zu verheeren, indem sie sich zur Jagd in so großer Anzahl versammelten, als ob es galt, einen Krieg zu führen.

In der Tat begegnete man in jener Wildnis jeder Art von Feinden. Ohne die wilden Tiere zu rechnen, waren es die Jäger, die Trapper und die Räuber, welche den Indianern nicht weniger gefährlich erschienen, wie deren vierfüßige Landsleute.

Die Prärien, der düstere Schauplatz unaufhörlicher und hartnäckiger Kämpfe, war daher in der Tat nur ein ungeheures Beinhaus, das alljährlich durch einen unbarmherzigen Guerillakrieg Tausende kühner Männer geheimnisvoll verschlang.

Nichts glich der Großartigkeit und Majestät, welchen der Anblick jener Prärien bot, auf denen die Vorsehung unermessliche Reichtümer mit vollen Händen gesät hatte, nichts dem Reiz grünen Flächen, dichten Wäldern, breiten Strömen. Der Reisende fühlte sich von dem melancholischen Gemurmel des Wassers über die Uferkiesel, dem Gesang der im Laub versteckten Tausende von Vögeln, dem Springen der im hohen Gras spielenden Tiere entzückt, angezogen, hingerissen, bis er als Opfer seines Enthusiasmus in eine jener unzähligen, unter Blumen gelegten Schlingen fiel und sein unvorsichtiges Vertrauen mit dem Leben büßte.

Ende 1837, in den letzten Tagen des September, der von den Indianern der Monat der fallender Blätter – Inaqui-quisis – genannt wird, saß ein noch junger Mann, den man an seiner Hautfarbe, obgleich er sich durch seine Kleidung in Nichts von den Indianern unterschied, leicht für einen Weißen erkennen konnte, ungefähr eine Stunde vor Sonnenuntergang an einem Feuer, dessen Notwendigkeit um jene Zeit des Jahres sich fühlbar zu machen anfing, an einer der unbekanntesten Stellen der eben von uns beschriebenen Prärie.

Er war höchstens 35 oder 36 Jahre alt, obgleich einige tiefe Furchen auf seiner hohen, mattweißen Stirn, ein höheres Alter anzudeuten schienen. Seine Züge waren schön, edel und zeigten die Kraft und den Stolz, die durch das Leben in der Wildnis erworben werden. Seine offenen schwarzen Augen, über denen sich dichte Augenbrauen wölbten, hatten einen sanften, schwermütigen Ausdruck, der ihren Glanz und ihr Feuer milderte. Der untere Teil seines Gesichts verschwand unter einem dichten, langen Bart, dessen bläuliche Färbung gegen die seltsame Blässe des übrigen Gesichtes scharf abstach.

Seine Gestalt war hoch, schlank, vollkommen ebenmäßige seine kräftigen Glieder, an welchen die Muskeln ausfallend hervortaten, bewiesen, dass er ungewöhnliche Kraft besaß. Überhaupt flößte seine Person jene ehrfurchtsvolle Sympathie ein, welche höheren Naturen in jener Gegend öfter gezollt wird, als bei uns, wo die körperlichen Vorzüge gewöhnlich nur der rohen Kraft angehören.

Seine Kleidung war sehr einfach und bestand aus einer anschließenden, bis auf die Knöchel herabreichenden Hose, die über den Hüften mit einem ledernen Gürtel befestigt war, und einem baumwollenen mit bunter Wolle gestickten Jagdhemd, das bis zu den Knien reichte. Diese vorn offene Bluse ließ seine gebräunte Brust erkennen, auf welcher an einer dünnen, stählernen Klette, ein Skapulier von schwarzem Samt herabhing. Stiefel von gegerbtem Damhirschleder schützten ihn vor dem Biss der Schlangen und reichten bis über das Knie. Sein Kopf war mit einer Mütze aus Biberfell, dessen Schwanz auf den Nacken herunterfiel, bedeckt, und unter derselben quoll das reiche, schwarze Haar, das schon hier und da einige silberne Fäden zeigte, hervor und breitete sich auf seinen Schultern aus.

Dieser Mann war ein Jäger.

Eine prächtige Büchse, die neben ihm in Reichweite lag, die Jagdtasche, welche er über der Achsel trug, und zwei mit Pulver und Kugeln gefüllte Büffelhörner an seinem Gürtel ließen nicht daran zweifeln. Zwei lange Doppelpistolen waren nachlässig neben der Büchse hingeworfen.

Der Jäger war mit einer Machete bewaffnet, einem langen Messer mit kurzer, gerader Klinge, welches die Bewohner der Prärie stets bei sich tragen, und beschäftigte sich sorgfältig damit, einen Biber abzuhäuten. Zugleich bewachte er mit den Augen eine Hirschkeule, die an einem Strick über dem Feuer hing, und lauschte auf das leiseste Geräusch, das in der Prärie laut wurde.

Der Ort, wo sich der Mann befand, war für eine Rast von einigen Stunden vortrefflich gewählt.

Es war eine Lichtung auf dem Gipfel eines ziemlich hohen Hügels, welcher aufgrund seiner Lage die Prärie auf eine weite Strecke überblicken ließ und vor einem Überfall sicherte. Einige Schritte von dem Biwak des Jägers entfernt sprudelte eine Quelle und ergoss sich in Gestalt eines Wasserfalls in die Ebene. Das hohe, üppige Gras bot zwei herrlichen Pferden mit wilden, blitzenden Augen, die an den Beinen gefesselt waren, ein vortreffliches Futter, und sie hielten in einiger Entfernung eifrig ihre Mahlzeit. Das Feuer, welches mit dürrem Holz genährt und von drei Seiten durch Felsstücke geschützt wurde, ließ nur eine dünne Rauchwolke aufsteigen, die in einer Entfernung von zehn Schritten kaum sichtbar war. Eine Wand hundertjähriger Bäume entzog das Lager den neugierigen Blicken derjenigen, die wahrscheinlich in der Nähe lauerten.

Alle für die Sicherheit des Jägers nötigen Vorsichtsmaßnahmen waren mit jener Umsicht getroffen, die eine genaue Kenntnis vom Leben in den Wäldern verriet.

Die Gipfel der hohen Bäume wurden von dem rötlichen Licht des Abendhimmels vergoldet, die Sonne war im Begriff, hinter den Bergen, welche den Horizont begrenzten, zu verschwinden, als die Pferde plötzlich ihre Mahlzeit unterbrachen, den Kopf anhoben und die Ohren spitzten, welches als Zeichen von Unruhe dem Jäger nicht entging.

Obgleich er noch kein verdächtiges Geräusch vernahm und alles in der Nähe ruhig zu sein schien, beeilte er sich doch, das Biberfell, das über zwei kreuzweise übereinandergelegte Stücke Holz gespannt war, vor das Feuer zu stellen. Ohne aufzustehen, streckte er die Hand nach seiner Büchse aus.

Der Ruf der Elster ertönte zu drei verschiedenen Malen und in gleichmäßigen Abständen.

Der Jäger legte lächelnd seine Büchse wieder neben sich und fuhr fort, sein Abendessen zu überwachen. Beinahe im selben Augenblick bewegte sich das Gras stark. Zwei herrliche Jagdhunde kamen in großen Sätzen heran und legten sich zu den Füßen des Jägers nieder, welcher sie eine Zeit lang streichelte und einige Mühe hatte, sich ihren Liebkosungen zu entziehen.

Die Pferde hatten sorglos ihre unterbrochene Mahlzeit fortgesetzt.

Die Hunde waren einem zweiten Jäger nur wenige Minuten vorausgeeilt, welcher kurze Zeit später gleichfalls in der Lichtung erschien.

Der Mann, welcher viel jünger als der Erste war, – er schien kaum 22 Jahre zu zählen, – war ein großer, magerer, behänder Mann mit kräftiger Gestalt, rundem Kopf, aus welchem zwei graue kluge Augen blitzten, und dessen von langem blonden Haar eingeschlossenes, offenes, ehrliches Gesicht etwas Kindliches hatte.

Er trug dieselbe Kleidung wie sein Gefährte und warf bei seiner Ankunft eine Schnur von Vögeln, die er auf der Schulter hatte, neben das Feuer.

Beide Jäger widmeten sich nun, ohne ein Wort zu wechseln, den Vorbereitungen eines Abendessens, welches nach einem anstrengenden Aufenthalt in den Bergen stets herrlich zu munden pflegt.

Die Nacht war vollständig hereingebrochen, die Wildnis erwachte allmählich. Schon erschallte das Geheul der wilden Tiere in der Prärie. Nachdem die Jäger mit gutem Appetit gegessen hatten, zündeten sie ihre Pfeifen an, und, den Rücken gegen das Feuer zugewandt, damit der Schein desselben sie nicht daran hindere, eventuelle verdächtige Besucher, welche sich in der Dunkelheit anschleichen könnten, zu erblicken, rauchten sie mit der Behaglichkeit von Leuten, die nach einem langen, mühseligen Tagwerk einen Augenblick der Ruhe genießen, die sie vielleicht nicht so bald wieder haben werden.

»Nun?«, fragte der erste Jäger lakonisch zwischen zwei Rauchwolken.

»Du hattest recht«, antwortete der andere.

»Aha!«

»Ja, wir haben uns zu sehr rechts gehalten und dadurch haben wir die Fährte verloren.«

»Das habe ich mir gedacht«, erwiderte der Erste. »Siehst Du, Fröhlich, du verlässt dich zu sehr auf deine kanadischen Gewohnheiten. Die Indianer, mit denen wir es hier zu tun haben, sind den Irokesen, welche die Jagdgebiete deines Landes durchstreifen, völlig unähnlich.«

Fröhlich nickte bejahend mit dem Kopf.

»Dies ist übrigens«, fuhr der andere fort, »für jetzt nicht besonders wichtig. Die Hauptsache ist, dass wir erfahren, wer unsere Diebe sind.«

»Ich weiß es.«

»Gut!«, sagte der andere und zog hastig die Pfeife aus Mund. »Und welche Indianer sind es denn, die es gewagt haben, mit meinem Zeichen versehene Fallen zu stehlen?«

»Die Comanchen.«

»Das dachte ich mir, bei Gott! Zehn unserer besten Biberfallen in der Nacht zu stehlen! Ich schwöre dir, Fröhlich, dass sie es teuer bezahlen werden … Und wo sind jetzt die Comanchen?«

»Höchstens drei Meilen von uns entfernt.«

»Es ist ein Trupp von Räubern, der ungefähr aus zwölf Mann besteht. Nach der Richtung, die sie eingeschlagen haben, zu schließen, kehren sie in ihre Berge zurück.«

»Die werden sie nicht alle erreichen«, sagte der Jäger mit einem Blick auf seine Büchse.

»Meiner Treu!«, sagte Fröhlich mit lautem Lachen, »sie werden nur bekommen, was sie verdienen. Ich verlasse mich auf dich, Treuherz, dass sie für ihren Streich bestraft werden. Doch dein Entschluss, dich an ihnen zu rächen, wird noch weit fester werden, wenn du erfahren haben wirst, wer sie anführt.«

»So, so! Ich kenne also ihren Anführer?«

»Ein wenig«, sagte Fröhlich lächelnd, »es iss Nehu-Nutah.«

»Adlerkopf!«, rief Treuherz aus, indem er aufsprang. »Oh! Oh! Den kenne ich, und so Gott will, werden wir dieses Mal die alte Rechnung, die wir miteinander haben, begleichen können. Seine Mokassins kreuzen meinen Weg und hindern mich schon lange genug.«

Nachdem er diese Worte mit einem Ausdruck des Hasses, vor welchem Fröhlich erbebte, ausgesprochen hatte, nahm der Jäger, den es reute, dass er den Zorn, der ihn übermannte, gezeigt hatte, seine Pfeife wieder und fuhr fort mit erkünstelter Ruhe zu rauchen, die seinen Gefährten aber nicht täuschte.

Die Unterhaltung wurde unterbrochen.

Die beiden Jäger schienen in tiefe Gedanken versunken und rauchten schweigend nebeneinander.

Endlich wendete sich Fröhlich zu seinem Gefährten. »Soll ich wachen?«, fragte er.

»Nein«, antwortete Treuherz mit leiser Stimme, »schlaf, ich werde für uns beide wachen.«

Fröhlich legte sich ohne den geringsten Einwand zu erheben, neben das Feuer, und wenige Minuten später war er fest eingeschlafen.

Als die Eule am Morgen ihr Geschrei erhob, das das Aufgehen der Sonne zu begrüßen schien, weckte Treuherz, der die ganze Nacht hindurch unbeweglich wie eine Statue geblieben war, seinen Gefährten.

»Es ist Zeit«, sagte er.

»Gut«, antwortete Fröhlich, der sich sofort erhob.

Die Jäger sattelten ihre Pferde, stiegen vorsichtig den Hügel hinab und verfolgten die Spur der Comanchen. In diesem Augenblick ging die Sonne strahlend am Himmel auf, verjagte die Schatten, und übergoss die Prärie mit ihrem herrlichen und belebenden Licht.