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Slatermans Westernkurier 02/2015

Flintenweiber

Auf ein Wort, Stranger, denn wieder einmal ist das sogenannte schwache Geschlecht das Thema unserer Kolumne. Aber keine Angst, auch diesmal beschäftigen wir uns nicht mit Dingen wie Fischgrätenkorsetts, Backrezepte für den Kuchen zur Erntedankfeier oder mit dem neuesten Klatsch und Tratsch des örtlichen Frauenvereins, sondern wie es sich für den Wilden Westen gehört mit Colts, Girls, Pulver und Blei.

Genauer gesagt mit einer Spezies Frau, die im Umgang mit dem Revolver, mit Whisky, Tabak oder Pferden mindestens genauso geschickt war wie ihre männlichen Pedanten jener Zeit.

Dazu muss ich vorausschicken, dass es nicht ganz richtig ist, den Wilden Westen pauschal als eine Ära zu bezeichnen, in der notorische Frauenknappheit herrschte. Es gibt genügend Historiker, deren neueste Forschungen diese These widerlegen. Gewiss gab es Gegenden, wo dies zutraf, aber ebenso Countys, in der die Frauen stark vertreten waren.

Aber egal ob Frauenmangel oder Überschuss, grundsätzlich kann man sagen, dass der Westen bis zum vorletzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts von drei Arten von Frauen dominiert wurde.

Zum einen von der typischen Farmer- oder Siedlerfrau, die ein entbehrungsreiches Leben mit harter Arbeit von früh bis spät führte, viele Kinder zur Welt brachte und meist bereits noch in jungen Jahren völlig verbraucht verstarb.

Dann gab es die sogenannten leichten Mädchen, die in den kleinen Grenzbordellen ein ebenfalls jämmerliches Leben führten. Allerdings besaßen diese gerade in den ersten Jahren, als die Männer wirklich überwiegend allein in den wilden Grenzgebieten lebten, einen sehr wichtigen Status. Viele von ihnen wurden später ehrbare Ehefrauen und Pioniermütter.

Und dann waren da noch diejenigen Frauen, die genauso wie die Männer sich in totaler Weise dem harten Leben in der Wildnis anpassten und irgendwann in die Gesetzlosigkeit abglitten.

Man nannte sie Flintenweiber.

Namen wie Calamity Jane, Pearl Hart oder Belle Starr sind heute noch jedem Westernfan ein Begriff. Ihr Schicksal steht stellvertretend für diesen Frauentyp.

***

A regard myself as woman who has seen much of Life.

Belle Starr

Ihr richtiger Name war eigentlich Myra Maybelle Shirley. Sie kam am 5. Februar 1848 als Tochter von John Shirley und seiner dritten Gattin Eliza Pennington in Carthage, Missouri, zur Welt. Obwohl ihr Vater als schwarzes Schaf einer gut situierten Familie aus Virginia galt, brachte es John Shirley in der kleinen Stadt zu einem einflussreichen und vermögenden Geschäftsmann, dem in Carthage ein Hotel, ein Mietstall, ein Saloon und die Hufschmiede gehörten. Dazu war er im Gemeinderat und hatte dort eine wichtige Position inne. Ein Umstand, der Belle und ihren vier Brüdern eine sorglose Kindheit bescherte. Belle besuchte die höhere Töchterschule Carthage Female Academy, wo sie Unterricht in Lesen, Schreiben, Rechnen, Musik und klassischen Sprachen erhielt.

Sie war ebenso lernwillig und intelligent, wie temperamentvoll und ungestüm und zog es in ihrer Freizeit daher lieber vor, unter der Anleitung ihres älteren Bruder Bud reiten, schießen und Whiskytrinken zu lernen, als am gesellschaftlichen Leben der Stadt und ihrer Honoratioren teilzunehmen.

Inzwischen jedoch hatten sich am Himmel über Amerika dunkle Wolken zusammengeballt. Es begannen die Jahre des blutenden Kansas, eine Auseinandersetzung, die im Nachhinein als Vorboten des amerikanischen Bürgerkrieges bezeichnet wurden.

Damit begann auch das Unglück der Familie Shirley.

Sie verlor ihr gesamtes Hab und Gut, als in den Wirren des Krieges Carthage niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht wurde. Im Juni 1864 wurde Belles Lieblingsbruder Bud, der inzwischen Captain bei Quantrills Reitern war, in Sarcoxie, Missouri, erschossen.

John Shirley siedelte mit seiner Familie nach Scyene, Texas, über und versuchte dort als Farmer auf einem kleinen Anwesen einen Neuanfang.

Das war der Beginn von Belles unrühmlicher Karriere.

Die temperamentvolle wie lebenslustige junge Frau hatte keine Lust, ein eintöniges Leben auf einer kleinen Farm zu führen, bis sie alt und grau war. Als auf der Farm der Shirleys eines Tages eine Bande Gesetzloser Rast machte, warf sich die inzwischen 18-jährige Belle dem Banditen Jim Reed an den Hals und heiratete den kaum ein Jahr älteren Viehdieb, Spieler und Banditen. Sie fand Gefallen an dessen wildem Leben, und so dauerte es nicht lange, bis sie sich an den Viehdiebstählen und Postkutschenüberfällen ihres Mannes beteiligte.

1868 brachte sie ihre erste Tochter Pearl zur Welt.

1869 wurde ihr Mann wegen Mordes und Alkoholschmuggel gesucht und das junge Paar floh nach Kalifornien.

1871 gebar Belle ihren Sohn James Edwin, genannt Eddie.

Im gleichen Jahr wurde Jim Reed in Kalifornien des Handels mit Falschgeld angezeigt. Als dabei auch der 1869 verübte Mord zur Sprache kam, floh die Familie wieder zurück nach Texas. Dort bewohnten sie erneut eine Farm. Jim machte die Bekanntschaft von Cole Younger, einem Mitglied der berüchtigten James-Younger–Bande und musste wegen zweier neuerlicher Morde ins Indianergebiet fliehen.

In dieser Zeit kümmerte sich Cole um Belle. Nicht wenige Autoren und Historiker behaupten, dass Cole der Vater ihres dritten Kindes war.

Reed selber wurde 1874 von einem Bekannten erschossen, der auf das Kopfgeld scharf war, das man auf ihn ausgesetzt hatte.

1876 verlor Belle auch ihren Vater.

Aber sie war noch nie ein Kind von Traurigkeit.

Sie brachte ihre Kinder zur Schwiegermutter, lebte einige Monate mit Bruce Younger, einem Cousin von Cole zusammen und ließ sich danach mit dem 28-jährigen Cherokee und Banditen Sam Starr ein, den sie am 5. Juni 1880 schließlich heiratete.

Durch diese Heirat erhielt sie den Namen, unter dem sie auch heute noch berühmt ist, Belle Starr. Die beiden ließen sich im Indianerterritorium am Canadian River, nahe dem heutigen Ort Eufaula, in einer abgelegenen, schwer zugänglichen Hütte nieder, die rasch das Hauptquartier einer Bande von Viehdieben wurde, deren Kopf unumstritten Belle war.

Wenn sie sich nicht mit Gewalt durchsetzen konnte, sie rauchte, soff, fluchte und prügelte sich wie ein Maultiertreiber, versuchte sie es mit den Reizen einer Frau. Ihre drei Ehemänner und Dutzende zum Teil hörige Liebhaber zeugen noch heute von ihren Fähigkeiten auf diesem Gebiet.

1882 wurden sie und ihr Mann wegen Pferdediebstahl verhaftet und wanderten für neun Monate ins Gefängnis von Detroit. Danach hatte Belle kein Interesse mehr für ihren Mann und nahm sich den 23-jährigen Banditen Bluford Duck zum Liebhaber. Als auch dieser 1886 ins Gefängnis musste, wurde der Mörder John Middleton ihr neuer Begleiter. Danach heiratete die inzwischen vierzigjährige Belle Jim July Starr, einen siebzehn Jahre jüngeren Cherokee. Am 3. Februar 1889 wurde die bereits zu Lebzeiten legendäre Banditenkönigin auf dem Weg von Briartown zu ihrer Hütte erschossen.

Ihr Mörder wurde nie ermittelt.

***

Eine weitere Frau aus der eingangs erwähnten Spezies war ohne Zweifel auch Pearl Hart.

Die junge Dame gilt heute noch als die einzige Frau, von der man weiß, dass sie eine Postkutsche überfallen hat, wobei dieser Coup gleichzeitig der letzte Überfall auf eine Kutsche im Wilden Westen war.

Sie wurde um 1871 als Pearl Taylor in Lindsay im kanadischen Bundesstaat Ontario geboren. Ein genaueres Datum gibt es seltsamerweise nicht, obwohl seit mehreren Jahren die Erfassung von Sterbe- und Geburtsurkunden in den Gemeinden zur Regel geworden war. Pearls Aussagen zu Lebzeiten nach waren ihre Eltern sehr religiös, was offensichtlich der Hauptgrund war, warum sie bereits mit 16 Jahren an der Seite eines Spielers und Trunkenbolds von zu Hause fortlief, dessen Vornamen bis heute ebenfalls im Dunkeln liegt. In fast allen Berichten über Pearl wird er abweichend entweder mit Brett, Frederick, William oder Frank Hart angegeben.

Wir nennen ihn im nachfolgenden Teil Frederick.

Die beiden heirateten 1888 und zogen quer durch die Vereinigten Staaten. Da sich das Glück beim Kartenspiel in Grenzen hielt, war Pearls Leben an der Seite ihres Mannes alles andere als leicht. 1893 gingen beide nach Chikago zur Columbia-Ausstellung, wo Pearl rasch einen Job fand und regelmäßig Geld verdiente.

Da sie allmählich die Alkohol- und Rauschgifteskapaden ihres Mannes satthatte, trennte sie sich von ihm und zog nach Colorado. Dort angekommen stellte sie fest, dass sie schwanger war, worauf sie sich in den Schutz ihrer Familie nach Kanada zurückbegab. Nach der Geburt ihres Sohnes ließ sie ihn im Elternhaus zurück und ging 1895 nach Phoenix.

Frederick erfuhr von ihrem Aufenthaltsort und flehte sie an, zu ihm zurückzukommen. Pearl willigte ein, nachdem er ihr versprach, von nun an ein geregeltes Leben zu führen. Er wurde Hotelmanager, Pearl gebar ihr zweites Kind, eine Tochter und lebte in den folgenden Jahren glücklich an der Seite ihres Mannes.

Doch schon 1898 hatte Frederick genug vom Bürgertum, verließ Frau und Kinder und zog mit der US-Armee in den Spanisch-Amerikanischen Krieg.

Aber auch Pearl war inzwischen wieder ihrem unsteten Lebenswandel erlegen. Sie ließ ihre Kinder erneut bei den Eltern zurück und zog nach Arizona.

Dort arbeitete sie bis 1899 in einem Bergarbeiterlager als Köchin und Teilzeitprostituierte.

Dann erhielt sie die Nachricht, dass ihre Mutter schwer krank war und dringend Geld für ihre Medikamente benötigte. Zusammen mit dem Bergarbeiter Joe Boot, ihrem Liebhaber, überfiel sie die Globe-Postkutsche, die Passagiere von Florence nach Globe beförderte.

Das Paar erbeutete dabei 450 Dollar, wurde jedoch bereits einige Tage später vom Sicherheitsdienst der Globe-Postkutschenlinie aufgegriffen und verhaftet.

Zusammen mit einem Mann namens Ed Hogen gelang ihr eine Woche später der Ausbruch aus dem Gefängnis von Globe.

Diese Flucht und die anschließende Verfolgungsjagd festigten ihren Ruhm als Banditenkönigin. Aber Pearl konnte sich nicht lange in ihrem Ruhm sonnen, sondern landete bald wieder hinter Gittern. Sie wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, saß die Hälfte der Zeit ab und tingelte dann mit ihrer Schwester in dem selbst geschriebenen Theaterstück Banditenlady durch die Staaten. Die Eintrittsgelder hierzu erlaubten den Schwestern ein sorgloses Leben.

Pearl Harts Tod ist genauso geheimnisumwittert wie ihre Geburt. Auch hier gibt es keinen genauen Zeitpunkt. Manche behaupten, dass sie 1925 in Kansas City verstorben sei, anderen Berichten zufolge soll dies erst 1952 in San Francisco der Fall gewesen sein. In letzter Zeit allerdings werden immer mehr Meldungen laut, dass sie in der Nähe von Dripping Spring, Arizona, einen Rancher heiratete und unter dem Namen Pearl Bywater bis zu ihrem Tod im Jahr 1956 dort lebte.

***

Auch den anderen, der sogenannten Flintenweiber des Wilden Westens, war das Schicksal nicht gerade hold.

Calamity (Katastrophen) Jane starb mittellos durch Trunksucht. Pauline Cushman, die von einer Theaterschauspielerin zur Bürgerkriegsspionin wurde, entging nur durch Zufall dem Strick. Dafür nahmen ihr Krankheit und Hunger ihren Ehemann und ihre sieben Kinder. Sie starb im Alter von 58 Jahren in San Francisco an gebrochenem Herzen.

Adah Menken wurde nur 33.

Trotzdem sollte man sie nicht vergessen. Sie alle haben einen Anteil an der Geschichte des Wilden Westens. Deshalb diese Kolumne.

Euer Slaterman

Quellenhinweis:

Eine Antwort auf Slatermans Westernkurier 02/2015