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Der Fluch der Hexen von Paisley

Der Fluch der Hexen von Paisley

Einige glauben, dass die schottische Stadt Paisley verflucht ist. Alle tragischen Ereignissen und Unglücke der letzten 300 Jahre, welche in der Stadt auftraten, sollen durch einen Fluch verursacht worden sein. Obwohl es nicht gerade beruhigend erscheint, einen verdammten Ort aufzusuchen, wirkt es desto beunruhigender, in die Geschichte einzutauchen, um herauszufinden, wie es zu diesem Fluch kam.

Im Jahre 1692 hängte man in The Witch City Salem 19 Hexen auf, bei denen der Nachweis der neun »heimgesuchten Kinder« erbracht worden war. Schottland hatte ein paar Jahre später seine eigene sehr ähnliche Erfahrung. Zu dieser Zeit stand nur ein Kind im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Es soll für den Tod von sieben Menschen wegen Hexerei verantwortlich und ihr späteres Leben ebenso außergewöhnlich gewesen sein.
Christian Shaw, älteste Tochter von John Shaw, Gutsherr eines kleinen Anwesens in Bargarran, Renfrewshire, wurde 1685 geboren. Als das aufgeweckte und lebhafte Mädchen im Alter von elf Jahren die Hausmagd Catherine Campell dabei ertappte, wie diese ohne Erlaubnis heimlich Milch trank, erzählte Christian davon ihrer Mutter. »Der Teufel möge deine Seele durch die Hölle schleudern«, soll die Hausmagd gesagt haben. Bald darauf begann Christian sporadisch seltsame Visionen zu bekommen. Eine Luftveränderung brachte ein wenig Besserung, aber als sie nach Hause kam, kehrten die Probleme zurück und ihr Zustand wurde schlechter. Christian behauptete, dass sie und andere, vor allem diejenigen, die sie nicht mochte, durch Catherine gepeinigt wurden und entsprechende Hinweise zu finden seien. Sie fing an, solche Dinge wie »unreines Heu, Hühnerfedern, Kieselsteine, Galle, Kerzenfett und Eierschalen« zu spucken, und erklärte, dass diese Dinge durch ihre Peiniger in ihren Körper platziert worden waren. Sie schwebte plötzlich durch ihr Zimmer, ohne dabei den Boden zu berühren und verbrachte Dinge von einem Ort zum anderen, ohne diese in die Hände zu nehmen. Sie beschäftigte sich in komplexen theologischen Auseinandersetzungen mit einem unsichtbaren Teufel und zitierte dabei exakt entsprechende biblische Texte. Ihr Vater brachte sie zu dem berühmten Dr. Matthew Brisbane, ein Absolvent der Universität zu Utrecht. Zu seinen Vorteil spuckte sie ein heißes Stück Kohle in der Größe einer Kastanie aus. Er war verwirrt und diagnostizierte ihren Zustand als teuflische Besessenheit. Ihr Vater überredete den Sheriff Depute1 von Lanarkshire, seine Tochter zu einer Haftstrafe zu verurteilen, damit die Hexen ihre Macht über sie verlieren sollten. Doch der Zustand der Inhaftierten verbesserte sich kaum.

Im Januar 1697 setzte der Geheime Rat eine Kommission ein, um den Fall zu untersuchen. Mehrere Personen wurden festgenommen. Eine von ihnen, Elizabeth Anderson, brach zusammen und legte ein Geständnis ab. Schließlich wurden 27 Personen unter dem Verdacht der Hexerei verhaftet. Im Zusammenhang mit dem Fall Christian Shaw gab es auch Vorwürfe von Kindsmord, Ertrinken und Erkrankungen, durch Zauberei verursacht. Einer der Verhafteten, Alexander Anderson, Elizabeths Vater, starb im Gefängnis. Am Ende standen sieben Menschen einem Gerichtsprozess gegenüber, der eine lange schleppende Angelegenheit aufgrund der Beweisführung und zahlreicher Vertagungen war. Die sieben, John Reid, Catherine Campbell, Agnes Naismith, Margaret Long, Margaret Fulton und die Brüder John und James Lindsay wurden für schuldig befunden, zum Tode durch Strangulierung und zum Verbrennen auf dem Scheiterhaufen verurteilt. John Reid erhängte sich im Gefängnis, bevor das Urteil vollstreckt worden war, aber die anderen traf das Schicksal bei Gallow Green im Paisleys West End am 10. Juni 1697. Die Lindsay-Brüder, nur 11 und 14 alt, hielten sich an den Händen, als sie zusammen stranguliert wurden. Catherine Campbell schrie den Henker an. Agnes Naismith sprach einen Fluch aus, der seither für Paisleys Übel verantwortlich gemacht wurde und vor allem die Anwesenden und deren Nachkommen treffen sollte. Es wird angenommen, dass nicht alle »Hexen« tot waren, als ihre Körper auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Ein Zuschauer stieß mit seinem Spazierstock sich noch bewegende Gliedmaßen in die Flammen zurück. Der Besitzer weigerte sich, den Spazierstock wieder an sich zu nehmen, da er glaubte, dass dieser verhext sei.

Nach vollzogener Hinrichtung schien Christian Shaw geheilt zu sein.

Verständlicherweise war Christian auf dem Heiratsmarkt nicht sehr begehrt. Mit 34 Jahren heiratete sie 1719 John Millar, Minister of Kilmaurs, welcher bereits drei Jahre später starb. Die verwitwete Christian fand in Johnstone ein kleines Haus und eröffnete eine Spinnerei. Zu dieser Zeit waren Spitze und Leinen aus den Niederlanden weltweit sehr gefragt. Sie hatte eine Vorrichtung erschaffen, die Flachs drehen konnte, um ein starkes gleichmäßiges Garn herzustellen. Christian fand jedoch, dass sie außerstande sei, etwas Vergleichbares produzieren zu können. Und sie sah ihre Chance. Sie überredete einen Glasgower Kaufmann aus ihrer Bekanntschaft, bei seinem nächsten Besuch die wichtigsten Maschinenteile aus den Niederlanden mitzubringen, und baute in Bargarran eine kleine Garnspinnerei auf, stellte ihre Schwester ein und machte ihre Mutter zum Kopf der Firma. Die Frau von Lord Blantyre, welcher als Richter den Vorsitz im Hexenprozess innehatte, hielt den Kontakt zu Christian und ihrer Familie aufrecht. Sie nahm Proben ihrer Arbeiten und zeigte sie den Damen der oberen Gesellschaft des Landes. Lady Blantyre überzeugte ihren herrschaftlichen Freundeskreis und einheimische Unternehmer, die Herstellung bargarranischer Garne und Batiste zu fördern. Christian Shaw nutzte weitere aristokratische Frauen aus, um mit ihren Waren angeben zu können. Aufträge kamen aus dem Norden, und der Ruf der Bargarran Thread Company mit dem Familienwappen als Markenzeichen wuchs. Bald waren ihre Produkte von Stickereien und Klöpplern weit im Süden wie zum Beispiel in Honiton, welches das Zentrum für die Herstellung qualitativ hochwertiger Spitze war, gefragter denn je.

Andere in Renfrewshire, besonders in Paisley, übernahmen Christians Methoden und brachten damit eine florierende Industrie in der Region hervor. Im weiteren Verlauf des Jahrhunderts wurde dem Leinen Baumwolle beigefügt, sodass sich für zwei Jahrhunderte die Produktion von Textilien zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige in Schottland entwickelte.

1820 beschäftigten die Paisleyer Fabriken 7.000 Menschen, und die Stadt selbst wurde nach Edinburgh und Glasgow zu einem der größten Ballungsgebiete Schottlands. Nur das Aufkommen der kostengünstigen Produktion in den Entwicklungsländern gegen Ende des 20. Jahrhunderts führte zum Untergang.

Und was wurde aus Christian Shaw? Im Alter von 50 Jahren heiratete sie 1737, mittlerweile Besitzerin eines stattlichen Vermögens geworden, den Handschuhmacher William Livingstone aus Edinburgh und lebte mit ihm glücklich bis ans Lebensende.

Quelle:

  • Levack, Brian P.: The Witchcraft Sourcebook. E-Book. Taylor and Francis. 2012. London

(wb)

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  1. Vorsitzender Richter