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Rose Gerdts – Schattenschmerz

Rose Gerdts – Schattenschmerz

In einem Park in Bremen explodiert am frühen Morgen eine Bombe. Dabei findet ein Gärtner den Tod, einer seiner Kollegen wird schwer verletzt.

Der Tatort wird geräumt, als die Polizei in der Nähe eines dortigen Kindergartens eine entschärfte Landmine findet. Die Täter – die Polizei glaubt an mehrere Täter – drohen mit weiteren Anschlägen.

Frank Steenhoff und seine Kollegin Navideh Petersen von der Bremer Mordkommission tappen zunächst im Dunkeln. Sie befürchten zwar einen terroristischen Hintergrund, können aber den oder die Attentäter zunächst nicht finden.

Hasso von Germershausen, Bremer Rüstungsfabrikant, der seine Firma von seinem strengen Vater übernommen hat und sie selbst wie ein Feldherr weiterführt, wird derweil erpresst, wovon die Polizei nichts ahnt. Er soll mehrere Millionen Euro zahlen, sonst wird es weitere Anschläge geben.

Endlich bekommt Hendrik Mertens von der Bremer npa-Zentrale (npa = Norddeutsche Presseagentur) ebenfalls ein Schreiben von den Tätern, den sogenannten Müttern und Vätern von Paghman, die Hasso von Germershausens Firma EvG-Technology bezichtigen, in der Vergangenheit mit Landminen viele Millionen verdient und bis heute keinen Cent in ihre Beseitigung gesteckt zu haben. Diese Minen fordern noch heute täglich Opfer in Gebieten wie Afghanistan, Kambodscha oder Angola. Die Erpresser fordern, dass EvG-Technology endlich zu ihrer Verantwortung steht, sonst gibt es weitere Anschläge.

Hendrik Mertens erkennt, dass es sich bei diesem Schreiben nicht nur um einen einfachen Erpresserbrief handelt, sondern um ein Politikum. Er lässt seine Redakteure recherchieren, was der Begriff Paghman bedeutet und renommierte Minenexperten befragen. Dann schickt er das Schreiben ungekürzt an Radiostationen, Zeitungen und Fernsehsender. Während die Aktion läuft, ruft er schließlich die Bremer Polizei an.

Dort stehen von nun an die Telefone nicht mehr still, und Steenhoff und seine Leute geraten stark unter Druck. Da Hasso von Germershausens Betrieb in dem Schreiben explizit genannt wird, nehmen die Beamten sofort Kontakt zu ihm auf. Er aber gibt sich überrascht und betont, dass sein Unternehmen sauber arbeitet und sich an die Gesetze hält.

Steenhoff fragt schließlich, ob Germershausen zuvor schon direkt angeschrieben und erpresst wurde. Der Unternehmer verneint, obwohl dies nicht der Wahrheit entspricht. Er verharmlost seine Waffengeschäfte und fügt hinzu, die Produktlinie seiner Firma eigne sich dazu, dass einige Spontis und Krawallmacher Dampf an ihm abließen. Auf Steenhoffs Frage, was für eine Produktlinie er habe, antwortet er, er produziere elektronische Rüstungsgüter.

Frank Steenhoff, Navideh Petersen und ihre Leute stehen damit erst am Anfang ihrer Ermittlungen, obwohl die Zeit bis zum nächsten Anschlag in Windeseile vorbei sein kann. …

Mit den Themen Landminen und Afghanistan spricht Rose Gerdts an, was die meisten Menschen hierzulande durch den dortigen Einsatz der Bundeswehr durchaus beschäftigt. Die unsäglichen Qualen der dortigen Zivilbevölkerung und die verheerenden Folgen des Einsatzes von Landminen überall in der Welt haben nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern der westlichen Welt für Empörung und Mitleid gesorgt.

Im vorliegenden Roman tragen Menschen, die dieses Elend in Afghanistan selber miterlebt haben, den Krieg in unsere Breiten, indem sie eine Bombe legen, die einen Menschen das Leben kostet. Außerdem nennen sie einen Übeltäter stellvertretend für alle beim Namen, nämlich eine Rüstungsfirma aus Bremen, die früher mit der Herstellung von Landminen viel Geld verdient hat.

So bekommt das Verbrechen an den Menschen ein Gesicht, und zwar eines, das dem Betrachter gar nicht sympathisch erscheint, da der Unternehmer, der diese Firma führt, nicht nur als skrupellos, hart und arrogant dargestellt ist, sondern noch dazu als Ehebrecher. Er empfindet nicht die geringste Reue bezüglich seiner tödlichen Produktion und glaubt daran, dass er völlig im Recht ist, weil er rechtlich einwandfrei gehandelt hat.

Rose Gerdts Roman ist kein Kriminalroman im eigentlichen Sinn, sondern auch – und vor allem – ein politischer Roman, der ein äußerst heikles Thema, nämlich das Thema deutscher Rüstungsexporte in Krisengebiete anfasst, und das so, wie es viele Menschen in diesem Lande ebenfalls beurteilen.

Sicherlich sind auch diejenigen, die die Rüstungsfirmen an den Pranger stellen, nicht unbedingt immer nur gut. So ist die Beschreibung der Mütter und Väter von Paghman im vorliegenden Buch noch immer die Beschreibung von Straftätern. Aber das, was sie angreifen, ist ebenfalls nicht gut, obwohl der Rüstungsexporteur in dieser Geschichte sich immer auf dem Boden deutscher Gesetze bewegt.

Die Polizei jedenfalls, die dazu da ist, zu gewährleisten, dass die deutschen Gesetze eingehalten und Zuwiderhandlungen bestraft werden, ist hier gegenüber Hasso von Germershausen durchaus nicht wohlwollend und findet ebenfalls nicht sympathisch, was nicht sympathisch ist, aber rechtlich einwandfrei.

Aufgrund der Darstellung dieser politisch brisanten Zusammenhänge tritt die Geschichte, die die Autorin nebenher auch noch erzählt, zwangsläufig ein wenig in den Hintergrund. Die Beschreibung des Ermittlers, Frank Steenhoff, dem eine frühere Affäre zu schaffen macht, und dessen Frau während der ganzen Story im Ausland weilt wirkt ebenso nebensächlich wie die Beschreibung seiner Kollegin Navideh Petersen und ihrer Lebensumstände. Ein wenig geheimnisvoll ist nur die Andeutung einer sich hier anbahnenden und vielleicht in einem der nächsten Krimis der Reihe entwickelnden Liebesbindung der beiden Hauptermittler.

Fazit:
Alles in allem ist zu sagen, dass Rose Gerdts in Schattenschmerz zu den politisch brisanten Themen Afghanistan und Landminen auf eine Weise Stellung bezieht, mit der wohl viele Menschen in unseren Breiten konform gehen. Das Privatleben der Ermittler wirkt hierbei völlig nebensächlich, und die psychologische Beschreibung des Rüstungsunternehmers, der die tödlichen Landminen hergestellt hat, wird hier zum Teil der politischen Stellungnahme der Autorin.

Das Trauma, das die Erpresser des Rüstungsunternehmers in Afghanistan erlitten haben, wird jedoch nicht zum Anlass genommen, ihre Straftaten vor dem Leser zu rechtfertigen, wenn man auch gut verstehen kann, was die Täter antrieb.

Die Autorin
Rose Gerdts- Schiffler wurde 1960 geboren und schloss ein Studium der Sozialwissenschaften ab. Sie arbeitete mehr als 20 Jahre für den Bremer Weser-Kurier als Polizei- und Gerichtsreporterin und war bei vielen großen Prozessen dabei. Im Frühjahr 2013 wechselte sie als Pressesprecherin zur Bremer Innenbehörde.

Sie ist Ehefrau, Mutter von zwei Söhnen und lebt mit ihrer Familie in Bremen.

Quellen:

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Taschenbuch Verlags.
  • Foto der Autorin. Copyright: Roland Schiffler. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Taschenbuch Verlags.

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