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Mister FBI Teil1

Das Leben des John Edgar Hoover – Legende und Wahrheit
Ein Muttersöhnchen kommt zum FBI

Hand aufs Herz, wer denkt bei dem Namen FBI nicht sofort an Jerry Cotton, an G-Männer, die mit tief ins Gesicht gezogenen Filzhüten und hochgeschlagenem Mantelkragen in einer dunklen Straße Verdächtige beobachten oder am Steuer eines Wagens sitzen, der mit heulenden Sirenen Gangster jagt, die ihre Flucht durch Feuer aus Maschinenpistolen zu decken versuchen?
FBI, drei Buchstaben, die in den Köpfen der meisten von uns unverrückbar mit Crime, Action und Nervenkitzel verbunden sind.
Leider hat diese romantische und wie so oft durch Romane und Filme genährte Vorstellung mit der Wirklichkeit rein gar nichts zu tun, es sind Legenden und keine Wahrheiten.
Aber halt, eine dieser Legenden ist doch Wirklichkeit.
Es ist die Geschichte jenes Mannes, dessen Name fast ein halbes Jahrhundert lang eng mit dem Federal Bureau of Investigation verbunden war, was übersetzt soviel wie Bundesbüro für Untersuchungen heißt und hierzulande besser als FBI bekannt ist.
Obwohl er nicht der Schöpfer der Organisation war, gilt er doch als ihr wahrer Begründer und Organisator.
Er war ihr Gott und ihr Tyrann in einer Person.
Er war ohne Zweifel einmal einer der mächtigsten und einflussreichsten Männer der Vereinigten Staaten. Man nannte ihn den Direktor oder schlicht und einfach Mister FBI.
Eine graue Eminenz, die hinter den Kulissen agierte und entscheidenden Einfluss auf die Politik Amerikas bis in die siebziger Jahre hinein ausübte.
Diese Feststellung ist keine Übertreibung, er war in der Tat ein Polizeichef, der mit einer Machtfülle ausgestattet war, die es ihm erlaubte sich Motu proprio zum Richter seiner Mitbürger aufzuschwingen und selbst oberste Repräsentanten der Vereinigten Staaten öffentlich zu tadeln.
Obwohl ihm heute Gefühlskälte und Zynismus in einem Ausmaß vorgeworfen werden, was einen Außenstehenden erschauern lässt, ist es nicht von der Hand zu weisen, dass dieser Mann zu einer der schillerndsten Persönlichkeiten des vergangenen Jahrhunderts gehört. Auch wenn er bis heute noch umstritten ist, hat er seinen Platz in der Geschichte.
Der Name des Mannes ist John Edgar Hoover.

* * *

John Edgar Hoover, nennen wir ihn der Einfachheit halber von nun an Hoover, wurde am 1. Januar 1895 geboren. Seine Familie stammte aus der Schweiz und hatte sich um 1800 in der amerikanischen Hauptstadt niedergelassen. Sein Großvater und sein Vater, der später an schweren Depressionen litt, waren kleine Beamte in der staatlichen Vermessungsanstalt. Das Haus der Familie lag am 413 Seward Square und spiegelte die finanzielle Lage der Familie wider.
Es war ein einfaches, zweistöckig gemauertes Gebäude mit geblümten Vorhängen an den Fenstern. Das Haus befand sich in der Nähe des Kapitols, an dessen Bau ein Onkel von Hoover mitgearbeitet hatte. Die Familie führte ein anständiges und bescheidenes Leben, ruhig und sauber, aber unter der absoluten Fuchtel von Hoovers Mutter.
Annie M. Scheitlin-Hoover war weithin für ihre Frömmigkeit und Tugendhaftigkeit bekannt. Verwandte und Bekannte der Familie sagten, dass sie geradezu ein Hausdrachen gewesen war und Haushalt und Familie einem drakonischen Regiment unterworfen hatte.
Es war in erster Linie sie, die das Leben Hoovers nachhaltig beeinflusste. Zu seinem Vater hatte er keine sehr herzliche Beziehung, dafür vergötterte ihn Mama Hoover geradezu und machte ihn zum Mittelpunkt eines Kultes, in dessen Dienst sich auch Dickerson, Hoovers älterer Bruder stellen musste. Er hatte auf ihn aufzupassen und ihn ohne Rücksicht auf eigene Freizeitinteressen stundenlang spazieren zu führen, und das bei Wind und Wetter.
Dickerson sagte später einmal, er habe Hoover in seinem alten Kinderwagen Tausende von Kilometern rund um den Capitol Hill geschleppt.
Wie seine Mutter war Hoover streng religiös und von ehrlicher Frömmigkeit. Deshalb geriet er schon bald unter den Einfluss des presbyterianischen Pastors Campell McLeod. Hoover entwickelte sich unter der Fuchtel von McLeod zu einem wahren Betbruder und erhielt schließlich als Belohnung für seinen Eifer beim Gottesdienst eine Bibel, die ihn bis zu seinem Tod begleitete. Es ist daher müßig zu erwähnen dass er Zeit seines Lebens nie einen Messgang versäumt hat.
Über seine Hauptschulzeit ist wenig bekannt, außer der Geschichte wie er zu seinem Spitznamen Der schnelle Hoover gekommen war. Noch bis kurz vor seinem Tod erzählte er diese Geschichte gerne.
»Damals gab es in den Geschäften keine Laufburschen, aber ich hatte bemerkt, dass ein kleiner Junge, der sich vor der Tür eines Ladens aufhielt, immer eine vollbepackte Kundin fand, die gegen ein reichliches Trinkgeld seine Dienste in Anspruch nahm. Meine erste Arbeit dieser Art brachte mir zehn Cents ein. Bald hatte ich erkannt, das je schneller ich den Dienst erledigte umso mehr Geld ich verdienen konnte. So lief ich, wann immer ich aus der Schule kam, den ganzen Tag hin und her. An Sonnabenden von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends.
Manchmal verdiente ich so bis zu 2 Dollar am Tag, das war damals viel Geld.«
Das war das erste Mal das sein eiserner Wille, alles was er machte, stets noch besser zu machen, so richtig zum Vorschein kam.
Als er 1909 die Hauptschule verließ, um das Gymnasium zu besuchen, ging er nicht wie viele seiner Schulkameraden in das benachbarte Gymnasium, sondern in die vier Meilen entfernte Central High School. So musste er täglich acht Meilen zurücklegen, aber das Wissen, dass er auf dieser Schule die größeren Zukunftschancen erhalten würde, ließen ihn diese Anstrengungen mit einem Lächeln ertragen, wenn er daraufhin angesprochen wurde.
Sein Erfolgswille und seine Zähigkeit wurden charakteristisch für ihn und hatten Zeit seines Lebens vielen Mitmenschen, auch wenn sie ihm nicht gewogen waren, Bewunderung abverlangt.
Obwohl der Lehrplan der Schule nur zwei Jahre Mathematik vorsah, belegte er ihn für vier Jahre. Latein war ein Wahlfach was ihn nicht hinderte dies ebenfalls zu belegen, Physik war für ihn der schwerste Stoff, er widmete sich ihm mit Erfolg. Musik dagegen vernachlässigte er, obwohl sein Lehrer in diesem Fach sein Onkel Pierce Hoover war.
Dieser Charakterzug begleitete ihn sein ganzes Leben lang.
Hoover wollte seine Erfolge immer selber erarbeiten, ohne Protektion, ohne Kompromisse.

* * *

Als er die Central High School 1913 mit bravourösen Leistungen verließ, war er an einem Wendepunkt seines Lebens angelangt. Er erhielt ein Stipendium für die Universität von Virginia, die für ihre juristische Fakultät berühmt war. Mit Sicherheit wäre sein Leben danach ganz anders verlaufen, wenn seine Eltern die notwendigen Mittel besessen hätten, ihm den Besuch auf dieser Universität im Bundesstaat Virginia zu ermöglichen. Mit der Annahme des Stipendiums wäre er vor allem der strengen Aufsicht seiner Mutter und dem Regiment des despotischen Pastors McLeods entkommen.
Aber das Geld reichte nicht.
So blieb ihm nur eine Möglichkeit um weiter zu studieren, die Selbstfinanzierung seiner Studentenlaufbahn. Er nahm einen Posten tagsüber als Sekretär in der Kongressbibliothek an und besuchte dann am Abend die juristischen Vorlesungen in der George Washington Universität. Diese genoss damals zwar kein allzu großes Ansehen, aber sie hatte den Vorteil, dass sie in der Nähe seines elterlichen Hauses und seiner Arbeitsstelle lag.
Der inzwischen neunzehnjährige Hoover war zwar nur etwas mehr als mittelgroß, aber dennoch ein durchaus ansehnlicher junger Mann. Von Zeit zu Zeit ging er immer wieder einmal mit jungen Mädchen aus, was für einen Mann in seinem Alter durchaus normal war.
Aber jedes Mal kam bereits nach kurzer Zeit der Augenblick, wo er unter dem Einfluss seiner Mutter und der Diktatur des Pastors – dieser Ausdruck ist beileibe nicht zu krass, denn McLeod hielt ihn in einem fast mönchischen Dasein ohne jeglichen gesellschaftlichen Umgang – die Beziehung beenden musste.
Aus dieser Zeit behielt er für den Rest seines Lebens eine Zurückhaltung und Schüchternheit gegenüber Frauen, die sich teilweise zu krankhafter Furcht steigerte.
Er blieb für immer Junggeselle und erklärte seine Situation einmal wie folgt:
»Tatsächlich hat es nur eine Frau in meinem Leben gegeben, meine Mutter.«
Noch heute gibt es gewisse, wenn auch widersprüchliche und nicht bestätigte Gerüchte über eventuelle inzestuöse Vorkommnisse.

* * *

Derart alleine, isoliert und abgeschottet gab es für ihn nur eine Möglichkeit weiter zu kommen. Er musste lernen und er musste stets besser sein als die anderen.
Seine anschließende Karriere verlief danach, oder vielleicht gerade deshalb, beispiellos.
1916 promovierte er mit Auszeichnungen überschüttet als Doktor der Rechte.
1917 wurde er ins Justizministerium aufgenommen.
Im gleichen Jahr gab Amerika seine Splendid Isolation auf und trat an der Seite der Alliierten in den Krieg ein. Hoover wurde Chef der Ausländer-Abteilung, eine kleine Behörde, die direkt dem Justizministerium unterstand.
Sie nannte sich BOI, Bureau of Investigation, der Vorläufer des berühmten FBI.
1919 wurde er Chef des Ermittlungsdienstes.
In diesen Jahren erhielt er seine Feuertaufe. Als deutsche Agenten und bolschewistische Fanatiker Amerika mit einer geradezu unvergleichlichen Welle des Terrors überzogen, begann sein Stern aufzugehen.

Mehr dazu in Teil 2, wenn es heißt:

Spione unter uns


Quellennachweise:

  • Ralph de Toledano: J. Edgar Hoover: The Man in His Time, Arlington House Pub, 1973
  • Norman Lewis: La Mafia, ed. Plon Paris
  • Thomas Plate: The Mafia at War, New York Magazine Press, 1972
  • Jean-Michel Charlier, Pierre Demaret: Der Bulle. Hoover vom FBI, Neff Verlag, Bayreuth, 1982
  • Historical Society Chicago, Time-Life Verlag, öffentliche Bibliothek von Brooklyn

Bildernachweis:

  • Service Iconographique Edition Robert Laffont, Paris 1976

Copyright © 2012 by Gerold Schulz