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Das Geheimnis zweier Ozeane 05

Die Reiseroute wird geändert

Das U-Boot gehörte zur Kriegsmarine. Die Feinde der Sowjetunion hatten wiederholt versucht, in den Besitz der Konstruktionszeichnungen dieses geheimnisvollen Schiffes zu gelangen. In der Nähe der Werft, auf der es gebaut wurde, trieben sich Tag und Nacht Spione herum; zwei leitende Mitarbeiter der Werft, in deren Wohnungen man wichtige Unterlagen vermutete, fielen einem Mordanschlag zum Opfer. Einige Spione wurden verhaftet und bestraft. Aber das wirkte keineswegs abschreckend; je näher der Zeitpunkt der Fertigstellung heranrückte, desto hartnäckiger versuchten die Beauftragten des Feindes, ihr Ziel zu erreichen.

Jedoch blieb alles vergeblich. Der Bau des U-Bootes wurde unter der Leitung seines Konstrukteurs Michail Krepin erfolgreich beendet. Der Stapellauf, die Bewaffnung mit neuen, ganz ungewöhnlichen Angriffs- und Abwehrwaffen, die Probefahrten in der Ostsee und das Auslaufen des U-Bootes zu seiner ersten Seereise, deren Ziel Wladiwostok war, wurden streng eingehalten.

Gerade dort drohte für die nächste Zeit, wie alle Informationen eindeutig besagten, eine verhängnisvolle Zuspitzung der politischen Lage. Der alte Feind, der hartnäckig und unablässig die Beherrschung des asiatischen Kontinents anstrebte, bezog nach wie vor das sowjetische Primorje-Gebiet in seine aggressiven Pläne ein. Dieses blühende Land hätte er nur zu gern besetzt. Die Clique um den Kaiser und die militärischen Kreise bereiteten einen Krieg gegen die Sowjetunion vor, wobei sie auf die Hilfe des Westens hofften. Sie kannten die ganze Gefahr, das ganze Risiko ihres neuen Abenteuers, aber die Gier nach weiteren Eroberungen, die Angst vor den politischen Spannungen im eigenen Lande und der blinde Hass gegen die UdSSR ließen sie selbst vor einem Krieg nicht zurückschrecken, dessen Ausgang für sie unsicher war.

Voller Ruhe, aber wachsam beobachteten Partei und Regierung der Sowjetunion ihren Nachbarn. Sie wussten, dass am 24. August, dem Geburtstag des Kaisers, Beschlüsse zu erwarten waren, von denen das Schicksal vieler Millionen Menschen abhing.

Am Vorabend dieses entscheidenden Tages, dem 23. August, sollte das U-Boot Pionier in den fernöstlichen Küstengewässern der Sowjetunion erscheinen. Das unerwartete Auftauchen eines mit neuen Waffen ausgerüsteten U-Bootes sollte in letzter Stunde dem kaiserlichen Generalstab einen Strich durch die Rechnung machen und zur Ernüchterung der Säbelrassler führen.

Diese in der Geschichte der Seefahrt erste Durchquerung bisher unzugänglicher Tiefen des Weltmeeres sollte auch eine einzigartige Gelegenheit sein, die wichtigsten physikalischen, chemischen und biologischen Probleme des Meeres zu erforschen. Die Sowjetwissenschaft stand vor der interessanten Aufgabe, Geheimnisse der Tiefsee zu entschleiern, die zum Zankapfel unter den Gelehrten der ganzen Welt geworden waren. Zu diesem Zweck nahm an der Fahrt des U-Bootes eine von dem bekannten sowjetischen Zoologen Arsen Lordkipanidse geleitete Gruppe von Wissenschaftlern teil. Sie sollte auf der ganzen Reiseroute – Ostsee, Atlantik bis zur Straße von Gibraltar, Mittelländisches Meer, Suezkanal, Indischer Ozean, Ostchinesisches Meer, Japanisches Meer – die unteren Regionen der Meeresströmungen, die Fauna und Flora der Tiefsee, die Gestalt und Beschaffenheit des Meeresbodens, die physikalischen und chemischen Prozesse in bisher unbekannten Meeresgebieten und anderes mehr erforschen.

Das U-Boot hielt sich während seiner ganzen Fahrt in Tiefen von etwa zweihundert Metern und vermied es, aufzutauchen. Das Unternehmen musste für die ganze Welt ein Geheimnis bleiben, ein Geheimnis, das von den Tiefen des Ozeans sorgsam gewahrt werden sollte. So lauteten die Instruktionen des Flottenkommandos, an die sich Kapitän Woronzow strikt zu halten hatte. Von diesen Instruktionen abzuweichen, war ihm nur im äußersten Falle gestattet.

Als das U-Boot den SOS-Ruf der sinkenden Diogenes aufgefangen hatte, war es sofort an den Ort der Katastrophe geeilt, wo es gleichzeitig mit den anderen Schiffen eintraf. In einer Tiefe von zweihundert Metern nahm das U-Boot alle Funksprüche zwischen der Diogenes und den Rettungsschiffen auf und verfolgte dann das sinkende Schiff noch bis zu einer Tiefe von einem Kilometer.

Noch bevor die Namen der Geretteten festgestellt wurden, wusste die U-Boot-Besatzung, dass zwei Menschen, ein Matrose und eine Frau, beim Zusammenstoß mit dem Eisberg ins Meer gestürzt und ertrunken waren. Ihre leblosen Körper, die langsam in die Tiefe sanken, sah man vom U-Boot aus, als es unter der Diogenes manövrierte. Aber den dritten Vermissten, den sowjetischen Jungen Pawel Bunjak, hatte man trotz aller Bemühungen nicht finden können. Nachdem die Diogenes in den Wellen versunken war, durchkreuzte ein ferngelenkter Infrarot-Aufklärer des U-Bootes noch lange die Meerestiefen, aber der Junge konnte nicht entdeckt werden. Der Taucherälteste, Andrej Skworeschnja, meldete dem U-Boot-Kommandanten Woronzow, er sei fest davon überzeugt, dass sich der junge tot oder lebendig höchstwahrscheinlich noch auf einem der großen Trümmerstücke befände, die an der Untergangsstelle trieben. Dieser Meinung schlossen sich Professor Lordkipanidse, Oberleutnant Bogrow und der Funker Pletnjow an.

War das Schicksal des sowjetischen Jungen einer dieser »äußersten Fälle« im Sinne der Instruktion des Flottenkommandos?

Nach kurzem Zögern hatte der Kapitän, auf dem die ganze Verantwortung für das kostbare Schiff lag, einen Entschluss gefasst, den ihm sein Herz diktierte. Aber bevor er den Befehl zum Auftauchen gab, traf Kapitän Woronzow alle Vorkehrungen für die Sicherheit des U-Bootes. Der Infrarot-Aufklärer wurde wieder ausgesandt und begann seine Kreise zu ziehen. In spiralförmigem Fluge verließ er das Wasser. Auf dem Bildschirm im Steuerraum des U-Bootes erschienen in rascher Folge alle Gegenstände im Bereich der Flugbahn des Aufklärers: Trümmer der Schiffskatastrophe, Fische, Tange und sogar durchsichtige Quallen. Alles deutete darauf hin, dass auf der Meeresoberfläche und am Himmel keine Spur von Menschen war. Erst dann tauchte die Pionier ganz auf.

Nach der Rettung des Jungen verschwand das U-Boot in der ruhigen, sicheren Tiefe und nahm seinen alten Kurs wieder auf. In der Lazarettkammer beugte sich der Zoologe und Schiffsarzt Lordkipanidse über den bewusstlosen Pawlik.

Pawlik hatte Glück, dass der Oberfunker Pletnjow einen verschlüsselten Funkspruch aus Leningrad erst eine Stunde nach seiner Rettung empfing. Diese Stunde entschied über das Schicksal des Jungen.

Der Funkspruch war vom Flottenkommando und enthielt außerordentlich wichtige Anweisungen. Der Zentralstelle der Staatlichen Sicherheit war bekannt geworden, dass ein ausländischer Staat auf unerklärliche Weise die Fahrtroute des U-Bootes Pionier erfahren hatte. Geheimagenten sollten das U-Boot während seines Aufenthaltes in der Straße von Gibraltar oder an einer anderen passenden Stelle vernichten. Deshalb befahl das Flottenkommando dem Kapitän, weder die Straße von Gibraltar noch den Indischen Ozean zu durchqueren, sondern Kap Hoorn zu umschiffen und Wladiwostok auf dem Wege durch den Stillen Ozean anzusteuern. Ferner erhielt Kapitän Woronzow die strikte Anweisung, die Fahrt in großer Tiefe fortzusetzen. Diese Änderung des Seeweges erforderte auch eine Umdisponierung in den Plänen der wissenschaftlichen Expedition. Das Flottenkommando wies darauf hin, dass der ursprüngliche Ankunftstermin in Wladiwostok, der 23. August, in jedem Fall eingehalten werden musste.

Hätte Kapitän Woronzow diesen Funkspruch etwas früher erhalten, würde er zweifellos die Untergangsstelle der Diogenes, an der sich so viele Schiffe versammelt hatten und der geringste Zufall die Anwesenheit der Pionier hätte verraten können, sofort verlassen haben. In diesem Fall wäre Pawliks Schicksal besiegelt gewesen.

Der U-Boot-Kommandant stand im Gang und las den entschlüsselten Funkspruch aufmerksam durch. Der Funker Pletnjow, ein kleiner hagerer Mann, stand vor ihm. An der linken Hand fehlten ihm zwei Finger – die Erinnerung an eine Polarstation auf einer der fernen Inseln der sowjetischen Arktis, wo er eine dramatische Begegnung mit einer Bärenmutter und ihren zwei Jungen gehabt hatte.

Der Funker wartete geduldig auf die Befehle des Kapitäns. Die dunkelrote Wandtäfelung des Ganges glänzte matt im Schein der elektrischen Leuchten. Aus einigen runden, von Schutzgittern umgebenen Luken drang das schwache, surrende Geräusch der Schiffsmaschinen.

Schließlich sagte der Kapitän: »Rufen Sie sofort die Offiziere zu mir, auch den Chef der wissenschaftlichen Expedition. Sie erscheinen natürlich auch.«

Ein paar Minuten später waren in der Kajüte des Kapitäns versammelt: der Erste Offizier Oberleutnant Bogrow, der Elektroingenieur Kornejew, der Chefakustiker Leutnant Tschishow, Professor Lordkipanidse, Kommissar Sjomin, der Taucherälteste Skworeschnja und der Bordfunker Pletnjow.

Die Kajüte des Kapitäns wurde durch einen Vorhang in zwei Räume geteilt, der kleinere diente als Schlafraum. In der Mitte des anderen Teiles stand ein großer Schreibtisch. Auf einem kleinen Tisch in einer Ecke befanden sich einige Navigationsgeräte, die automatisch dasselbe anzeigten wie die Geräte im Steuerraum. In einer anderen Ecke stand ein mit Büchern vollgepfropfter Schrank. An den Wänden hingen große Reliefkarten vom Meeresboden des Atlantischen, Stillen und Indischen Ozeans. Kleinere Karten zeigten Querschnitte der Ozeane und enthielten grafische Darstellungen von Stellen mit gleicher Temperatur, gleichem Salzgehalt und gleicher Dichte. Sie zeigten ferner die horizontalen und vertikalen Meeresströmungen sowie die großräumigen Luftströmungen.

Alle Anwesenden hatten bereits am Tisch Platz genommen. Der Kapitän sah jedoch immer wieder ungeduldig zur Tür.

»Wo bleibt nur Gorelow?«, fragte er schließlich den Funker. »Er wollte sofort kommen.«

In diesem Augenblick wurde die Tür zurückgeschoben, und der Maschineningenieur Gorelow, ein hochgewachsener, knochiger Mann mit hängenden Schultern, betrat die Kajüte.

Sein großer Schädel und das längliche Gesicht mit den eingefallenen Wangen waren glatt rasiert. Dadurch traten die Backenknochen und der kantige Unterkiefer noch mehr hervor. Unter dichten Brauen glänzten tief in den Augenhöhlen liegende schwarze Augen.

»Ich bitte um Entschuldigung, Nikolai Borissowitsch«, sagte er, während er zu einem freien Stuhl an der Wand ging. »Man hat mich unterwegs aufgehalten.«

Der Kapitän nickte.

»Es handelt sich um Folgendes«, begann er. Ich habe gerade einen Befehl des Flottenkommandos erhalten. Unsere Route wird geändert. Die Straße von Gibraltar passieren wir nicht.«

Alle blickten erstaunt auf den Kapitän.

»Wir fahren nicht durchs Mittelländische Meer?«, fragte der Zoologe.

»Wie?«, fragte auch Gorelow verblüfft. Aber im nächsten Augenblick betrachtete er schon wieder gleichgültig seine Fingernägel.

»Sie wollten etwas sagen, Fjodor Michailowitsch?« wandte sich der Kapitän an ihn.

»Nichts Besonderes, Nikolai Borissowitsch … ich war nur im ersten Moment etwas erstaunt.«

»Das ist verständlich«, bemerkte der Kapitän und fuhr fort: »Es geht jedoch nicht allein um die Änderung der Route. Der Befehl verlangt noch einmal die äußerste Geheimhaltung unseres Unternehmens. Deshalb muss ich darauf hinweisen, dass das U-Boot keinen Hafen anlaufen und auch jede Begegnung mit fremden Schiffen vermeiden wird. Wir dürfen uns weder der Küste nähern noch auftauchen. Das U-Boot wird die ganze Zeit in voller Gefechtsbereitschaft sein. Ich untersage deshalb strengstens alles, was zu unserer Entdeckung führen könnte. Wir fahren die ganze Zeit über in einer Tiefe von mindestens dreihundert Metern. Nachts ist es verboten, die Scheinwerfer zu benutzen oder Buhlaugenklappen zu öffnen.«

»Und die wissenschaftliche Arbeit?«, fragte der Zoologe beunruhigt.

»Ihre Forschungen brauchen nicht darunter zu leiden, Arsen Dawidowitsch. Im Gegenteil, wenn Sie wollen, kann die Zahl der Tiefseestationen vergrößert werden. Sie können dann auch den äquatorialen und südlichen Teil des Atlantiks, einen Teil der Antarktis und die südlichen sowie die tropischen Gewässer des Stillen Ozeans erforschen. Die Straße von Gibraltar und der Golf von Guinea fallen natürlich fort.«

»Wir fahren also jetzt durch die Magalhãesstraße?«, fragte Gorelow langsam.

»Möglich«, antwortete der Kapitän, »wir können auch Afrika umschiffen. Ein geringer Unterschied in der Entfernung spielt keine Rolle.«

Der Zoologe strich sich über den Bart.

»Schade«, sagte er, »denn der Gebirgszug auf dem Meeresboden der Straße von Gibraltar und die beiden Gegenströmungen in dieser Meerenge, von denen die obere aus dem Atlantischen Ozean kommt, die untere aus dem Mittelländischen Meer, sind sehr wichtige Punkte unseres ozeanografischen Forschungsprogramms. Doch hoffe ich, noch entschädigt zu werden. Ich werde sofort den neuen Arbeitsplan aufstellen, Nikolai Borissowitsch. Sie müssen mir aber vorher die neue Fahrtroute mitteilen.«

Der Zoologe zog sein Notizbuch aus der Tasche.

»Die erfahren Sie noch von mir, Arsen Dawidowitsch«, antwortete nach einigem Überlegen der Kapitän.

»Gut«, sagte der Zoologe, aber gleich darauf fragte er ängstlich: »Unser erster Aufenthalt im Sargassomeer bleibt doch im Programm?«

Die Anwesenden lachten.

»Aber natürlich!« Der Kapitän schmunzelte. »Das Sargassomeer besuchen wir bestimmt!«

Alle wussten, mit welcher Ungeduld der eifrige Zoologe die Ankunft in dieser eigenartigen, noch wenig erforschten See mit ihrem fast noch unbekannten Tierleben erwartete. Schon seit Beginn der Reise träumte der Zoologe von den klaren Gewässern des Sargassomeers; er erhoffte sich dort eine besonders reiche Ausbeute an wissenschaftlichem Material.

»Wunderbar!«, rief der Gelehrte erfreut aus. »Wann sind wir denn dort, Nikolai Borissowitsch?«

»In zehn Stunden etwa. An Ort und Stelle müssen wir noch einen passenden Ausgangspunkt für Ihre Arbeit in verschiedenen Tiefen suchen, etwa eine unterseeische Hochfläche oder eine einzelne Bodenerhebung. Das ist in dem Sargassomeer nicht so einfach, da es ungeheuer tief ist, an manchen Stellen mehr als sechstausend Meter … So, damit beenden wir unsere Sitzung, Genossen.«

»In jedem Fall werden wir bereits morgen mit der Arbeit beginnen können«, sagte der Professor Lordkipanidse zufrieden und verließ mit den anderen die Kajüte des Kapitäns.

Um Mitternacht befand sich das U-Boot bereits im Sargassomeer. Es fuhr jetzt mit voller Geschwindigkeit. Die Ultraschall-Bildwerfer projizierten in rascher Folge auf den Bildschirm im Steuerraum alles, was in Fahrtrichtung bis zu einer Entfernung von zwanzig Kilometern auftauchte. Außerdem durchpflügten an beiden Seiten des U-Bootes Infrarot-Aufklärer die Tiefe nach allen Richtungen und sandten ihre Meldungen ebenfalls auf den Bildschirm.

Das Sargassomeer ist sehr tief, und eine passende Stelle für unterseeische Forschungsarbeiten zu finden, war sehr schwierig. Der Kapitän und der Zoologe hatten nur wenig Hoffnung, eine größere Bodenerhebung auf dem Meeresgrunde zu ent- decken.

Im Steuerraum des U-Bootes hatte am folgenden Morgen Leutnant Krawzow Dienst. Er stand vor dem Steuerpult und schaute auf den Bildschirm, auf dem die Umrisse großer und kleiner Fische und der zahlreich treibenden Tange zu erkennen waren.

Der Leutnant sah immer wie aus dem Ei gepellt aus. So auch heute. Die vergoldeten Knöpfe seiner weißen Uniform und die »Krabbe« an seiner Mütze glänzten; Manschetten und Kragen waren blendend weiß. Die Wäscherei an Bord des U-Bootes, mit modernsten Waschmaschinen ausgestattet, arbeitete vorzüglich, aber den Leutnant befriedigte sie offenbar nicht ganz. Er polierte eigenhändig seine Manschetten und Kragen noch auf Hochglanz.

Der junge Offizier schaute vom Bildschirm auf die Messgeräte der Signalvorrichtung neben dem Steuerpult. In der gläsernen Verkleidung eines Gerätes spiegelte sich für einen Augenblick ein glatt rasiertes breites Gesicht mit der kleinen Nase, dem schwarzen Backenbart und den lustigen braunen Augen unter dünnen Brauen.

Die zahlreichen Messgeräte zeigten an, dass alle Maschinen und Apparate des U-Bootes zufriedenstellend arbeiteten. Es ging auf Mittag zu, und die Nadel des Entfernungsmessers hatte auf der Karte schon fast das ganze Sargassomeer von Nord bis nach Süd punktiert.

In einer Ecke, neben einem Gewirr von Kabeln, die an dem Steuerpult zusammenliefen, arbeitete Marat Bronstein. Er untersuchte aufmerksam ein Verbindungskabel, das zum Gefechtsstand am Heck, in dem die Ultraschallkanone stand, führte. Die Verbindung klappte schlecht, und der Akustiker Ptizyn, der die Kanone bediente, forderte eine sofortige Beseitigung des Defekts. Marat mühte sich schon eine ganze Stunde ab. Der Elektroingenieur Kornejew rief ihn dauernd an und gab ihm schließlich einen Verweis:

»Klappt es immer noch nicht, Genosse Bronstein? Eine solche Kleinigkeit … Ich gebe Ihnen noch fünfzehn Minuten Zeit. Wenn Sie es bis dahin nicht geschafft haben, sehe ich mich gezwungen, Sie durch Kramer ablösen zu lassen!«

Marat schämte sich. Er klemmte sich eine Lupe ins Auge und begann von Neuem, das Kabel zu untersuchen. Da, kaum einen Meter von der Einführung entfernt … Nein, das war zu viel! Das war unverzeihlich! Marat schlug sich wütend mit der flachen Hand gegen die Stirn und schimpfte sich einen Dummkopf. Die Isolierung des Kabels war an einer winzigen Stelle beschädigt, sodass es hier die benachbarten metallenen Geräte berührte.

»Was ist los, Marat?«, fragte der Leutnant.

»Ich hab’s gefunden!«, rief der junge Elektriker zufrieden.

Nach zwei Minuten war alles wieder in Ordnung. Ptizyn war besänftigt. Marat rief sofort Kornejew an und meldete ihm die Beseitigung des Kabelschadens.

»Sehr gut«, hörte man Kornejews Stimme. »Essen Sie jetzt aber erst Mittag, sonst wird es zu spät.«

Marat wollte gerade gehen, als der Leutnant leise durch die Zähne pfiff. Marat schaute auf den Bildschirm. Vor dem U-Boot jagte in südlicher Richtung der riesige Schatten eines Wales dahin. Seine breite Schwanzflosse peitschte mit unvorstellbarer Kraft die Wellen. Aus dem breiten Rücken ragte eine dicke Harpune, von der eine straff gespannte Leine zur Meeresoberfläche führte. Unmittelbar hinter dem Wal zeigte der Bildschirm einen kleinen Dampfer, aus dessen Schornstein dicke Rauchwolken qualmten. Das Schiff war in einem kläglichen Zustand. Es jagte in der gleichen Richtung wie der Wal dahin. Der Bug stand unter Wasser, das Heck ragte nach oben; auf dem Deck liefen Menschen durcheinander, sie hielten Beile in der Hand. Offenbar wollten sie auf die Back gelangen. Manchmal hob sich der Bug hoch über die Wellen, sodass von der Back das Wasser in breiten Strömen herunterflutete. Dann konnte man für kurze Zeit die Harpunenkanone und die straff gespannte Leine am Vordersteven sehen. Aber im nächsten Augenblick senkte sich der Bug mit der Kanone wieder ins Wasser, und das Schiff sauste mit hocherhobenem Heck hinter dem Wal her.

»Da kann man ja den Verstand verlieren!«, rief der verblüffte Marat. »Was ist denn da los?«

»Worum handelt es sich?«, fragte der Zoologe, der gerade an der halb geöffneten Tür vorbeiging. »Darf man eintreten?«

»Bitte, bitte sehr«, sagte der Leutnant schnell. »Ein interessantes Schauspiel.«

»Donnerwetter!«, rief Lordkipanidse nach einem kurzen Blick auf den Bildschirm. »Tatsächlich ein seltenes Ereignis: Ein Wal zieht einen Walfänger hinter sich her. Teufel noch mal!«

Der Wal schnellte plötzlich nach oben, um gleich darauf mit scheinbar doppelter Kraft noch tiefer zu tauchen. Das Schiff bäumte sich zuerst auf, tauchte dann aber sofort so tief mit dem Bug ins Wasser, dass eine hohe Welle fast das halbe Deck bis zur Kommandobrücke überschwemmte und alles mit sich wegspülte.

Das Heck ragte so hoch in die Luft, dass man auf dem Bildschirm die sich rasend drehende Schraube sehen konnte.

Ein Mann der Besatzung war ins Meer gespült worden, andere rollten über das schiefe Deck und versuchten, sich festzuklammern.

»Die Maschinen des Schiffes laufen auf vollem Rückwärtsgang«, sagte der Leutnant, »aber dem Wal macht das gar nichts aus. Unvorstellbar! Der Walfänger ist ein ganz modernes Schiff von mindestens dreihundert Bruttoregistertonnen. Seine Maschinen haben eine Leistung von etwa tausend PS.«

»Aber sie gehen unter!«, rief Marat. »Sie gehen unter, Genosse Leutnant! Können wir ihnen denn nicht zu Hilfe kommen?«

»Der Kapitän wird gleich hier sein«, antwortete der Leutnant. »Ich habe ihm Meldung erstattet. Ich selbst darf nichts …«

»Nun, was gibt’s?«, unterbrach ihn die Stimme des Kapitäns. »Ach so! … Ich verstehe. Der Walfänger ist in großer Gefahr … hm       Schade … Die Sache kann für ihn schlimm ausgehen. Sie können nicht einmal die Leine kappen.«

Der Kapitän schaute unverwandt auf den Bildschirm. Aus dem Schornstein des dem Untergang geweihten Schiffes qualmten plötzlich dicke Rauchwolken. Der Wind verwehte sie sofort. Das Schiff schien einen Satz nach vorn zu machen und jagte dann mit noch größerer Geschwindigkeit über die Wellen.

»Das Wasser hat die Kesselfeuerung überflutet!«, rief der Leutnant erregt. »Jetzt sind sie völlig hilflos.«

In dem Kapitän ging eine Wandlung vor sich. Seine Augen blitzten. »Zur Bugkanone! Den Chefakustiker benachrichtigen!« befahl er.

Der Leutnant drückte auf den Fernsprechknopf neben einem ovalen Bildschirm von silbrig blauer Farbe. Dieser leuchtete rötlich auf, und auf seiner Fläche erschien eine gewölbte Kammer, in der sich verschiedenartige Apparate, Spulen und riesige gläserne Messgeräte zwischen einem Gewirr von Kabeln befanden. Inmitten dieses scheinbar chaotischen Durcheinanders saß in einem hohen Drehsessel vor einer Schalttafel mit dem Bildschirm eines Fernsehapparates ein rotwangiger dicker Mann, der Chefakustiker Tschishow.

Der Kapitän gab ein kurzes Kommando:

»Ziel: organisch1! Wal bewegungsunfähig machen!«

»Zu Befehl!«, hörte man die Antwort des Akustikers.

Der Kapitän sagte halblaut zum Zoologen: »Mag wenigstens die Beute diese Menschen für die ausgestandene Angst entschädigen. Und die Beute kann sich sehen lassen! Was für ein Ungeheuer!«

Der Wal und das Schiff waren jetzt nicht weiter als sieben oder acht Kilometer vom U-Boot entfernt. Das Tier war tatsächlich von ungeheurer Größe. Seine Länge betrug fast zweiunddreißig Meter, seine etwa acht Meter breite Schwanzflosse arbeitete wie eine Schiffsschraube. Das Tier zeigte keinerlei Ermüdung. Mit ungebrochener Kraft schleifte es das Schiff hinter sich her.

Das U-Boot war plötzlich, wie eine riesige Orgel, von einem tiefen melodischen Dröhnen erfüllt …

Ein paar Sekunden vergingen … Ruckartig, als habe sich vor ihm ein unüberwindbares Hindernis aufgetürmt, hemmte der Wal seinen rasenden Lauf. Während er das Wasser mit den Flossen peitschte, zuckte und krümmte er sich wie im Krampf und öffnete und schloss seinen riesigen, höhlenähnlichen Schlund. Mit einem letzten Kraftaufwand wirbelte er seinen Schwanz hoch und, als habe ihn ein riesiges Rasiermesser vom Rumpf getrennt, flog der Schwanz zur Seite und wurde wie ein Segel vom Wasserstrudel fortgetragen.

Durch den Körper des Wals ging ein letztes Zucken; er drehte seinen faltigen Bauch nach oben und begann langsam zur Oberfläche emporzusteigen.

Gleichzeitig tauchte der Bug des Walfängers aus dem Gischt empor; die Leine der Harpune hing kraftlos herab. Als könnte sie es noch nicht fassen, dass sie gerettet war, lief die Besatzung des Walfängers in freudigem Taumel auf dem Deck umher.

Das U-Boot entfernte sich schnell mit Kurs Nordwest.

Um fünfzehn Uhr zeigten sich auf dem Bildschirm die Umrisse einer hohen Erhebung. Die »Pionier« hatte lange nach einem solchen Berg auf dem Meeresboden gesucht.

Fortsetzung folgt …

Show 1 footnote

  1. Die Zielbezeichnung muss gegeben werden, da zur Zerstörung verschiedener Materie (organisch oder anorganisch) verschiedene Frequenzen nötig sind.