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Werktreue

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Schon meine Mutter pflegte zu sagen:  Schau dir erst den Film an und dann das Buch, auf dem er basiert – sonst bist du enttäuscht!

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil; unter der irrigen Annahme, dem Leser etwas anderes vorsetzen zu müssen, als er aus dem Buch kennt, weicht man in wichtigen Punkten von der vorgegebenen Handlung ab.

Ich persönlich finde das zum Kotzen!

Wenn ich eine Verfilmung sehe, dann möchte ich keine andere als die mir bekannte Handlung. Ich möchte die Handlung so, wie ich sie aus dem Buch kenne, schick in Szene gesetzt, mit Darstellern, die zu den beschriebenen Figuren passen.

Selten nur bekomme ich es.

Meine Allzeit-Enttäuschung ist die Verfilmung von Stephen Kings Novelle „Im Nebel“. Diese endet im Buch damit, dass die Protagonisten vor den Kreaturen fliehen, und dies durch einen Nebel, der sich zieht und zieht. Sie glauben jedoch, eine Stimme im Radio gehört zu haben, sodass ihnen Hoffnung bleibt.

Dieses Ende ist beklemmend und lässt den Leser mit unzähligen Gedanken zurück.

Im Film endet die Story, indem der Protagonist seine Familie tötet, sich selbst aber nicht erschießen kann, da ihm die Kugeln ausgehen. Kurz nach der Tat findet das Militär den Wagen mit ihm und den Toten, das Grauen wird beseitigt.

Was bitte ist das für ein dämliches Ende?

Als ich den Film verließ, was ich maßlos enttäuscht. Wobei diese Enttäuschung schon während des Films begonnen hatte, denn ein im Buch als weißer Südstaatler beschriebener Nebencharakter wurde – vermutlich politisch korrekt, damit auch ein Schwarzer in einer wichtigen Rolle ist – von einem schwarzen Schauspieler verkörpert. Das wäre im Grunde nicht schlimm, wenn das Buch gerade bei diesem Charakter nicht auf besondere Weise den WASP-Charakter betont hätte.

Tatsächlich wäre es deutlich weniger störend gewesen, den Protagonisten von einem Schwarzen spielen zu lassen.

Nur – ein Schwarzer, der am Ende das Kind erschießt, obwohl die Handlung nicht der Vorlage entspricht? Ich möchte lieber nicht wissen, was die NAACP dazu gesagt hätte.

Doch Im Nebel ist nicht der einzige Fall. Harry Potter 3 wurde derart gekürzt, dass man den Sinn der Handlung nur versteht, wenn man auch das Buch kennt. Sicher, Kürzungen sind unvermeidlich. Aber doch nicht derart sinnentstellend!

Und dann gibt es da noch den Hobbit!

Aus einem zweiteiligen Buch wurden am Ende drei lange Filme – weil man eben Handlung erfand, Personen einbrachte, die da nichts verloren haben und Dinge mixten, die nicht gemixt werden sollten. Ich kenne inzwischen alle drei Teile und winde mich noch immer ob dieser Aufblähung, Verfälschung und Anbiederung an das Publikum.

Ist es wirklich so schwer, ein Buch getreu seines Inhalts zu verfilmen?

Bin ich am Ende der Einzige, der keinen anderen Schluss möchte, damit die Spannung erhalten bleibt? Der auf Änderungen und Hinzufügungen verzichten kann?

Verlange ich wirklich zu viel vom Leben?

Ich merke jedenfalls mehr und mehr, dass ich bei Buchumsetzungen künftig warte, bis die Filme nach ein, zwei Jahren in meinem Flatrate-VoD-Angebot auftauchen. Sie sind einfach nicht wert, dass ich Geld ins Kino trage.

Wenn ich eine Enttäuschung brauche, kann ich mir auch eine Debatte des Bundestages anschauen. Das kostet mich wenigstens kein Geld!

(ga)

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