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Jackson – Teil 17

Das Verhör

Ich war sicher, Blei in den Gliedern zu haben.

Ich war unfähig, mich zu rühren. Dass ich mich inmitten eines Lagers mit uniformierten Killern befand, war in diesem Moment für mich völlig irrelevant. Ich sah nur die Frau hinter dem Tisch und sonst nichts. Einen Augenblick lang schaute sie mich auch an. Ihr Gesicht glich einer reglosen Maske, aber dann schien sie mich gleichfalls erkannt zu haben. Ich sah es am Zucken ihrer Mundwinkel, dem Flackern in ihren Augen.

Sie errötete leicht, aber sie hatte sich sofort wieder in der Gewalt und wandte sich den anderen zu. Während ich noch krampfhaft überlegte, ob ich sie ansprechen sollte, nahm mir der Mann mit dem flaschengrünen Hemd die Entscheidung ab.

Mit der Rechten packte er mich im Genick.

Seine Finger umspannten meinen Nacken wie eine Schraubzwinge und zwangen mich vorwärts auf einen Stuhl, der vor dem Tisch mit den anderen stand.

Als ich mich hingesetzt hatte, legte er mir zum Dank seinen Schlagstock auf die verletzte Schulter. Mir brach der Schweiß aus und ich hatte Mühe, nicht zu schreien.

»Pass auf Buddy, es gibt zwei Möglichkeiten, wie du die Sache hinter dich bringen kannst. Entweder beantwortest du uns alle Fragen und sagst uns freiwillig, was wir wissen wollen, oder ich prügle es aus dir heraus. Aber glaub mir mein Freund, dann bleibt von dir gerade noch soviel übrig, um damit einen Aschenbecher zu füllen. Also, wie willst du es?«

»Frag mich«, sagte ich schnell.

Ich war nicht in der Lage, hier den starken Mann zu markieren. Ich wollte nichts als überleben und dazu musste ich Zeit schinden.

Aber zunächst kassierte ich eine schallende Ohrfeige. Mein Schädel dröhnte wie eine Kesselpauke, als ich den Mann verständnislos anblickte.

»Ich kann mich nicht entsinnen, mit dir Schweine gehütet zu haben, also duze mich gefälligst nicht, verstanden?«

Ich nickte.

»Wie heißt du?«

»Jackson«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Adam Jackson«

Der Schläger hob den Kopf und starrte erwartungsvoll auf den Mann, der links am Tisch saß. Er war sehr groß, aber klapperdürr. Er hatte schmale, knochige Schultern und saß leicht vornübergeneigt. Er hatte die Unterarme auf den Tisch gelegt und die Hände wie ein Priester zusammengefaltet. Ein viel zu weites Hemd bedeckte seinen mageren Oberkörper.

Er hatte das Gesicht eines Frettchens, schmal, hohlwangig und spitz. Sein dünnlippiger Mund und die großen, vorstehenden Zähne verstärkten den Eindruck noch. Als er nickte, entspannte sich die Gestalt des Schlägers neben mir merklich.

»Er sagt die Wahrheit«, erwiderte das Frettchen. »Mit diesem Namen hat er eingecheckt.«

»Okay, weiter im Text. Du bist kein Australier, also was willst du in Down Under?«

Ich blieb weiterhin bei der Wahrheit, alles andere wäre sowieso sinnlos gewesen. Sie wussten so oder so über mich Bescheid. Allein, dass sie meinen Namen kannten, mit dem ich mich eingecheckt hatte, sagte alles.

»Und was ist dann nach der Bruchlandung passiert?«

Der Mann, der sich jetzt in das Verhör einmischte, saß neben dem Frettchen. Er war klein und machte auf mich einen ziemlich unscheinbaren Eindruck, aber nur so lange, bis ich in seine Augen gesehen hatte. Sie waren klar wie ein See in den Bergen, doch ihr Blick hätte selbst die Hölle erfrieren lassen. Ich hielt ihn für den gefährlichsten Mann im Raum.

Ich erzählte ihnen die Geschichte, soweit ich sie in Erinnerung hatte, wobei ich aber darauf achtete, meine Auseinandersetzungen mit den Uniformierten nicht zu sehr hervorzuheben, sondern sie ziemlich weichgespült zu umschreiben.

Irgendwann bekam ich vom Reden einen trockenen Hals, bis ich nur noch ein Krächzen hervorbringen konnte. Aber etwas zu trinken gab es trotzdem nicht. Stattdessen erhob sich der Dürre plötzlich von seinem Platz, flüsterte der Frau etwas ins Ohr und verließ die Hütte, nachdem sie ihm zugenickt hatte.

Damit war die Unterredung dann auch beendet.

Man brachte mich in eine der Holzhütten, verschloss die Tür von außen und stellte einen Posten davor. Meinetwegen hätten sie auch zehn Posten vor die Tür stellen können, es interessierte mich nicht. Das Einzige, was mich noch interessierte, war das breite Bett in der Hütte. Ich war so müde und erschlagen, dass ich nicht einmal mehr aus den Schuhen kam. Ich machte mich einfach lang, drehte den Kopf zur Wand und war im gleichen Moment eingeschlafen.

 

***

Keine zwei Stunden später war ich wieder wach.

Die Eingangstür knarrte in den Angeln.

Aus den Augenwinkeln heraus nahm ich einen Schatten wahr.

Ich rührte mich nicht. Ich lauschte, während sich meine Augen nach und nach an die Dunkelheit gewöhnten.

Dann sah ich die Frau.

Sie stand mitten im Raum.

Im Lichtschein einer der Lagerlampen, der direkt durch das Fenster der Hütte fiel, konnte ich jede ihrer Bewegungen erkennen. Sie bewegte sich katzenhaft wie ein Raubtier auf mich zu.

Sie hatte das strenge, militärisch wirkende Kostüm, das sie in der Hütte getragen hatte, gegen eine Hose und ein ärmelloses T-Shirt eingetauscht und trug ihr Haar jetzt offen. Es fiel lang und weich auf ihre runden Schultern und schimmerte im fahlen Licht wie Seide.

Mein Hals wurde trocken. Was zum Teufel führte die Frau im Schilde?

Einen Moment blieb sie vor meinem Bett stehen.

Sie legte den Kopf schief und betrachtete mich mit einem belustigten Lächeln.

»Du brauchst dich nicht zu verstellen, ich weiß, dass du wach bist«, flüsterte sie leise.

Ich antwortete nicht, dafür setzte sie sich neben mich aufs Bett.

Sekundenlang musterten wir uns schweigend.

»Du sitzt ziemlich tief in der Scheiße«, sagte sie plötzlich.

Ich hatte Mühe, nicht laut loszulachen. »Bist du etwa hergekommen, um mir das zu sagen?«

Sie schüttelte den Kopf und strich ihr Haar zurück. »Du hast noch etwas gut bei mir.«

»Wegen dem Franzosen?«

Sie nickte. »Pasquale ist ein Schwein, aber ich bin leider nicht in der Position, mir die Leute auszusuchen, mit denen ich zusammenarbeite.«

»Dann wechsle doch die Firma, oder hindert dich da jemand dran?«

Die Frau schaute geistesabwesend zum Fenster hinaus, während sich ihr Blick verschleierte.

»Lass es mich so ausdrücken: Es wäre nicht gut für meine Gesundheit.«

Plötzlich war ihr Gesicht ganz nah vor dem meinen.

»Wir haben nur eine halbe Stunde, länger konnte ich den Posten nicht bestechen.«

Ich versteifte mich unwillkürlich.

Wollte sie damit etwa andeuten, dass sie eine Nummer mit mir schieben wollte, um sich damit für mein Eingreifen auf dem Flughafen zu bedanken?

Okay, warum nicht?

Trotz ihres runden Mondgesichts und den etwas zu drallen Oberschenkeln war die Kleine ein netter Käfer. Ich richtete mich auf und wollte meine Finger nach ihr ausstrecken, als sie mir auswich und energisch den Kopf schüttelte.

»Jetzt nicht, es sei denn, es interessiert dich nicht zu erfahren, wie man von hier verschwinden kann.«

Ich zog meine Finger zurück und spitzte die Ohren.

Das war natürlich ein Argument. Nicht, dass ich etwas dagegen gehabt hätte, mich mit ihr auf ein Spiel zwischen den Laken einzulassen, aber die Aussicht, ungeschoren von hier zu verschwinden, toppte natürlich jeglichen One-Night-Stand.

Ich war hellwach, als sie mir mit wenigen, knappen Sätzen eine Möglichkeit zur Flucht aufzeigte. Ich prägte mir jedes einzelne ihrer Worte ein und nickte entschlossen, als sie mich fragte, ob ich alles verstanden hatte.

»Ich heiße Linda«, sagte sie plötzlich. »Linda Fuller. Ich bin Ärztin.«

Bevor ich etwas sagen konnte, beugte sie sich zu mir herunter und küsste mich.

Es war ein Kuss voller Gier und Leidenschaft.

Ein Kuss, zu dem nur jemand fähig war, der sich verzweifelt nach Liebe und Zuneigung sehnte.

Deshalb kam das Ende für mich auch ziemlich abrupt.

Gerade, als es den Anschein hatte, als ob sie von ihren Gefühlen überwältigt wurde, richtete sie sich unvermittelt auf und eilte zur Tür zurück.

»Wir sehen uns später«, sagte sie spröde.

 

***

»Aufstehen habe ich gesagt, oder hast du was an den Ohren?«

Das Schlagen einer Tür und das Stampfen von Stiefeln rissen mich jäh aus dem Schlaf. Benommen drehte ich mich auf die Seite, als mir jemand mit einem Ruck die Decke vom Körper riss.

Im selben Moment tönte die schnarrende Stimme erneut.

»Los jetzt, schwing deinen Arsch aus dem Bett oder ich mach dir Beine!«

Diesmal war es leider nicht Linda, die mich geweckt hatte, sondern der Mann mit dem flaschengrünen Hemd. Diesmal war überhaupt alles anders als bei meinem Eintreffen im Lager. Die Blicke der Männer, die mich abholten, waren düsterer und der Umgangston wesentlich rauer als bei unserem ersten Zusammentreffen. Auch in der Hütte war einiges anders, obwohl es die gleiche war, in der man mich gestern verhört hatte.

Es gab keinen Tisch mehr, sondern nur noch zwei Stühle und von dem gestrigen Empfangskomitee war nur noch der unscheinbare kleine Mann mit den kalten Augen übrig.

Er stand mitten im Raum und rauchte.

Wobei rauchen nicht der richtige Ausdruck war, er saugte an seiner Zigarre wie ein Kleinkind an seinem Schnuller und setzte dabei fast die ganze Hütte unter Nebel.

Als er mich sah, nahm er die Zigarre aus dem Mundwinkel und deutete mit der Spitze auf einen der Stühle.

Ich setzte mich, wenn auch nur sehr zögerlich.

Trotzdem konnte mich der Mann mit dem flaschengrünen Hemd glatt überrumpeln.

Mein Hintern hatte noch nicht einmal Kontakt mit der Sitzfläche, als ich auch schon seinen Schlagstock an der Kehle spürte. Er hatte das Ding mit den Fäusten an beiden Enden gepackt und presste es mir gegen den Hals.

»Hände auf die Lehnen!«

Es dauerte einen Moment, bis ich seinem Befehl nachkam, dafür drückte er mir im Gegenzug mit seinem Schlagstock fast den Kehlkopf ein. Ich japste nach Luft, indessen der Zigarrenmann ein paar Schnüre aus der Hosentasche zog und mir die Unterarme an die Stuhllehnen band. Nicht besonders fest, aber auch nicht so locker, dass ich meine Arme so bewegen konnte, wie ich wollte.

Anschließend trat er einen Schritt zurück und begutachtete sein Werk.

»So«, sagte er schließlich und seine Stimme klang so emotionslos, als redete er übers Wetter. »Dann wollen wir doch einmal sehen, was Sie so zu erzählen haben, wenn ich etwas genauer nachfrage.«

Was es mit dem genauer auf sich hatte, merkte ich, als er direkt neben mir stand und mir die glühende Spitze seiner Zigarre für eine Sekunde auf den linken Arm drückte.

Der Schmerz war gemein.

Die angesengte Hautstelle brannte noch, als er die Zigarre längst wieder weggenommen hatte.

»Unangenehm, nicht wahr?«, fragte er beiläufig. Dann beugte er sich vor, starrte mir ins Gesicht und redete einfach weiter, als würde er überhaupt keine Antwort erwarten.

»Wissen Sie, wie unangenehm es erst wird, wenn ich Ihnen das Ding direkt ins Auge halte oder an Ihre Eier?«

Ich begann zu schwitzen und das nicht nur, weil die Morgensonne allmählich immer stärker auf das Dach der Hütte schien.

Ich war nicht im Geringsten daran interessiert zu erfahren, wie unangenehm es werden konnte.

»Was wollen Sie wissen?«, platzte es förmlich aus mir heraus.

Er sagte es mir und es wurde eine ziemlich einseitige Unterhaltung.

Er gab mir ein Stichwort und ich redete minutenlang wie ein Wasserfall. War er mit dem Gesagten zufrieden, kam das nächste Stichwort, wenn nicht die Zigarrenspitze.

Ich brachte es auf sechs Brandblasen, bis er mich in mein Quartier zurückbringen ließ. Inzwischen war es Mittag geworden.

Es war nicht so, dass er Mitleid mit mir hatte, aber irgendwann hat selbst der Teufel einmal Hunger.

Fortsetzung folgt …