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In the Wilderness – Teil 1

Mit dem Frühling 1846 begann in St. Louis die Hauptsaison des Jahres. Aus allen Teilen des Landes trafen täglich Auswanderer ein, um sich auf eine Reise nach Oregon und Kalifornien vorzubereiten. Eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Händlern belud ihre Wagen mit notwendigen Ausrüstungsgegenständen und Handelswaren für Santa Fe. Unter den Auswanderern befanden sich gut betuchte und ranghohe Männer, die sich in besonderer Weise mit dem Land Kalifornien verbunden fühlten. Die Hotels der Stadt verfügten über kein einziges freies Zimmer mehr, alle waren schon seit längerer Zeit ausgebucht. Die Büchsenmacher und Sattler hatten jede Menge Arbeiten zu verrichten, um die Wünsche der Reisenden rechtzeitig und zufriedenstellend zu erfüllen. Eine gute Bewaffnung sowie eine solide Ausrüstung waren gefragter denn je. Fast jeden Tag verließen Dampfschiffe den Hafen und fuhren den Missouri hinauf, vollgestopft mit Passagieren auf ihren Weg zur Frontier.

Auf einem dieser Schiffe, die Yellow Stone, verließen Steve Heartford und sein Freund Quincy Griffin am 28. April gegen 11.00 Uhr St. Louis, um an einer seltenen und unterhaltsamen Tour in die Rocky Mountains teilzunehmen. Man hatte als Signal zur Abfahrt einige Kanonenschüsse abgefeuert, worauf sich einige Bewohner von St. Louis am Ufer versammelten, unter ihnen Sauk sowie einige halb zivilisierte Kickapoo. Das Schiff stampfte unter Volldampf durch das Wasser und trotzte der Strömung des Flusses. Auf dem Oberdeck fand man neben verschiedenen großkalibrigen Waffen für Santa Fe Maulesel und Pferde, Stapel an Sätteln, Kisten mit Geschirr, Spaten, Schaufeln und weitere notwendige Dinge für das Leben in der Prärie und in den Bergen.

Fast verborgen in diesem Wirrwarr erblickte Steve einen kleinen Karren, den man auch als Mauleselkiller bezeichnete. Nicht weit davon entfernt stand ein Zelt mit einigen Kisten und Fässern. Die ganze Szenerie war alles andere als bezaubernd und machte auf ihn vielmehr den Eindruck, als ob der Besitzer nicht lange in der Wildnis überleben würde.

 

In den Kabinen und Decks der Schiffes hielten sich Händler aus Santa Fe, Spieler, Spekulanten und Abenteurer unterschiedlichster Art auf. Das Zwischendeck war mit Auswanderern, Mountain Men, Negern und einer Gruppe von Kansas-Indianern mehr als überfüllt. Dicht gedrängt saßen die Männer auf dem nackten Schiffsboden und wärmten sich gegenseitig.

Voll beladen kämpfte sich das Boot stromaufwärts gegen den schnell dahinfließenden Missouri. Immer dann, wenn auf dem Fluss schwimmende Baumstämme gegen die Bordwände schlugen und ein dumpfes Poltern zu hören war, versuchte der Kapitän mit den unterschiedlichsten Manövern dem Treibgut auszuweichen und geriet dabei mit dem Schiff auf eine Sandbank, von denen es viele im Mündungsbereich des Flusses gibt.

Sprühregen setzte ein und ließ das Ufer nur schemenhaft erkennen. Zwei, drei Stunden später ließ er nach und der Himmel begann sich aufzuklaren. An der Reling stehend schaute Steve Heartford auf den breiten und trüben Fluss mit seinen Wirbeln, Sandbänken, zerklüfteten Inseln und waldbedeckten Uferzonen. Hier ändert der Missouri ständig seinen Lauf; die Sandbänke einerseits abtragend, um sie an einer anderen Stelle wieder neu entstehen zu lassen. Sein Flussbett ist ständig in Bewegung. Inseln werden gebildet und wieder überflutet. Während der alte Baumbewuchs auf der einen Uferseite untergraben, ausgewaschen und die Wurzeln freigelegt werden, sodass die Bäume keinen Halt mehr im Erdboden haben, entwickeln sich auf der anderen Seite kleine Sprösslinge, die im Laufe der Zeit zu wuchtigen Bäumen heranwachsen. All diese Veränderungen tragen dazu bei, dass das Wasser aufgrund des Schlammes und Sandes vollkommen lichtundurchlässig erscheint.

Nichts war vom tückischen Untergrund zu sehen, der bei Niedrigwasser manchen Schiffen zu schaffen macht. Zum Glück führte der Missouri genügend Wasser, sodass der Kapitän das Dampfboot schnell frei bekam und die Fahrt fortgesetzt werden konnten.

 

Nach 6 Tagen Fahrt auf Missouri erblickten die Passagiere der Yellow Stone die ersten Teilnehmer am großen Treck in Richtung Westen. Gruppen von Auswanderern lagerten mit ihren Zelten und Wagen in der Nähe des Ufers, um sich ein wenig von den Strapazen des Marsches zum vereinbarten Treffpunkt bei Independence zu erholen.

An diesem regnerischen Tag erreichte das Dampfschiff kurz vor Sonnenuntergang die Anlegestelle, einige Meilen von der Grenze Missouris entfernt. Was die Männer sahen, war für diese Gegend typisch. Am schlammigen Ufer standen dreißig bis vierzig finstere Gestalten – Spanier, die unter ihren breiten Sombreros die Neuankömmlinge anstarrten. Sie gehörten zu einer Gesellschaft in Santa Fe, deren Wagen am Ufer beladen werden sollten. In deren unmittelbaren Nähe hockte eine Gruppe mexikanischer Indianer um ein glimmendes Feuer. Zwei französische Jäger mit langem Haar und Wildlederkleidung schauten auf das Boot. Auf einem Holzklotz saßen drei weitere Männer mit Gewehren, die sie über ihre Knie gelegt hatten. Mit ihren klaren blauen Augen, ihrer kräftigen Statur und einem offenen intelligenten Blick konnten sie sehr gut zu jener Art rastloser und unerschrockener Männern gehören, die mit ihren Äxten und Gewehren den Weg von den Alleghenies bis zu den westlichen Prärien geöffnet hatten.

Wie Steve Heartford von ihnen erfuhr, waren sie so wie viele andere auch auf dem Weg nach Oregon.

Fortsetzung folgt …