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Marion Zimmer Bradley – Menschliches und Unmenschliches

Marion Zimmer Bradley – Menschliches und Unmenschliches

»Welcher Autor hat Sie beeinflusst?«

Diese Frage wird einem Schriftsteller häufig gestellt. Auch ich durfte sie bereits mehrfach beantworten.

Nun, welche Autoren sind es?

Ephraim Kishon, Leonard Cohen (ja, der singt nicht nur, sondern er ist auch ein angesehener Autor!) und – wohl am meisten von allen – Marion Zimmer Bradley!

Mit ihren Romanen und Nacherzählungen des Stoffs um Avalon, Arthus und Morgaine hat sie meine Fantasie und auch meine eigenen Werke stark geprägt. Ob nun Der Kelch von Avalon oder Die Schatzjägerin– der Einfluss von Marion Zimmer Bradley ist deutlich spürbar.

Ich schreibe dies auch heute, im Juli 2014, wohl wissend, dass Marion Zimmer Bradley gerade nicht sehr hoch im Kurs steht. Nicht, nachdem sie von ihrer Tochter beschuldigt wurde, sie und andere Mädchen sexuell missbraucht zu haben.

Offenbar war Marion Zimmer Bradley nicht die nette Autorin von nebenan, sondern jemand, der Kinder misshandelte und missbrauchte.

So, wie ihr zweiter Ehemann, der bereits hinter Gittern schmort.

Marion Zimmer Bradley bleibt diese Schmach freilich erspart, denn sie starb schob 1999 im Alter von nur 69 Jahren.

Glaube ich, was ihre Tochter Moira Greyland über ihre Mutter sagt?

Ja, ich glaube es!

Dass Marion Zimmer Bradley nicht nur den Männern zugetan war, dürfte den meisten Lesern ihrer Werke klar sein. Schließlich verfasste sie sowohl unter Pseudonym wie auch unter ihrem Namen entsprechende Werke.

Nun darf man natürlich nicht den Fehler begehen, einem Autor anhand seiner Bücher bestimmte Handlungen zu unterstellen. Sonst müsste Bret Easton Ellis ein Massenmörder sein. Neigungen und Vorlieben jedoch schlagen sich in Büchern nieder. Betrachtet man die Werke von Marion Zimmer Bradley, spiegelt sich darin eine Zuneigung zum eigenen Geschlecht ebenso wider wie jene zum anderen Geschlecht. Dass es dabei meist um junge Frauen geht, die einerseits heroisch handeln, andererseits der Erotik teils hilflos und unwissend gegenüberstehen, ist ebenfalls ein wiederkehrendes Muster.

Geht man bei der Analyse noch weiter, findet sich auch das Thema Inzest in den Büchern; etwa in My Sister, My Love, welches unter dem Pseudonym Miriam Gardner erschien, jedoch genau wie in Die Nebel von Avalon negative Auswirkungen hatte.

Manch einer mag diese Werke als Indiz für Marion Zimmer Bradleys Verhalten im wahren Leben sehen, ich tue es nicht!

Natürlich ist die Entrüstung über das, was Marion Zimmer Bradley getan hat, groß. Es gibt, wenn es stimmt, und ich bezweifele die Worte der Tochter nicht, keine Entschuldigung für diese Verbrechen.

Dennoch werde ich nicht hingehen und die Bücher von ihr aus den Regalen räumen.

Ich werde nicht so tun, als habe mich Marion Zimmer Bradley nicht beeinflusst.

Ich werde meine Werke nicht ändern, um diesen Einfluss zu verschleiern.

Ja, es sieht so aus, als habe sie als Mensch schreckliche Dinge getan. Als Autorin jedoch schuf sie grandiose Werke und Welten, die unzählige Leser in ihren Bann schlugen.

Auch mich.

Der Autor ist ein Mensch, und Menschen machen Fehler, begehen Verbrechen, fügen anderen Menschen Leid zu.

Ihre Werke stehen für sich allein, und sie haben auch im Jahre 2014 nichts von ihrer Kraft verloren.

Darum werde ich auch künftig Marion Zimmer Bradley als jene Autorin nennen, die mich mehr als jeder andere beeinflusst hat.

Und ich hoffe, dass ihre Tochter eines Tages den Schrecken überwinden kann, den sie durchleben musste!

PS: Marion Zimmer Bradleys Verlag kündigte an, alle Einnahmen aus den eBook-Verkäufen der Organisation Save the Children zu spenden. Statt die Bücher zu boykottieren, ist es also besser, die eBooks zu kaufen. Marion Zimmer Bradley ist tot, sie hat ohnehin jeden weltlichen Zorn hinter sich gelassen …

(ga)