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Marshal Crown – Band 7

Höllenfahrt nach Los Bovinas

Everett Page hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Nachdem er durch die Schwingtüren des Silverstar-Saloons hindurch ins Freie getorkelt war, musste er sich einen Moment an einem der Vorbaupfosten festhalten, um nicht auf die Straße zu fallen. Page war nicht volltrunken, aber dennoch weitaus mehr alkoholisiert, als es sich für den Hauptkassierer der Texas-National-Bank ziemte. Schnaufend blickte er sich um. Der Glanz der Sonne war verblasst und die Schatten wurden immer länger. Dämmerung senkte sich wie ein dünner Schleier auf das Land. Aus allen Richtungen kamen Reiter von außerhalb in die Stadt. Frachtwagen und Zweispänner rumpelten durch den Staub der Straße und auf den Gehsteigen schoben und drängten sich immer mehr Menschen. Mit dem Einbruch der Dunkelheit erwachte in Rath City auch an diesem Wochenende wieder jenes wilde, zügellose Leben, das einer Rinderstadt am Samstagabend so eigen war. Auch hinter Page ging es bereits hoch her. Gläser klirrten, Männer grölten und ein verstimmtes Klavier begleitete den schrillen Singsang der Bar-mädchen. Der Bankclerk drehte den Kopf und starrte missgelaunt über die Schulter. Nachdem den Saloongirls klar geworden war, dass er sie nicht mehr weiter aushielt, hatten sie dafür gesorgt, dass ihn der Wirt unmissverständlich zum Gehen aufforderte. Der Silverstar sei schließlich kein kostenloser Aufenthaltsraum für verknöcherte Geizkragen.

»Verdammtes Weiberpack«, nuschelte Page abfällig. »Ihr wollt auch nur etwas von einem wissen, wenn man euch genügend Scheine in den Ausschnitt steckt. Aber nicht mit mir, dazu muss ich mir mein Geld zu hart verdienen.«

Verärgert stieg er auf die Fahrbahn hinunter und ging mit unsicheren Schritten auf die kleine Pension am nördlichen Stadtrand zu, wo im ersten Stock sein Zimmer auf ihn wartete. Der Abend war lau und Pages Stimmung durch den Alkohol aufgekratzt. Ein Zustand, der sich jedoch änderte, als er etwa die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatte. Unvermittelt meldete sich seine Blase. Page beschleunigte seine Schritte, doch mit jedem weiteren Yard, den er zurücklegte, verstärkte das viele Bier den Druck. Panik machte sich in ihm breit, während er hastig seine Umgebung musterte. Du kannst hier nicht pissen, durchzuckte es ihn, nicht mitten auf der Mainstreet. Was ist, wenn dich jemand sieht, du bist schließlich der Hauptkassierer der größten Bank im County. Mit einer nassen Hose durch die Stadt zu laufen war ebenfalls unmöglich. Rath City war eine typische texanische Kleinstadt, gerade am Wochenende musste er immer damit rechnen, einem seiner Kunden zu begegnen. Instinktiv hielt Page die Luft an und begann zu rennen. Als er im Licht der Straßenlampen zwischen den Häusern eine dunkle Seitengasse entdeckte, begann er bereits im Laufen an seinem Gürtel zu nesteln. Page hatte das Gefühl, jeden Moment zu platzen. Kaum hatte ihn die Schwärze zwischen den Gebäuden verschluckt, war es auch schon mit seiner Beherrschung vorbei und Sekunden später war ein Plätschern wie bei einem leichten Sommerregen zu hören. Erleichtert blies Page die Luft aus den Backen und knöpfte sich anschließend die Hose zu. In diesem Augenblick hörte er die Stimmen zum ersten Mal. Sie kamen aus einem offenen Fenster im Haus hinter ihm.

»Da hast du dir aber den Falschen ausgesucht, du elende Schlampe. Nicht mit mir! Keine Frau der Welt hängt Frank Cleland ein Kind an und schon gar nicht eine Mexikanerin, hast du verstanden?« Die Stimme des Mannes knirschte dabei vor Wut.

Nach einem Moment der Stille war das Schluchzen einer Frau zu hören.

»Warum tust du mir das an, ich denke du liebst mich? Madre de Dios, es ist doch unser Kind.«

»Unser Kind?«, schnaubte der Mann verächtlich. »Woher willst du das wissen? Sobald euch jemand eine dicke Brieftasche zeigt, macht ihr Greaserhuren doch für jeden die Beine breit.«

Der Laut, den die Frau danach ausstieß, hatte fast nichts Menschliches mehr an sich.

Everett Page zog sich tiefer in die Gasse zurück. Der Bankclerk ahnte instinktiv, dass es besser war, von keinem der beiden gesehen zu werden. In seinem Zustand konnte er keinen Ärger gebrauchen. Außerdem, was gingen ihn die Probleme anderer Leute an?

Er hatte dafür zu sorgen, dass die Geschäfte der Bank korrekt geführt wurden und nicht, ob sich irgendein Mann mit einer jungen Frau aus dem Mexikanerviertel vergnügte und ihm diese jetzt offenbarte, dass sie schwanger war.

Das Einzige, was ihn heute Nacht noch interessierte, war sein Bett. Aber bis dahin schien es noch ein weiter Weg zu sein, denn der Streit nahm allmählich immer mehr an Heftigkeit zu. Page zog sich noch weiter zurück, bis er schließlich am Ende der Gasse gegen eine Bretterwand stieß. Er duckte sich, schob den Kopf zwischen die Schultern und hielt erschrocken die Luft an, als er hörte, wie Cleland die Frau mit seinen Fäusten bearbeitete.

***

»Also noch mal, Everett, was genau hast du gesehen oder gehört?«

Page schwieg und starrte stattdessen nervös aus dem Fenster.

Es war nicht einmal eine Viertelstunde vergangen, seit er mit Town Marshal Jim Crown und Smoky, dem Deputy, an den Tatort zurückgekehrt war, wo es trotz der nächtlichen Stunde bereits von Menschen wimmelte. Männer, Frauen und Kinder drängten sich vor dem Haus und in der Seitengasse daneben, starrten entsetzt zu ihnen herein und redeten und schrien wild durcheinander.

Nach einem kurzen Blick auf den verunsicherten Bankclerk trat Jim Crown einen Schritt vor und schloss kurzerhand die Fenster vor den sensationslüsternen Gaffern. Dann drehte er den Docht der Kerosinlampe höher und beugte sich über die Tote, neben deren Körper sich eine dunkelrote Pfütze auf den ausgetretenen Holzdielen des Fußbodens gebildet hatte. Je länger er die Mexikanerin und das blutverschmierte Stuhlbein, das neben ihr lag, betrachtete, umso mehr erfüllte ihn eine geradezu unbändige Wut. Das Gesicht der Frau war von Schlägen völlig verunstaltet, ihre Nase mehrfach gebrochen, die Wangenknochen zertrümmert und die Schädeldecke zu Brei geschlagen. Ein Ohr war halb abgerissen und ihr dunkles Haar, verklebt mit geronnenem Blut und Hirnmasse, stand nach allen Richtungen ab. Ihr Mörder hatte sie wie ein Stück Vieh totgeschlagen. Der Wunsch, diesen Menschen lebend zwischen die Finger zu bekommen, wurde in Jim immer größer, je eingehender er die Leiche betrachtete.

»Was ist, hast du Bohnen in den Ohren, oder warum antwortest du dem Marshal nicht?«

Der Bankclerk zuckte zusammen und musterte den sichelbärtigen Deputy konsterniert.

Das ansonsten so gutmütig wirkende Gesicht Smokys war angesichts der Toten zu einer Maske aus Wut und Entsetzen verzerrt. Während der Oldtimer weiter auf Page einredete, zeigte er mit dem Stiel seiner glimmenden Maiskolbenpfeife, die dem Deputy einst seinen seltsamen Namen eingebracht hatte, immer wieder auf die Leiche.

»Also los, Page, jetzt rede endlich«, knurrte Smoky ungeduldig. »Oder willst du, dass der Saukerl, der das getan hat, ungeschoren davon kommt?«

»Nein, na … natürlich nicht«, stotterte der Bankclerk. »Aber ich habe doch bereits gesagt, dass ich so gut wie nichts weiß. Ich habe weder die Frau gesehen noch den Mann. Ich habe nur ihre Stimmen gehört, weil das Fenster offen war, und dann diesen Namen.«

»Frank Cleland, ich weiß«, erwiderte Crown und richtete sich wieder auf. »Aber das bringt uns im Moment auch nicht weiter. Ich kenne niemanden in der Stadt mit diesem Namen, dazu kommt noch, dass der Kerl inzwischen fast eine halbe Stunde Vorsprung hat und ihn keiner gesehen haben will. Die einzige Möglichkeit, ihn trotzdem noch zu erwischen, wäre, heute Abend sämtliche männlichen Bewohner des Countys zu verhaften und du hörst dir ihre Stimmen an. Ich denke, wir brauchen angesichts der Anzahl der dafür infrage kommenden Personen nicht weiter über dieses Thema zu reden.«

»Leider«, seufzte Smoky.

»Und was jetzt?«

»Jetzt wird sich erst einmal der Doc um die Tote kümmern und wir gehen alle schlafen. Der Tag war lang genug und morgen früh ist die Nacht bekanntlich schon wieder vorbei.«

»Soll das heißen, wir legen die Hände in den Schoß und warten auf ein Wunder?«

»Das habe ich nicht gesagt. Ich will nur abwarten, was der Doc sagt, vielleicht werden wir dadurch schlauer. Danach werde ich per Telegraf sämtliche Sheriffs in den umliegenden Countys informieren. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn ich nicht von irgendwoher Antwort erhalten sollte.«

Als der Arzt mit dem Sargmacher erschien, verließen die drei das Haus. Draußen hatte sich die Menschenmenge inzwischen aufgelöst, nachdem es nichts mehr zu sehen gab. Nur hier und da standen noch ein paar Neugierige herum und starrten den Männern nach, als sich diese auf den Heimweg machten.

»Daran wird Everett noch eine Weile zu kauen haben«, sagte Smoky, als er vor dem Marshal Office stand und gemeinsam mit Crown zusah, wie der Bankclerk auf seine Pension zusteuerte.

»Ich hoffe nicht. Er ist schließlich mein einziger Zeuge. Sobald ich etwas in Erfahrung bringe, kommt es einzig und allein auf ihn an.«

»Dann kann ich dir nur wünschen, dass dies schnell geschieht. Denn so, wie ich Page kenne, wird dieser Federfuchser bald wieder den Schwanz einziehen und von der ganzen Sache nichts mehr wissen wollen.«

Marshal Crown nickte, wandte sich ab und ging langsam und nachdenklich auf das Haus von Linda Hamilton zu, das am Ende der Straße auf einer kleinen Anhöhe lag.

Er wusste nur zu genau, dass die Aufklärung dieses abscheulichen Mordfalls einzig und allein von Everett Page abhing und er wusste ebenfalls, genau wie sein Deputy, dass der Bankclerk umfallen würde, wenn er nicht schnellstmöglich irgendwelche Ergebnisse präsentieren konnte.

Als er die Eingangstür zum Haus seiner Verlobten öffnete, hatten sich tiefe Sorgenfalten in sein Gesicht gegraben.


Die vollständige Story steht als PDF, EPUB und MOBI zur Verfügung.

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