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Der Welt-Detektiv Band 6

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Mahpiya-win – Die Entscheidung – Teil 13

Der Mann rollte sich am Boden herum und hob sein Gewehr. Es entfiel seinen kraftlosen Händen, die nach Halt suchend in die Luft griffen. Ein letztes Röcheln entfuhr seiner Kehle. Der Schaft der Lanze zitterte, die den Mann am Boden festnagelte. Dem nächsten Gegner, der mit einem Messer in der Hand auf ihn zusprang, durchtrennte Wakteka die Kehle. Unbändiger Hass führte seine Waffen gegen die Feinde. Seit Wochen zog seine Gruppe eine blutige Spur durch das Land. Er war davon besessen, die Weißen auszulöschen. In jeder Siedlung, die sie niederbrannten, ließen sie einen Menschen am Leben, der die Nachricht verbreiten sollte, warum Wakteka gegen die Weißen in den Krieg zog. Sie hatten ihm seine Frau genommen und dafür mussten sie sterben. Alle. Es wurde nicht unterschieden zwischen Mann, Frau und Kind. Feinde musste man vernichten. Gefangene wurden nicht gemacht. Unbarmherzig töteten die Krieger jegliches Leben, bis auf den Nachrichtenüberbringer. Das Land war in Aufruhr und die Soldaten verfolgten sie.

An jenem Morgen, als Mahpiya-win das Lager verließ, war sein Herz mit ihr gestorben. Mit ihr wich die Sonne aus seinem Herzen. Als sein Kriegspony zurückkehrte, kostete es ihn große Beherrschung, es aus Schmerz nicht auf der Stelle zu töten. Doch er wusste, sie hatte es zu ihm zurückgeschickt. Als Zeichen seiner tiefen Trauer, hatte er sich sein Haar abgeschnitten. Nie wieder wollte er es lang tragen. Seine Geliebte hatte ihn verlassen, um ihn und sein Volk zu schützen. Seine Freunde brachten ihm eine weiße Gefangene, deren Haar wie die aufgehende Sonne glänzte, doch er wollte keine andere Frau. Er schenkte sie einem guten Krieger, der sie anständig behandelte. Seit sein Herz gestorben war, hatte er kein einziges Mal gelacht. Sein Kind war inzwischen geboren. War es ein Mädchen mit Mahpiya-wins grüngrauen Augen, oder ein Junge? Er wusste, sie würde seinem Kind eine gute Mutter sein. Oft betete er zu den Göttern, um Schutz für seine Frau und sein Kind.

Das Geräusch in seinem Rücken und der Druck um seinen Hals waren eins. Schmerzhaft zog sich die Schlinge zu. Hände hielten seine Arme umklammert. Vor ihm tauchte ein Soldat auf. Er war hochrangig, wie die vielen Abzeichen auf seiner Uniform zeigten. Wie ein Speer, der sich durch weiches Fleisch bohrte, durchzuckte ihn die Erkenntnis, dass sie in eine Falle der Soldaten gelaufen waren. Hass, Trauer und Schmerz hatten seine Sinne vernebelt, seinen Instinkt getrübt. Er trat nach hinten. Der Schmerzensschrei sagte ihm, dass er gut getroffen hatte. Als Antwort erhielt er einen Schlag mit dem Gewehrkolben auf den Oberarm. Ein Knochen brach knirschend. Schmerz durchfuhr ihn. Ein gurgelnder Laut entwich seiner Kehle. Der Soldat vor ihm grinste hämisch und nickte. Wakteka wollte Rache und diese Rache endete hier. Der Druck um seinen Hals verstärkte sich, er schnappte nach Luft, spürte, wie seine Augen hervorquollen. Mahpiya-win, seine Liebe, sein Leben. Er wird sie nicht mehr sehen, nicht in diesem Leben.

***

Sie erwachte von ihren eigenen Tränen. Die Spirits hatten ihr diesen Traum geschickt. Den Traum, in dem sie Waktekas Tod sah. Er würde nicht wiederkehren. Keiner der Krieger kam wieder. Sie fragte nicht mehr, warum ihr nur für kurze Zeit Glück bestimmt war. Niemand würde ihre Fragen beantworten. Es war ihr so auferlegt. Sie atmete gepresst. Es kostete sie ungeheure Kraft, ihren Schmerz nicht hinauszuschreien. Sie setzte sich auf, winkelte die Beine an, legte ihren Kopf auf die Knie und weinte lautlos. Noch etwas hatten die Spirits sie sehen lassen. Etwas, das bald geschehen würde.

Mit Tränen in den Augen ging sie zum Fluss hinunter. Es war noch dunkel, im Lager regte sich nichts. Sie dankte für den Traum und für das Geschenk der großen Liebe, die sie mit Wakteka erleben durfte. Sie reinigte sich gründlich, schlüpfte in ihr Kleid und ging zurück. Mit der Morgendämmerung kehrte langsam Leben ins Lager. Aber es war nicht so wie früher. Sie erinnerte sich daran, als noch Leben im Dorf herrschte. Hundegebell, Kinderlachen. Das war vorbei. Im Dorf befanden sich Kinder, Frauen und einige alte Männer. Die Kriege mit den Weißen hatten sie geschwächt. Alle warteten auf die Rückkehr der Krieger. Mahpiya-win starrte in die aufgehende Sonne und wartete. Doch nicht auf die Rückkehr der Krieger, die nicht kommen würden. Wakteka sagte manchmal, dass sie zu weichherzig für eine aus dem Volk sei. Sie war mitfühlend, darum trug sie schwer mit dem Wissen, dass die Tage des roten Volkes gezählt waren. Die anderen glaubten an den Sieg. Sie wusste, dass es anders war. Vielleicht hatte Wakteka es auch geahnt, doch er war ein Krieger. Ein Akicita tat, was die Menschen von ihm erwarteten. Kämpfen. Als sie beim Abschied in seine Augen geblickt hatte, wusste sie, dass sie ihn nicht mehr sehen würde. Nicht in diesem Leben. Er hatte nie über seine Vorahnungen gesprochen, doch sie konnte in sein Herz blicken. Es traf ihn schwer, sein Volk nicht in den Frieden zu führen. Die Weißen wollten mit den Indianern nicht in Frieden leben. Etwas, das nicht weiß war, löschten sie aus. Ohne Gewissen, ohne Reue. Sie war eine aus dem Volk, auch wenn sie nicht als Indianerin geboren war. Sie war so weiß, wie die Menschen, durch die sie gejagt wurden. Mochte ihre Haut weiß sein, ihr Herz war rot. Ihr anderes Leben hatte sie weit hinter sich gelassen, es war nicht wichtig. Der Beginn beim Volk war schwierig gewesen, doch sie war stark. Nur die Stärksten und Mutigsten wurden akzeptiert. Das war wichtig für das Gleichgewicht. Es war das Gesetz der Natur, die keine Nachsicht mit Schwächlingen kannte. Würden sie ihr verzeihen? Er wird ihr verzeihen, weil er sie liebte. So sehr, dass er sich nie eine zweite Frau genommen hätte. Er sagte einmal, er habe nur ein Herz, und das gehört ihr, für alle Zeit. Sie wollte nicht in eine Zukunft fliehen, die keine war. Es gab keine Zukunft. Die Alten wussten es. Die Jungen glaubten noch immer an einen Sieg. Das Volk starb an den Krankheiten der Weißen und verhungerte im Winter auf der Flucht. Es war lange her, seit die letzte Büffelherde vorbeizog. Die Weißen schlachteten die Nahrungsquelle des Volkes. Seit dem Traum wusste sie, was zu tun war. Sie würde nicht fliehen. Es gab kein Zusammenleben zwischen weiß und rot. Vielleicht später, doch die Zeit dazu war noch nicht reif. Sie würde sich nicht als Weiße zu erkennen geben. Nichts taten Soldaten lieber, als weiße Frauen aus den Indianerlagern zu retten, um als Helden dazustehen. Doch sie war glücklich gewesen, hatte mit jeder Faser ihres Herzens geliebt. Nirgendwo war sie so zu Hause gewesen wie im Dorf ihres Volkes, auch wenn es nur für kurze Zeit gewesen war. Ihr Mann war tot, ihr Kind war tot. Das rote Volk war verloren. Es war vorbei.

Der Boden unter ihren Füßen vibrierte. Bald würden sie kommen. Hinter ihr wurden die Menschen unruhig. Sie hofften, dass die Krieger zurückkehrten, hatten verlernt, richtig hinzuhören. Dieses Vibrieren trug den Hauch des Bösen in sich. Es war besser zu sterben, als in den Reservaten dahinzusiechen oder zu fliehen. Es gab keine Sicherheit. Bald würde das Volk vereint in einem anderen Leben sein. Sie würden ihr verzeihen, dass sie ihren Traum niemand erzählte. Er wird ihr verzeihen. Das war wichtig. Dann verziehen auch die anderen. Ihr Herz und ihre Seele waren rot, dass wussten alle.

Das Vibrieren wurde stärker. Die Unruhe im Dorf steigerte sich. Sie drehte sich um. Ihr Blick glitt über die Menschen, mit denen sie gelacht und geweint hatte und blieb an einem alten Mann hängen. Er war weißhaarig, viele Monde alt, hatte viel gesehen und konnte viel erzählen. Sein Körper war gebeugt, sein Gesicht faltig, doch sein Blick war klar. Er nickte ihr im Einverständnis zu und umklammerte seinen Speer. Sie lächelte und drehte sich nach vorne.

Die Laute stampfender Pferde und Angriffsschreie aus Männerkehlen erfüllte die Luft. Messingknöpfe auf Soldatenjacken und Säbel blitzten in der aufgehenden Sonne. Hinter ihr nahmen die Dorfbewohner ihre Waffen, um sich dem Kampf zu stellen. Es würde ein kurzer, gnadenloser Kampf werden. Sie brauchte keine Waffe, ihre stärksten Waffen trug sie in sich. Mut, Stolz und Kraft. Sie kamen näher.

Der melodische Schrei eines Adlers führte ihren Blick zum Himmel. Er würde sie begleiten. Sie war nicht allein, wenn sie hinüberging. Die Soldaten lachten, feuerten ihre Waffen ab. Wieder einmal nahmen Weiße ihr Leben. Die Menschen, die sich Christen nannten, die in der Kirche zu ihrem Gott beteten, schlachteten Frauen und Kinder ab. Sie erfreuten sich an Blut und Schmerz der Menschen, deren Hautfarbe nicht weiß war. Sie lächelte, stand mit hocherhobenem Kopf und blickte ihnen entgegen. Der Schlag gegen ihren Köper war nicht schlimm, doch das Feuer in ihr drohte sie zu zerreißen. Blut sickerte aus einer kleinen Einschusswunde nahe ihrem Herzen. Das bärtige Gesicht vor ihr lachte. Der Säbel näherte sich und traf sie, spaltete ihren Oberkörper, der weit auseinanderklaffte. Sie sackte zu Boden. Der Schmerz verebbte. Sie lächelte noch immer. Bald wird sie mit Wakteka wieder vereint sein. Bald.

Ende


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