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Leichenfresser

Brian Keene
Horror TB, Band 59
Leichenfresser
Ghoul, USA 2007

Horror, Taschenbuch Festa Verlag, Leipzig, Juli 2013, 400 Seiten, 13,95 Euro, ISBN: 9783865522078, aus dem Amerikanischen von Michael Krug, Titelfoto/Titelgestaltung von Shutterstock.com
www.festa-verlag.de
www.briankeene.com

Die Sommerferien sollen für die drei unzertrennlichen Freunde Timmy Graco, Doug Keiser und Barry Smeltzer die schönste Zeit des Jahres werden. Ein endloser Sommer, in dem sie Angeln, Comis lesen und Zeit in ihrem geheimen Bunker nahe dem Friedhof verbringen wollen. Trotz Dougs nymphomanisch veranlagter, alkoholabhängiger Mutter und Barrys gewalttätigem Vater halten die drei zwölfjährigen Jungs zusammen. Doch dann stirbt Timmys Großvater unvermutet an einem Herzanfall und zwei Jugendliche verschwinden spurlos. Erste Schatten legen sich drohend über die unbeschwerte Kindheit. Doch Timmy und seinen Freunden werden in diesem Sommer noch weitere Monster begegnen, denn unter dem Friedhof scheint eine Kreatur zu hausen, die sich von Leichen ernährt. Immer mehr Gräber sacken ein, unter anderem auch das von Timmys Großvater, und manchmal scheint es so, als ob die Schreie verzweifelter Frauen aus der Tiefe dringen. Timmy kommt dem Monster auf die Spur, doch seine sonst so verständnisvollen Eltern schenken ihm keinen Glauben, so fasst der Zwölfjährige einen verhängnisvollen Entschluss …

Die leichenfressenden Ghouls, um die es in diesem Roman geht, fristen in der Horror-Literatur ein Schattendasein und sind allenfalls schmückendes Beiwerk in Fantasy-Romanen. Der Ghoul als Leichenfresser wurde durch die Geschichten von H. P. Lovecraft populär, von denen sich auch Brian Keene gerne inspirieren lässt. Allerdings haben die unter den Friedhöfen hausenden Kreaturen nur noch wenig mit den Wesen aus der arabischen Mythologie zu tun, wie sie in dem Buch Tausendundeine Nacht geschildert werden. Dort handelt es sich nämlich vorrangig um weibliche Dämonen, mit der Fähigkeit die Gestalt zu verändern, um Wanderer von ihren Wegen abzubringen und sie anschließend zu verschlingen. In Deutschland erlangten Ghouls vor allem durch die Heftromane der 70er und 80er Jahre Popularität und unterscheiden sich erstaunlich wenig von jener Bestie, wie sie Keene in seinem vorliegenden Roman beschreibt. Dabei handelt es sich um einen einzelnen Leichenfresser, der vor vielen Jahren unter einem Grabstein gebannt wurde, den sonderbare Symbole zieren. Als der Ghoul unbeabsichtigt befreit wird, beginnt das Grauen. In erster Linie handelt der Roman jedoch von der unbeschwerten Kindheit dreier Jungs. Die Handlung spielt im Jahr 1984, lange nach dem Vietnamkrieg und in einer Zeit als Terrorismus noch ein seltenes und vereinzeltes Phänomen ist. Die Computer- und Kommunikationstechnologie steckt noch in den Kinderschuhen und die Protagonisten Timmy, Doug und Barry beschäftigen sich noch mit Angeln, Comics und Abenteuern. Für viele Leser dürfte dieser Roman auch eine Reise in die eigene Vergangenheit sein. Die Rückkehr der Jedi-Ritter lief gerade erst im Kino und Vorabend-Serien wie The A-Team waren noch Gesprächsthema Nummer 1 auf dem Schulhof. Von den vielen Zeichentrickserien ganz zu schweigen, von denen der Großteil auch hierzulande eine ganze Generation begeistert hat. Brian Keene gelingt es spielerisch einfach den Zeitgeist der 80er Jahre einzufangen und beschreibt die drei kindlichen Protagonisten mit einer Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit, als ob sie wirklich existiert hätten. Dadurch wirkt der Roman insgesamt sehr authentisch und intensiv, ebenso wie die häuslichen Schrecken, die sich hinter der biederen Fassade einer typisch amerikanischen Kleinstadt verbergen. Stellenweise tritt dabei der leichenfressende Ghoul in den Hintergrund und wird lediglich zu einem Monster unter vielen. Doch nicht alle sind grundsätzlich böse, was Timmy erkennen muss, als sie dem Dobermann Catcher eine Falle stellen. Eine eindringliche Szene, die vor allem Tier- und Hundeliebhaber auf eine harte Probe stellt. Gleichzeitig aber auch der plastische Beweis für das erzählerische Talent des Autors, der Figuren und Szenarien so lebhaft zu beschreiben vermag, dass man in die Handlung regelrecht eintaucht und mit den Figuren mitleidet und mitfiebert. Dabei ist der Plot der Geschichte nicht einmal besonders raffiniert, und der Helfer des Ghouls wird bereits nach 100 Seiten namentlich genannt, dessen Enthüllung den aufmerksamen Leser aber nicht überraschen dürfte. Allerdings wollte Keene mit diesem Roman auch kein Rätselraten veranstalten. Vielmehr ist Leichenfresser eine gruselige Analogie zum Erwachsenwerden, wie sie Horror-Autoren gerne schreiben. Stephen Kings ES ist wohl das berühmteste Beispiel, doch auch Richard Laymon (Die Show) und Jack Ketchum (Evil) haben sich bereits intensiv mit der Thematik befasst. Brian Keene hat seinem Roman durch den Ghoul Eigenständigkeit verliehen, scheut aber auch nicht davor zurück die menschlichen Ungeheuer und ihre Gräueltaten zu zeigen. Dabei bleiben die Charaktere und ihre Handlungen immer nachvollziehbar und glaubwürdig. Natürlich fallen auch hier Begriffe wie »Siqqusim« oder »Powwow«, ein alter heidnischer Glaube. Selbst »Der lange verborgene Freund« wird erwähnt, ein Buch mit magischen Formeln, das in dem Roman Eine Versammlung von Krähen eine wichtige Rolle spielt. Dessen ungeachtet ist Leichenfresser ein Roman, der allen Horror-Fans wärmstens empfohlen wird. Nicht zuletzt dank der gelungenen Übersetzung durch Michael Krug ein nachhaltiges Lesevergnügen.

Auch dieses Motiv aus der umfangreichen Sammlung von Shutterstock.com passt perfekt zum Setting des Romans inklusive der düster-roten Farbgebung. Das Taschenbuch liegt gut in der Hand und ist hochwertig verarbeitet worden.

Fazit:
Ein Horror-Roman par excellence. Mit Sicherheit eines von Keenes besten Werken, das sich kein Fan entgehen lassen sollte. Eins der wenigen Bücher, die sich ernsthaft mit »Ghouls« im klassischen Sinn auseinandersetzt. Unbedingt lesen.

(fh)