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Westernkurier 08/2013

Kennen Sie Cowboys?

»Von 1875 bis 1882 gab es sicherlich wenige Männer in Amerika, die während des großen Herdentreibens mehr Erfahrungen mit Indianern, Büffeln, Pferdedieben und Halsabschneidern gemacht haben als ich.
Ich habe stets achtzehn von den vierundzwanzig Stunden eines Tages im Sattel verbracht. Als ich 1882 aufgab, brütete ich keinen einzigen Dollar in der Tasche aus, hatte aber für viele Dollars Spaß am Leben gehabt. Jetzt bin ich einundsiebzig, und wenn ich so zurückblicke, würde ich trotzdem wieder nichts anderes tun, als ich getan habe. Geld ist nichts, Leben ist alles.«

Gus Black, Eagle Pass, Texas, 1920

Auf ein Wort Stranger, oben erwähnte Frage bezieht sich nicht auf die von der Unterhaltungsindustrie zurechtgebogenen Figuren, bei denen nur noch das Wort Cowboy authentisch ist, sondern auf jenen Menschenschlag, der Amerika unwiederbringlich seinen Stempel aufgedrückt hat.
Die große Zeit des Cowboys, die ihn zur symbolstärksten Figur des amerikanischen Nationalmythos machte, brach 1865 mit dem Ende des Sezessionskrieges an und war zu Ende, als die Eisenbahn der Wildnis allen Schrecken nahm und Millionen von Siedlern nach Westen brachte, die das Land in Besitz nahmen und einzäunten.
Innerhalb dieser einen Generation (ca. 30 Jahre) entwickelte sich der Cowboy zu jenem Typ Mensch, den es vorher nie gegeben hatte und später niemals mehr geben sollte. Geld und Erfolg bedeuteten ihm nichts, Ehre, Selbstachtung, Hilfsbereitschaft und Würde alles. Dinge, die in der heutigen, ach so modernen Zeit, den meisten Menschen gut zu Gesicht stehen würden … Aber lassen wir das.
Cowboys lebten in einer Gesellschaft, die nur persönliche Leistung und Charakterstärke anerkannte. Um das Phänomen Cowboy zu verstehen, ist es unerlässlich, in seine Welt einzutauchen. Man muss wissen, wie er lebt, wie er denkt und wie er spricht, erst dann kann man ihn und seine Zeit verstehen.
Gerade die Sprache sagt viel über einen Typhus Mensch wie den Cowboy aus. Damit ist allerdings nicht das gestelzte Gerede mancher Zeitgenossen gemeint, die vor lauter Wahrung der Etikette daherkommen, als hätten sie einen Spazierstock verschluckt, sondern die allgemeine Umgangssprache. Dieser Begriff, auch Alltagssprache genannt, beschreibt das, was im Gegensatz zur Standardsprache die Sprache ist, die im täglichen Umgang benutzt wird. Umgangssprache wurde und wird auch heute noch vornehmlich von regionalen und sozialen Gegebenheiten wie dem Bildungsstand und dem sozialen Milieu der Sprechenden geprägt. Dabei kann man feststellen, dass gewisse Menschengruppen zusätzlich zur allgemeinen auch noch eine spezielle, ihrem Couleur entsprechende Umgangssprache beherrschen, wie etwa Jäger, Soldaten, Bergleute, aber auch Cowboys. Wobei gerade die Cowboysprache ihresgleichen sucht, denn sie ist weit mehr als nur ein Jargon.
Die überschäumende Fantasie, der Humor und der Wortreichtum dieses Menschenschlags schuf eine an Sentenzen reiche Sprache, ›die selbst blinde Augen wieder zum Sehen brachte‹.
Gibt es für eine Kugel oder ein Bleigeschoss als solches eine treffendere Bezeichnung als Adios-Kirsche oder Can Openers (Büchsenöffner) als scherzhaften Ausdruck für Sporen?
Im Cowboyslang wird aus getrockneter Büffelscheiße, die in der baumlosen Prärie in Ermangelung von Holz als Brennstoff verwendet wurde, Buffalo Chips, aus Rindern, die man aus Dickichtgebieten herausholen musste, Buschpopler, und aus dem Slang-Wort für sinnlosen Kleinkram der Begriff Dofunnies. Ein Sky Pilot ist ein Prediger, der von Ort zu Ort über Land zog, Makings die Bezeichnung für Rauchzeug (Tabak und Reispapier) und Pferdeschaukler sind Cowboys, die nach vollbrachtem Herdentreiben mit der Eisenbahn zurück zu ihrer Heimatranch fuhren und dabei mit ihren Pferden im Stallwaggon blieben.
Der Colt wurde als Witwen- oder Gleichmacher, Bleischleuder oder Friedensstifter bezeichnet und eine Necktie-Party ist der Ausdruck für die Zusammenkunft einer Gruppe von Männern mit dem Ziel, einen anderen ohne gerichtliches Urteil durch Strangulation zu lynchen.
Zugegeben, es sind teilweise gewöhnungsbedürftige Begriffe, trotzdem weiß auch heute noch jeder, was damit gemeint ist.
Aber es waren nicht nur die zum Teil vor Spott triefenden Bezeichnungen für manche Dinge, die den Cowboy-Slang unsterblich machten, sondern vor allem die bündige Ausdrucksweise, die in einfachen Worten selbst dem Begriffsstutzigsten unter der Sonne Amerikas deutlich machten, was Sache ist.
Damit sich der Leser dieser Kolumne darüber ein genaueres Bild machen kann, anbei nun einige besonders prägnante Beispiele.
Cowboys ist das Gesetz der Gastfreundschaft heilig.
Als sich eines Abends in einem Lager in Montana ein Tramp in der Art der Landstreicher schweigend und verstohlen ans Feuer setzte und den Kochkessel studierte, meinte einer der Cowpuncher zu seinen Kameraden: »Da hat sich einer, der nicht arbeitet und noch mehr isst, gerade ans Feuer gesiebt.«
Eine bessere Bezeichnung für die ziellose Beweglichkeit eines Landstreichers als sieben, so wie etwa versehentlich ein Käfer sich durch ein kleines Loch im Mehlsieb schmuggelt, gibt es wahrscheinlich nicht.
Überliefert ist auch der Rat eines Treibreiters, der in Dodge City von einem Reporter des New York Herald Tribune in gestelztem Oxfordenglisch für ein Interview ausgefragt wurde. Er empfahl dem Zeitungsmann, einen Teil seines Atems fürs Atmen zu sparen.
Den Versuch eines fahrenden Händlers, ein verstimmtes Klavier gegen drei Rinder zu tauschen, begegnete der Cowboy Jimmy Smith in Waco mit den Worten: Was kann eine Kuh mit einer Muskatnuss anfangen?
So regional unterschiedlich der Cowboy-Slang, im Rinderreich ›Lingo‹ genannt, auch war (im Südwesten enthielt er eine Vielzahl spanischer Worte, im Nordwesten war er mit verenglischten Worten verschiedener Indianersprachen und Französisch durchsetzt, und im mittleren Westen mit Deutsch und Schwedisch), eines galt für alle Abarten dieses Sprachgemischs: Klangen die Worte auch noch so unschuldig, naiv, überspitzt oder einfach nur derb, sie brachten die Wahrheit treffender zum Ausdruck, als es jede Art von Standard- oder Fachsprache vermochte.
Was damit gemeint ist, versteht man, wenn man nachliest, wie Cowboys über sich und ihre Umgebung dachten:
Viele schwitzen und nur wenige wissen warum.
Ich wünschte, ich hätte noch einmal den Beginn der letzten Woche in der Tasche.
Die Wahrheit ist ein enger Kragen für einen, der unter dem Galgen steht.
Das sind nur einige treffende Feststellungen.
Gute Witze sind seltener als gute Yankees oder der Hinweis: Zähle nie deine Hühner, bevor du sie geschlachtet hast, der einen Voreiligen vor Trugschlüssen bewahren sollte, sind weitere Ratschläge, die es wert waren, beachtet zu werden.
Den Unterschied zwischen Körperkraft und Verstand erklärte der Cowboy mit den Worten:
Du solltest lernen, dass Muskeln billig sind, Gehirn nicht und die Erkenntnis: Was Frauen nicht anfassen können, ist ihnen unheimlich galt schon damals.
Aber nicht nur Mutterwitz und Bauernschläue prägten das Leben der Reiter, ein weiteres Phänomen in der Welt der Cowboys war ihr ungeschriebener Ehrenkodex, der in 10 Geboten gipfelte.
Du sollst nicht undankbar sein, du sollst keinem etwas wegnehmen, das dir nicht gehört und du sollst hilfsbereit sein, den Schwachen, Frauen und Kindern beistehen und sie gegen alles und jedermann verteidigen und nicht dulden, dass ihnen auch nur ein Haar gekrümmt wird, waren nicht nur irgendwelche Floskeln, sondern wurden vorgelebt und praktiziert.
Vielleicht wird jetzt so manchem klar, was Cowboys ausdrücken wollten, wenn sie von der guten alten Zeit sprachen.
Gewiss, der Cowboy jener Zeit war unzivilisiert, rau und hart, aber kein Menschentyp in der Geschichte hat je so klar und unmissverständlich vorgelebt, dass Freiheit ohne Gewalt weder zu erringen noch zu verteidigen ist, und dass das Maß der Freiheit dem Maß der Gewalt entspricht, das man um ihretwillen einzusetzen bereit ist.
Wer sich für dieses Thema eingehender interessiert, dem sind folgende Veröffentlichungen zu empfehlen:

H. J. Stammel, Die Stunde des Cowboys, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart, ISBN 3421016917 sowie die im Quellenhinweis erwähnten Bücher.

Nicht zu vergessen die Werke der beiden in Deutschland führenden Westernexperten, als da sind: Das Magazin für Amerikanistik aus Dietmar Küglers Fachverlag für indianische und amerikanische Geschichte, Postfach 1332-25931 Wyk auf Föhr, sowie die im Ueberreuter und der Deutschen Verlagsanstalt erschienenen Werke von Thomas Jeier: Die ersten Amerikaner, Das große Buch vom Wilden Westen und Das große Buch der Indianer.

Quellenhinweis:

  • H. J. Stammel, Das waren noch Männer, Lizenzausgabe ECON-Verlag Düsseldorf
  • H. J. Stammel, Der Cowboy, Bertelsmann Lexikon-Verlag, sowie Wikipedia und Archiv des Autors

In diesem Sinne,
euer Slaterman