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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jack Lloyd Folge 8

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Vom Jäger zum Gejagten

Jacks Schwert traf das Holz neben Edmunds Kopf und blieb zitternd in den Planken stecken. Der Kapitän sah auf den geschlagenen Matrosen herab und schüttelte nur missbilligend den Kopf. Einer der Männer rief: »Was ist? Töte ihn! Du hast den Kampf gewonnen!«

»Den Teufel werde ich tun«, brummte Jack, noch immer völlig außer Atem. »Wir sind zu wenige, als dass wir uns gegenseitig umbringen können. Ich brauche jeden Mann an Bord lebend und kampfbereit, wenn es gegen die Spanier geht.« Für einen endlos scheinenden Moment ruhte sein Blick auf dem noch immer am Boden liegenden Edmund. Dann zog er sein Schwert aus dem Holz und ging auf die Treppe zum Deckaufbau zu. Er musste dringend in seine Kajüte, wenn die Männer nicht sehen sollten, dass er kurz davor war zusammen-zubrechen.

Joe war sofort an seiner Seite und murmelte leise: »Hältst du das für eine gute Idee?«

Jacks Blick zeigte dem Alten deutlich, dass er in dieser Sache keine Widerrede duldete. Tonlos erwiderte der Kapitän: »Es ist die einzig Richtige, mein Freund.«

Einen Blick über seine Schulter werfend brummte Joe: »Wenn das mal nicht die falsche Entscheidung war.«

In diesem Moment wiederholte sich der Ruf aus dem Ausguck, an den schon keiner der Männer mehr gedacht hatte.

»Schiff Ahoi! Sie kommen näher Kapitän!«

Jack schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Er hätte einen Moment Ruhe gebrauchen können. Doch wahrscheinlich sollte er dankbar sein, dass dieses Schiff gerade jetzt aufgetaucht war. Der Kapitän spürte die bohrenden Blicke der Besatzung in seinem Rücken. Er durfte jetzt keine Schwäche zeigen. Die kleine Meuterei war im Keim erstickt, aber Edmund würde kaum Ruhe geben, wenn er eine Schwachstelle an Jack fand.

Langsam drehte er sich um und rief in Richtung Ausguck: »Ist es die Jungfrau

»Die Beschreibung würde passen, Kapitän!«

»Wird nicht die einzige Handelsgaleone unter spanischer Flagge sein, die hier herumsegelt«, brummte jemand aus der Mannschaft.

»Auf Abfangkurs!«, rief Jack dem Steuermann zu, was vom lauten Jubel seiner Männer begleitet wurde. Endlich eine Prise. Die Aussicht zauberte ein Glänzen in die Augen der meisten Männer.

»Bestückt die Geschütze!«

Jack ging die Treppe hinauf und blieb oben stehen, den Männern dabei zusehend, wie sie seine Befehle ausführten. Joe hatte sich zu im gesellt. Leise murmelte er: »Edmund wird dich nicht in Ruhe lassen.«

»Wir werden ihn überzeugen müssen, dass es für ihn besser ist.« Jack bemühte sich, unbeteiligt zu klingen. Dann glitt ein Lächeln über die Züge des jungen Mannes.

»Da haben wir wohl Glück gehabt, das gerade in diesem Augenblick die Jungfrau aufgetaucht ist.«

»In der Tat, mein Freund. Allerdings aus anderem Grund, als du wohl annimmst.«

Jack sah den alten Mann verwirrt an. Mit einem Auge das Treiben an Bord beobachtend, mit dem anderen Joe verhalten musternd fragte er leise: »Was meinst du damit?«

»Bevor ihr angefangen habt zu kämpfen, habe ich Patrik in den Ausguck geschickt.«

»Und?«

»Er bekam den Befehl, ein Schiff zu melden, wenn ich ihm ein Zeichen dafür geben würde. Er hatte die ganze Zeit mich im Blick.«

»Du meinst …«

»Er hätte dich getötet.«

»Du hast ihn abgelenkt«, zischte Jack erbost. »Und was wäre gewesen, wenn kein Schiff aufgetaucht wäre?«

»Dann hätte Patrik sich eben geirrt. Aber darüber müssen wir uns ja nun keine Gedanken mehr machen, nicht wahr, Kapitän?« Das letzte Wort betonte Joe so auffällig, dass Jack nur grummelnd den Kopf schüttelte. Er hätte Joe dankbar sein sollen. Ohne die List des Alten wäre er jetzt wahrscheinlich Fischfutter. Aber es wiederstrebte ihm, einen Kampf auf diese Art gewonnen zu haben.

»Sie sind bald in Schussweite!«

Jack ließ seinen Blick über das Deck gleiten. Die Männer, die kampfbereit auf ihren Positionen auf seine Befehle warteten, boten einen beeindruckenden Anblick. Noch vor wenigen Wochen hatten Jack und einige seiner Männer an Bord eines Handelsseglers gedient. Jetzt waren sie Freibeuter, die einem anderen Händler auflauerten. Das Schiff, auf welchem sie segelten, war dasselbe. Nur der Zweck ihres Daseins hatte sich geändert. Jack seufzte leise. Die Frage, ob es gut gewesen war, sich mit dem Gouverneur von Port Royal zu verbünden, hatte er sich in den letzten Tagen öfter als einmal gestellt. Doch in diesem Augenblick gab es kein Zurück mehr.

»Wir segeln noch immer ohne Flagge, Kapitän«, brummte Joe.

Jack nickte. »Lassen wir sie noch einen Moment zappeln.«

Die spanische Handelsgaleone lag gut im Wind und kam schnell näher. In wenigen Minuten würde sie tatsächlich in Schussweite sein. Da die Swallow bislang gegen den Wind gekreuzt hatte, würde es einen Moment dauern, bis die Bark Fahrt aufnehmen konnte. Aus diesem Grund wollte Jack die Spanier nicht zu früh verschrecken. Gab er ihnen einen Grund zur Flucht, bevor sie endgültig in Reichweite der Kanonen waren, würde es eine lange und anstrengende Verfolgungsjagd werden. Das galt es zu verhindern.

»Sie werden langsamer Kapitän! Und sie geben Flaggenzeichen!« Jack sah zum Ausguck. Patrik gestikulierte wild herum.

»Dann zeigt ihnen den Jolly Roger!« Eigentlich hatte Jack noch einen Moment warten wollen. Doch wenn sie auf die Flaggenzeichen der Spanier nicht reagiert hätten, wären diese unweigerlich misstrauisch geworden.

»Hart Backboard! Die Geschütze auf Steuerbord klar machen!«

Der Steuermann riss das Steuerrad herum und die Bark drehte sich schwerfällig gegen den Wind in Backbordrichtung. Der spanische Handelsfahrer war mittlerweile so nah, dass man die erschreckten Schreie der Besatzung hören konnte, als diese die Totenkopfflagge im Wind flattern sah. Die Jungfrau von Cartagena versuchte zu drehen. Doch sie befanden sich unmittelbar vor der Breitseite der Swallow. Jack wusste, dass er mit den Kettenkugeln, mit denen die Kanonen bestückt waren, maximal zwei Schuss haben würde, bevor die Spanier wieder außer Reichweite waren. Es musste reichen, um die Segel derart zu beschädigen, dass eine Flucht des Händlers vereitelt wurde.

»Feuer!«

Die Kanonen donnerten los. Wieder wurden Schreckens- und Angstrufe an Deck der Jungfrau laut. Die Kettenkugeln senkten sich auf das spanische Schiff zu. Jack war zufrieden mit seinen Kanonieren. Von sechs Kanonen hatten vier ihr Ziel erreicht. Nur die Ladung von zweien landete unweit des feindlichen Schiffes im Wasser. Das Hauptsegel der Jungfrau hing bereits nach dieser ersten Salve in Fetzen. Aber Jack war noch nicht zufrieden, denn noch hatte die Handelsgaleone die Beisegel, mit denen sie Fahrt aufnehmen konnte.

»Nachladen!«

Joe stand neben seinem Kapitän auf dem Deckaufbau und murmelte: »Warum hat ein Schiff, das wichtige Dokumente transportiert, keinen Begleitschutz?«

»Weil der Herr unsere Gebete erhört hat«, war die knappe Antwort seines Kapitäns. Von der spanischen Handelsgaleone war der Knall dreier Kanonen zu hören, die ihre Ladung in Richtung der Swallow abfeuerten. Aber keine der Kugeln fand ihr Ziel. Mit einem Lächeln auf den Lippen schrie Jack: »Feuer! Auf die Masten!«

Wieder ertönten die Kanonen der Swallow. Die Kettenkugeln senkten sich auf das feindliche Schiff und diesmal verfehlte keine der Ladungen ihr Ziel. Der Hauptmast sowie die Beisegel wurden stark beschädigt.

»Auf Enterkurs! Alle Mann bereit zum Entern!«

Der Jubel seiner Männer beflügelte Jack. Er spürte kaum noch die Schmerzen des Kampfes gegen Edmund. In wenigen Augenblicken würden die ersten Spanier bezahlen für das, was seinem Mentor angetan worden war. Jack sehnte den Augenblick herbei, da endlich der Kampf Mann gegen Mann begann. Die Handelsgaleone hatte ihr Wendemanöver abgeschlossen und versuchte zu entkommen. Aber mit den stark beschädigten Segeln hatte der Händler kaum eine Chance. Die White Swallow nahm Kurs auf den Feind, und die Männer machten sich bereit, das gegnerische Schiff zu erobern. Kurz bevor die Swallow endlich längsseits zur Jungfrau von Cartagena gehen konnte, ertönte ein Schrei aus dem Ausguck.

»Schiff ahoi! Eine spanische Jagdgaleone! Sie halten direkt auf uns zu.«

Jack starrte auf die Jungfrau und hatte das Gefühl, dass jemand ihm den Boden unter den Füßen wegriss. Wütend schlug er mit der Rechten auf das Geländer des Deckaufbaus. Dann schrie er aus Leibeskräften: »Abdrehen! Sofort abdrehen!«

Mehr zu sich selbst fügte er hinzu: »Wir werden uns erst um unseren zweiten Gast kümmern müssen.«

 

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2011 by Johann Peters