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Die Gefangene der Goldräuber – Teil 4

Barrera betrat die Hütte. »Was willst du, Gringo?«

»Wir möchten für dich reiten«, antwortete Roseford.

Barrera lachte schallend.

»Ich habe ein gutes Geschäft für dich«, versuchte Roseford dem Mexikaner die Sache schmackhaft zu machen.

»Was sollte das schon sein?«, entgegnete Barrera.

»Gold«, flüsterte Roseford. »Sehr viel Gold.«

Im Barreras Augen blitzte es auf. Ein wildes Lächeln legte sich auf seinen Mund. Mit einem Kopfnicken forderte er Roseford auf, zu sprechen. Roseford erzählte ihm von Tucker. Als er die Folter schilderte, die sie ihrem Vater angetan hatten, stöhnte Jennifer gequält auf. Mit angezogenen Beinen saß sie auf der Pritsche und begann zu zittern. Unkontrolliert bewegten sich ihre Hände, die sie krampfhaft versuchte, unter Kontrolle zu bringen. Durch einen Tränenschleier sah sie, wie sich Barreras Kopf ihr zuwandte. Es war, als kralle sich etwas in ihrem Magen fest. Ihre Zähne knirschten, als sie sie fest zusammenpresste, um nicht aufzuschreien. Nach einer Ewigkeit, wie es ihr schien, drehte sich Barrera wieder zu Roseford. »Reiten wir zur Mine.«

»Dazu müssen wir erst nach Denver.«

»Sie wird uns zur Mine führen.«

Roseford schüttelte mitleidig den Kopf. »Sie wusste doch bis vor Kurzem von der Mine nichts. Bei einem Anwalt in Denver liegt der Lageplan. Sie ist ein richtiges Goldstück, denn an ihrem 21. Geburtstag erbt sie alles. In wenigen Tagen ist es soweit. Ich reite mit ihr nach Denver, um alles zu regeln.«

Barrera betrachtete ihn wie eine Schlange ihr Opfer, jederzeit bereit, zuzustoßen. Er wusste genau, dass er als Mexikaner schlechte Karten hatte. Der Anwalt würde sofort bemerken, dass etwas nicht stimmte. Bis alles geregelt war, brauchte er beide, Jennifer und Roseford. Und dann? Welche Chancen blieben Jennifer? Sollte sie es darauf ankommen lassen, irgendetwas in Denver zu wagen? Er würde sie gnadenlos erschießen, das war ihr bewusst. Doch ein schneller Tod war sicher erträglicher als das, was ihr später bevorstand. Die Bande würde sie nicht freilassen.

»Pass gut auf das Goldtäubchen auf. Wir reiten morgen.« Barreras Worte ließen keinen Widerspruch zu.

Jennifer starrte auf die Tür, die er zuknallte. Was hatte ihr Vater ihr nur angetan? Gold machte alle verrückt, brachte nur Tod und Gewalt mit sich. Wie sie es auch drehte und wendete, für sie sprang nichts Gutes dabei heraus.

***

Es war früher Vormittag, als sich Matt, Cole und die drei Wittlifs vor Denver trennten und in die Stadt ritten. Der erste Weg führte sie ins Anwaltsbüro.

»Gut, dass Sie da sind, Benbow, es gibt neue Arbeit. Wie sehen Sie denn aus?« Der korpulente Mann, dessen Hals fast so dick war wie sein Gesicht, schnaufte. »Guten Tag. Wie kann ich dem Gentleman helfen?« Damit meinte er Cole.

»Mr. Smith, es handelt sich um den Tucker-Auftrag …«

»Ja, ja«, unterbrach Smith seinen Angestellten. »Das ist erledigt. Miss Tucker war gerade hier. Was kann ich für Sie tun?« Er wandte sich an Cole.

»Es geht um Miss Tucker. Ich glaube, sie wurde entführt.«

Smith wedelte mit der Hand. »Dann wäre sie nicht hier gewesen.«

Es pochte an der Tür. Gleich darauf trat Dyson Wittlif ein.

Smith bekam große Augen, als Wittlif sich vorstellte, sein Abzeichen zeigte und ihm erklärte, um was es ging.

»War sie alleine?«, fragte Cole.

Eine Weile starrte Smith grübelnd vor sich hin. »Ich bin an meine Schweigepflicht gebunden«, sagte er und warf Wittlif einen scheuen Blick zu.

Als Cole seine Faust auf den Tisch knallte, zuckte Smith. »Ich pfeif auf Ihre Schweigepflicht. Es geht um das Leben der jungen Frau«, knurrte er.

»Ein bisschen schnell«, forderte Dyson. Auch wenn seine Stimme leise war, verlor sie nichts an Härte.

»Sie war in Begleitung eines Mannes.«

»Verdammte Scheiße«, entfuhr es Cole.

»Sie sah nicht gerade glücklich aus«, sprach Smith weiter.

»Ist Miss Tucker noch im Besitz der Rechte oder hat sie sie verkauft?«

»Sie hat ihre Rechte an diesen Mann verkauft, weil sie als Frau mit einer Mine nichts anfangen kann.«

»Wo liegt das Registerbüro?«

»Zwei Häuser weiter. Doch den Weg können Sie sich sparen. Ich zeige Ihnen, wo sich die Fundstelle befindet.« Auf einer riesigen Landkarte an der Wand zeigte Smith den Weg zu der Stelle, an der Tucker den Goldfund seines Lebens gemacht hatte.

»Wie lange sind sie weg?«, fragte Wittlif.

»Sie sind vor einer Stunde gegangen.«

»Verdammte Scheiße, wir haben sie knapp verpasst«, knurrte Matt.

»Benbow!« Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, hätte Smiths erboste Stimme Cole zum Grinsen veranlasst. »Benbow«, wiederholte Smith. »Ich habe eine neue Aufgabe für Sie.«

Matt schüttelte den Kopf. »Der Tucker-Auftrag ist noch nicht erledigt.«

»Natürlich.« Smith wiegte seinen massigen Schädel. »Legen Sie endlich diese Kleidung ab und machen Sie sich an die Arbeit.« Er wedelte mit den Händen.

»Zuerst der Tucker-Auftrag.« Bei den letzten Worten war Matt bereits an der Tür und drückte sie auf. Dyson und Cole nickten Smith zu und folgten ihm. Für einen Anwaltsgehilfen fluchte Matt gewaltig. »Wir müssen sofort zur Mine …«

»… und reiten den Bastarden direkt in die Arme«, setzte Dyson den Satz fort. »Nur die Nerven bewahren.« Matt wollte aufgebracht etwas erwidern, doch ein Blick in Dysons dunkle Augen ließ ihn verstummen.

Am nordwestlichen Stadtrand trafen sie auf Basel und Larry, wie es abgesprochen war.

»Zwei Mex ritten auf diesem Weg in Richtung Berge«, erzählte Basel. »Sie taten so unauffällig, dass es auffällig war.«

Cole hegte berechtigte Zweifel, ob die Besagten wirklich zu Barreras Bande gehörten, hütete sich jedoch, dies laut zu denken. Basel und Larry hatten schon gute Vorarbeit geleistet, was die Spuren der beiden Mex anbelangte. Bei einer Baumgruppe nahe der Stadt, wohin sie die Spur verfolgten, stießen sie auf ein Lager, wie mehrere Pferdehufe und Fußspuren verrieten.

»Sechs Reiter haben hier gelagert«, sagte Basel. »Vier kamen aus der Stadt, jeweils zu zweit.«

»Könnten die Spuren der Frau und ihres Begleiters dabei sein.« Dyson betrachtete die Fährten. »Sie sind alle in die Berge geritten.«

Wieder einmal bewunderte Cole die Fähigkeit der Wittlifs. Sie folgten den Spuren. Je weiter sie in die Berge vordrangen, desto vorsichtiger wurden sie. Irgendwann verließen sie die Fährte und ritten in einem Bogen in Richtung der Mine anhand der Skizze, die Dyson im Anwaltsbüro gefertigt hatte.

»Hier lagern wir.« Dyson hatte den Platz gut gewählt. Eine Gruppe Kiefern und mehrere große Felsblöcke boten Sichtschutz.

Deutlich war am Horizont die Felsnadel sichtbar, die die Lage der Mine kennzeichnete, sicher noch an die zwei Meilen entfernt.

»Wir können nicht einfach lagern, während sich die Frau in den Händen der Banditen befindet.« Matt machte keine Anstalten abzusteigen. Er war sichtlich zornig.

»Wir lagern. Im Morgengrauen sehen sich Basel und Larry um.« Dem Blick von Dyson hielt Matt nicht stand. Er drehte sich weg. Seine Ungeduld war besorgniserregend. Cole würde einen Blick auf ihn haben, bevor er in seiner Unachtsamkeit etwas Dummes tat, das alles gefährdete. Sie sattelten ab und machten es sich so gemütlich wie möglich. Feuer zu entfachen war zu gefährlich. Ihre Mahlzeit bestand aus kaltem Rauchfleisch, hartem Maisbrot und Wasser. Was hätte Cole für heißen, starken Kaffee gegeben. Gespräche kamen nur stockend in Gang, zu schweigsam waren die Wittlifs. Obwohl sie entspannt wirkten, war sich Cole sicher, dass sie alles um sich herum registrierten. Leise schnaubten die Pferde, die zwischen den Bäumen angeleint waren. Als die Dunkelheit hereinbrach, rollten sie ihre Satteldecken aus. Matt war der Erste, der in den Schlaf fiel, wie seine regelmäßigen Atemzüge zeigten. An das Leben draußen war er nicht mehr gewöhnt, zu lange war es her, dass er von morgens bis abends auf dem Pferd gesessen hatte. Es war angenehmer, regelmäßig in einem Bett unter einem Dach zu schlafen als unter freiem Himmel. Falls er vorgehabt hatte, etwas auf eigene Faust zu unternehmen, machte ihm der Schlaf des Gerechten einen Strich durch die Rechnung.

Ohne Übergang glitt Cole aus tiefem Schlaf ins Wachsein. Sekundenlang lag er still da und nahm die Geräusche der Umgebung in sich auf. Dann entspannte er sich. Basel und Larry machten sich auf den Weg. Noch war es tiefe Nacht, doch bald würde das erste Licht des Morgengrauens schimmern. Dyson war ebenfalls erwacht, wie Cole an dessen Atemzug feststellte. Nur Matt bekam von alledem nichts mit. Er war der Letzte, der sich morgens schlaftrunken erhob. Als er die Abwesenheit von Basel und Larry registrierte und Dysons Bedächtigkeit, als hätte er alle Zeit der Welt, rastete er aus.

»Ihr wollt Männer des Gesetzes sein und lasst eine Frau im Stich!« Zorngerötet klatschte Matt seinen Hut gegen eine Kiefer, als würde diese Reaktion etwas ändern. »Euch interessiert doch nur das Kopfgeld, das auf Barrera ausgesetzt ist, alles andere lässt euch kalt.« Er beugte sich leicht nach vorne, seine rechte Hand nahe dem Revolver.

Cole riss ihn am Arm zurück. »Reiß dich zusammen, verdammt noch mal. Du Idiot, sollen wir den Bastarden in die Arme reiten? Wir wissen nicht mal, wie groß Barreras Bande ist.«

Matt hätte gegen Dyson nicht die geringste Chance. Dyson schlug seinen Mantel zurück, sodass er seinen Revolver gut ziehen konnte. Seine Hand schwebte ebenfalls nahe der Waffe. »Du solltest auf deinen Freund hören, ist gesünder für dich«, murmelte er.

War Matt zuerst drauf und dran gewesen, sich auf Dyson zu stürzen, spürte Cole, wie er sich allmählich entspannte. Anscheinend arbeiteten seine Gehirnzellen wieder normal. Dass die Wittlifs nicht nur aus reiner Freundlichkeit der Menschheit gegenüber Banditen jagten, war Cole klar. Wahrscheinlich hatten sie auf ihren Fährten einiges an Barmherzigkeit eingebüßt. Doch nicht umsonst waren sie die Besten ihrer Gilde. Das wurde man nicht, wenn man allzu viel Mitgefühl und Erbarmen zeigte.

Sie verließen das Lager, Dyson an der Spitze, Cole am Schluss, um Matt im Auge zu behalten.

***

Wie es weitergeht, erfahrt ihr in der nächsten Woche …