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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jack Lloyd Folge 7

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Auf Leben und Tod

Jack hatte der Crew nach dem Auslaufen erklärt, was in den nächsten Tagen auf sie wartete. Die Aussicht, einen spanischen Händler aufzubringen, war bei den meisten seiner Männer positiv angekommen. Nur Joe hatte sich verbissen zurückgehalten, als mancher in der Mannschaft lautstark jubelte. Leise brummte er: »Noch haben wir den Händler nicht. Und wenn uns einer der spanischen Piratenjäger aufs Korn nimmt, werden wir ihn auch nicht bekommen.«

Jack, der den Einwand seines Freundes hörte und ähnliche Befürchtungen hatte, hob beide Hände, um für Ruhe zu sorgen. Es dauerte einen kleinen Moment, bis die Mannschaft wieder aufnahmefähig war, aber schließlich verschaffte Jack sich doch Gehör.

»Joe hat recht. Wir müssen achtgeben, denn die Gegend, in der unser Ziel liegt, gehört zu den berüchtigtsten überhaupt. In den Passagen zwischen Jamaika und Hispanola und zwischen Hispanola und Kuba können in jeder Nebelbank Piraten lauern. Es wäre schlecht, wenn wir uns in einem Kampf mit Schwarzflaggen aufreiben würden. Und wo es Piraten gibt, gibt es auch Piratenjäger. Wir müssen schnell sein, die Jungfrau von Cartagena finden und wieder verschwinden.«

Lautes Gegröle folgte auf diese Aussage. Einige der neuen Crewmitglieder machten obszöne Gesten und einer rief überschwänglich: »Vielleicht hat die Jungfrau ja noch ein paar Jungfräulein an Bord.«

Derbes Gelächter schallte über das Deck. Jack und Joe sahen sich an und beide wussten, was der andere dachte. Man konnte es Freibeuterei nennen und den Männern einen Kaperbrief in die Hand drücken. Dennoch würde ein Pirat immer ein Pirat bleiben. Missmutig brummte Joe: »Hört auf, eure Zeit mit dummem Gerede zu vergeuden, der Kapitän hat alles gesagt. An die Arbeit zurück, Männer!«

»Aye, Maat!«, kam von einigen der prompte Ausruf. Joe sah seinen Kapitän erstaunt und ein wenig erschrocken an.

»Das … ich …«

»Ist schon gut, Joe. Ich weiß, dass du dich nicht selbst zum Ersten Maat ernannt hast. Aber, unter uns, ich könnte mir keinen besseren wünschen.«

Jack ließ den Alten, der gerade zu seinem Ersten Maat befördert worden war, mit offenem Mund auf dem Deck stehen und begab sich zurück in seine Kajüte. Die Mannschaft kannte ihre Befehle, es würde nichts bringen, wenn er den Männern bei jedem Handgriff über die Schulter schaute.

***

Sie hatten Jamaika an der Westküste der Insel umschifft und direkt auf Kuba zugehalten. Etwa einen halben Tag vor Santiago begann die Swallow zu kreuzen. Nach fast zwei Tagen war die Begeisterung der Mannschaft merklich abgekühlt. Einige der Männer, die in Port Royal neu zur Mannschaft gestoßen waren, wurden mit jeder Stunde, die sie ohne eine Schiffssichtung auf offenem Meer kreuzten, ungeduldiger. Jack wusste das, hielt es aber für den normalen Kampfgeist unter den erfahrenen Seeräubern. Er machte sich wenig Sorgen um die Stimmung unter der Mannschaft. Seine Gedanken galten eher dem Gouverneur von Port Royal. Die Nahrungsmittel waren stark begrenzt, sodass sie schon am zweiten Tag nach ihrer Abfahrt beginnen mussten, das Essen und selbst das Wasser streng zu rationieren. Wenn er diesen Auftrag erledigt hatte, würde er beweisen müssen, dass er sich von seinem adligen Gönner nicht alles gefallen ließ.

Mitten in diese Gedankengänge hinein platzte Joe aufgeregt in die Kajüte seines Kapitäns.

»Joe, was ist los? Du bist so rot, dein Kopf droht zu platzen.«

»Käpt´n. Drei der Männer. Ich habe gehört, wie sie aufrührerische Reden schwingen und ihrer Unzufriedenheit Luft machen.«

Joe atmete schnell, er wirkte nervös und fahrig. So hatte Jack den alten Seebären, der für ihn immer Vorbild und Freund gewesen war, noch nie gesehen.

»Das ging schneller, als ich dachte. Was wollen die drei?«

»Sie schimpfen auf die Rationierung der Nahrung und des Wassers und sagen offen, dass sie denken, du wärst zu feige, um dem Gouverneur zu widersprechen.«

»Dann wollen wir uns die drei Knaben mal etwas näher anschauen, meinst du nicht, mein Freund?«

Jack erhob sich ächzend. Dann begleitete er den Maat hinaus. Auf dem Deckaufbau blieb er stehen und lehnte sich gegen das Geländer. Einige Mitglieder der Mannschaft standen auf Deck zusammen und diskutierten stark gestikulierend. Als einer der Männer den Kapitän sah, stieß er seinem Nebenmann in die Rippen und sofort herrschte völlige Stille. Jack konnte sich eines Lächelns nicht erwehren.

»Was geht hier vor sich, Männer?«, wollte der Kapitän schließlich mit strenger Stimme wissen.

Derjenige, der gerade den Ellenbogen seines Kumpans zu spüren bekommen hatte, trat vor. Sein Blick hielt Jacks stand. Nach einem Moment des schweigenden Ringens rief der Matrose: »Wir haben Hunger. Und wir wollen Beute machen. Warum kreuzen wir jetzt schon seit zwei Tagen hier auf dem Meer herum, immer in der Gefahr, von einem Piratenjäger entdeckt zu werden, wenn direkt unter der Küste die spanischen Handelsschiffe, die von Havanna nach Santiago kommen, vorbeisegeln?«

»Weil wir einen Auftrag haben, und weil ich den Befehl dazu gegeben habe«, erwiderte Jack sachlich.

»Auf Aufträge, die nichts einbringen, können wir verzichten! Und auf einen Kapitän, der nicht mehr ist als der Schoßhund eines fetten Adligen, ebenfalls! Sollen wir hier verhungern, während wir auf deine Jungfrau warten?«

»Achte auf deine Worte, oder ich lasse dich über die Planke gehen.« Jack hatte den Satz mehr gezischt als gesprochen, doch er war auf dem ganzen Deck zu hören gewesen. Mit einer aufreizend langsamen Geste zog der Matrose sein Schwert.

»Das könntest du tun, Kapitän. Wenn du der Mannschaft befiehlst, mich festzusetzen. Aber hast du auch den Mut zu beweisen, dass du mehr bist als nur ein einfacher Handelsfahrer, der von einem geldgierigen Gouverneur einen Kaperbrief in seine weichen Fingerchen gedrückt bekommen hat?«

Joe legte Jack mahnend eine Hand auf die Schulter. Der Matrose, der den Kapitän so herausforderte, war einer der Männer, die Everet angeheuert hatte. Ein Haudegen, der schon auf zwei Piratenschiffen gefahren war und bereits manches Gefecht überlebt hatte. Jack konnte fechten, aber er war wahrscheinlich bei weitem nicht so geübt wie sein Herausforderer. Trotzdem murmelte er leise: »Hol mein Schwert aus der Kajüte. Wir werden jemandem eine Lektion erteilen müssen.«

»Aber …« Weiter kam Joe nicht. Ein Blick seines Kapitäns zeigte ihm klar und deutlich, dass in dieser Sache nicht diskutiert wurde. Ergeben seufzend beeilte sich der Maat, die Waffe zu holen. Währenddessen maßen sich die Kontrahenten mit den Blicken.

Jack und sein Gegenüber, ein Seemann Mitte zwanzig, der einen halben Kopf kleiner als der Kapitän war, aber drahtig und durchtrainiert wirkte, maßen sich noch immer Blicken, während Jack auf das Deck hinabkam. Der Aufrührer wählte Schwert und ein kurzes Messer als Bewaffnung. Jack tat es ihm gleich. Joe murmelte leise: »Nimm dich in Acht. Mit diesem Edmund Howard ist nicht zu spaßen.«

»Mag sein. Aber wenn ich ihn gewähren lasse, werden andere es ihm bald nachtun. Und das muss ich verhindern.«

»Viel Glück dabei.« Die Stimme des Alten schwankte vor Sorge. Jack und Joe sahen sich noch einmal kurz an. Der Maat klopfte seinem Kapitän kurz auf die Schulter, dann nahmen Jack und Edmund ihre Kampfpositionen ein. Edmund begann den Kapitän mit schnell aufeinanderfolgenden Attacken einzudecken, sodass der junge Mann alle Hände voll damit zu tun hatte, die Angriffe seines Gegners zu parieren. Nur gelegentlich gelang es Jack, selbst blitzschnell vorzustoßen, um ein Loch in der Deckung seines Gegenübers zu suchen. Doch Edmund focht wie ein Teufel. Nachdem der Kampf eine Weile hin und her tobte und das laute Geräusch der ständig aufeinanderprallenden Waffen schließlich fast die komplette Mannschaft an Deck gelockt hatte, spürte Jack, dass sein verwundeter Arm ihm allmählich den Dienst zu versagen drohte. Er hatte gedacht, die Ruhe in Port Royal hätte ausgereicht, um ihn körperlich wieder völlig herzustellen. Mit Schrecken musste er wahrnehmen, dass dies nicht so war. Edmund, der die Schwäche seines Gegners zu spüren schien, deckte Jack erneut mit einer Reihe von Attacken ein. Der Kapitän spürte, dass ihm schnell etwas einfallen musste, wenn er diesen Kampf überleben wollte. Er versuchte seinen Gegner zu überraschen, indem er mit dem Schwert einen Vorstoß antäuschte, um dann mit dem Messer die Deckung Edmunds zu durchbrechen. Doch der Seeräuber hatte die Finte gerochen und ließ den Stich ins Leere gehen. Stattdessen nutzte er seinerseits den Moment, in dem Jack beide Waffen zum Angriff verwendete, und schlug mit dem Griff seines Schwertes von oben auf die messerführende Hand. Mit schmerzverzerrtem Gesicht und einem Schreckensruf auf den Lippen ließ Jack das Messer fallen. Er sprang zwei Schritte zurück, um sich zu sammeln. Sein Arm brannte fürchterlich und das Gefühl in seinem Handgelenk war auch nicht gerade angenehm. Aber er musste durchhalten. Edmund würde keine Gnade kennen, sollte er den Kapitän tatsächlich besiegen. Die nächsten Attacken Edmunds zwangen Jack völlig in die Defensive und in der Crew wurden erste Stimmen laut, die den Meuterer auch noch anfeuerten. Jack fing einen sorgenvollen Blick seines Freundes Joe auf und schloss für eine Sekunde die Augen. Lange genug, damit Edmund mit zwei entschlossenen Schritten auf ihn zutreten und das Schwert zum alles entscheidenden Schlag ausholen konnte. Dann erklang ein völlig unerwarteter Ruf aus dem Ausguck.

»Schiff Ahoi! Ein spanischer Händler!«

Aller Augen richteten sich auf den Horizont. Aller Augen – bis auf die des Kapitäns. Blitzschnell schlug er mit seiner freien Faust auf die Nasenwurzel seines für einen Augenblick abgelenkten Gegners. Zwei direkt nacheinander durchgeführte Schläge ließen Edmunds Nase hörbar brechen und den Piraten für einen Moment völlig die Orientierung verlieren. Ehe er sich versah, hatte Jack ihm die Beine weggetreten und ihm das Schwert aus der Hand geschlagen. Der Meuterer lag am Boden und plötzlich herrschte Totenstille an Deck. Einer der Männer flüsterte leise: »Jetzt bring es schon zu Ende.«

Jacks Atem ging schnell und die Wut in seinem Kopf ließ ihn seine Umgebung nur noch bruchstückartig wahrnehmen. Mit einem Schrei auf den Lippen hob er das Schwert. Edmunds Augen waren starr auf ihn gerichtet, die mittlerweile waffenlosen Hände des Piraten in ängstlicher Abwehrhaltung erhoben. Als Jacks Waffe niedersauste, spürte er eine Welle der Zufriedenheit und des Glücks über sich zusammenbrechen. Er hatte überlebt.

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2011 by Johann Peters