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Eis und Dampf

Eis und Dampf
Eine Anthologie vor außergewöhnlichem Hintergrund

Sieht man sich auf der Verlagsseite von Feder&Schwert aus Mannheim um, stößt man unweigerlich auf Steampunk und auf das Autorenpaar Judith und Christian Vogt. Diese haben im September 2012 den Steampunkroman Die zerbrochene Puppe herausgebracht, dessen Storyline in einem alternativen eiszeitlichen Europa des 19. Jahrhunderts angesiedelt ist.
Gemeinsam mit den Autoren Eevie Demirtel, Ann-Kathrin Karschnick, Judith Vogt, Torsten Exter, Stefan Holzhauer, Mike Krzywik-Gross, Christian Lange, Henning Mützlitz, Marcus Rauchfuß, Stefan Schweikert, Christian Vogt, André Wiesler und der Illustratorin Hannah Möllmann hat sich der Verlag das Ziel gesetzt, mithilfe von Crowdfunding eine Anthologie zu schaffen, welche vor dem Hintergrund von Eis und Dampf ihre Charaktere agieren lassen. Dieses äußerst interessante Projekt der 12 Autoren hat eine berechtigte Chance verdient, umgesetzt zu werden, da bisher sehr viel Herzblut in dieses geflossen ist. Wie alle Werke von Feder&Schwert soll die Anthologie Eis und Dampf professionell erstellt werden, mit professionellem Lektorat, Korrektorat und Cover. Angedacht ist auch eine Weltkarte, welche die Geschichten optisch aufwerten soll.
Zunächst ist angedacht, die Anthologie als E-Book zu veröffentlichen. Eine Taschenbuchausgabe wird eventuell folgen.
Um alles finanzieren zu können, haben die Initiatoren des Projekts den Weg über Growdfunding bei Startnext gewählt und hoffen auf eine breite Unterstützung. Umfangreiche Informationen sind unter www.startnext.de/eis-und-dampf zu finden. Helft bitte mit, dieses interessante Projekt zu beleben.


Eiken – Leseprobe aus der Anthologie Eis und Dampf
Von Christian Vogt

Eiken liebte seine Waffe. Zärtlich strich er über ihre Kurven, wie über die Haut einer schlafenden Geliebten. Er betrachtete verzückt den gezogenen Lauf aus Damast, den Drucktank aus Messing, die kleinen Leitungsrohre, die hervorklappbaren Linsen der Zieloptik, den schweren Kolben aus Wurzelholz, in dem sich auch der Behälter für die Kugeln befand. Eine Schönheit!
Und wenn sie erwachte, Salve für Salve, war sie voller Leidenschaft. Er nannte sie Tomke. Nach seine Ehefrau, die ihn vor einigen Jahren für ein Weichei verlassen hatte.
Nur wenige Männer vermochten ein Druckgewehr dieser Größe stehend abzufeuern und dabei eine ruhige Hand zu behalten. Eiken konnte das. Eiken hatte den nötigen Körperbau. Außerdem war Eiken Friese.
Er prüfte das Barometer der Waffe und ihr Magazin, dann zog er sich die Schutzbrille über die Augen, richtete den Ohrenschutz der Æronautenkappe noch ein letztes Mal, straffte die Hosenträger. Noch ein Schluck Cognac aus dem Flachmann, dann zurrte er Tomke am Schultergurt stramm über seine fellgefütterte Lederjacke und ergriff das Gestänge des Gleiters.
Einer der Maschinisten nickte und drehte das schwere Rad aus Stahl, um die Frachtluke des Luftschiffs zu öffnen. Sofort füllte sich der Frachtraum mit dem Lärm der Motoren und dem Chaos des Zugwinds.
Rechts neben Eiken machte auch Heinrik seinen Gleiter bereit.
Das schön gekämmte Arschloch!
Blond, akkurater Seitenscheitel und immer ein Witzchen auf den Lippen. Ein fleischgewordener Mädchentraum. Aber so sehr Heinrik auch prahlte mit seinen Flugkünsten, der Binnenländer kam nicht an Eikens Gespür für die Winde heran.
Zu Eikens Linken schickte der Gnostiker ein letztes Gebet vor dem Absprung zu seinem Herrn. Der schmächtige Kerl – er hieß Johan und sie hatten ihn in Gent an Bord genommen – hatte die typische schwarze Tracht der Gnostiker am Leib, eine Art eng anliegende Kutte. Dazu trug er nur das Amulett seiner Konfession, das ein geöffnetes Auge zeigte. Die Æronautenbrille wirkte an ihm denkbar fehl am Platz.
Insgesamt nicht gerade gut angezogen, um aus einem Luftschiff zu springen. Aarem Knech.
Immerhin hatte er es sich nicht nehmen lassen, sie auf diesen Wahnsinn zu begleiten – nur, um ihnen mit seinen Gebeten beizustehen.
Christengelaber hin oder her, kann ja nicht schaden.
»Es ist soweit!«, schrie der Maschinist gegen den Wind an, der dem Mann die Worte aus dem Mund stahl.
Eiken nickte mehrmals vor Vorfreude. Wie auch Heinrik war er ein Stürzer. Ein Draufgänger, der mit seinem Gleiter den Himmel zwischen kämpfenden Luftschiffen durchzog. Die Stürzer hatten sich in der kurzen Zeit ihrer Existenz bereits einen Ruf gemacht – irgendetwas zwischen Helden und Selbstmördern.
Ein kurzer Anlauf, ein todesverachtendes Lachen, dann war er in seinem Element.
In diesem Moment tauchte die Salzsturm aus den Wolken und feuerte eine Breitseite auf ihr Opfer ab. Das Mündungsfeuer erleuchtete die Wolkendecke mit rotem Schein und der Kanonendonner drang selbst durch den Wind an das Ohr der drei Stürzer.
Sie fielen hinab, fanden einen Aufwind und ritten auf einer Isotherme ihrem Ziel entgegen. Der Majesté.
Das Luftschiff fuhr unter der Flagge des französischen Königs. Ein Schornstein, der mittig aus der Gashülle ragte, schickte schwarze Rauchsäulen gen Himmel und verriet, dass die Kesselmänner die Dampfmaschine unter Volllast beanspruchten. Und das Schiff hatte jetzt auch begonnen, das Feuer zu erwidern. Die Majesté fuhr tief, der Winkel war zu steil, um Kanonen gegen die Salzsturm einsetzen zu können, aber ihr Opfer hatte dennoch Zähne. Es war kein Händler, sondern Schiff der französischen Luftwaffe. Oben, nahe des Bugs, spuckte eine neuartige Rotationskanone Tod und Verderben auf die friesischen Piraten der Salzsturm. Ein kohlebefeuerter Dampfkessel hielt die Rotation der acht Läufe in Gang und stellte genug Druck für die Geschosse bereit. Das war ihre Mission. Rotationskanone ausschalten, damit die Salzsturm längsseits gehen und ihre Mannschaft entern konnte.
Unter ihnen zog in fünfhundert Meter Tiefe der Kanal zwischen Ængland und Frankreich dahin, der von Jahr zu Jahr schmaler wurde. Die Majesté fuhr einen Umweg, um keine Piraten anzulocken. Zwecklos. Johan hatte den Friesen den genauen Kurs verraten. Ziel der Majesté war der riesige Luftschiffhafen, der kürzlich in Paris eingeweiht worden und von einem Ingenieur namens Bönickhausen aus der Eyfalia konstruiert worden war. Wenn es nach Eiken und seinen Leuten ginge, würde ihre Beute den Eyffel-Turm nie erreichen.
Das französische Luftschiff hatte in der freien Handelsstadt Amsterdam allerhand Schätze geladen, um sie ihrem König zu bringen. Amsterdam hatte viel zu bieten, das sonst nur äußerst schwer zu beschaffen war. Mechanische Wunderwerke aus London, Automaten aus Æsta, Kunstschätze aus dem Zarenreich. Die schönsten Stücke sauber ausgewählt und verpackt, um jetzt von den Friesen abgeholt zu werden.
Der Gnostiker hatte offenbar etwas dagegen, dass den Biblikern, die vom König von Frankreich unterstützt wurden, Kirchenschätze aus dem Osten in die Hände fielen. Damit gingen die Mönche, die sich sonst im Gegensatz zu den Biblikern nicht um weltlichen Prunk, sondern nur um Gebete und Selbstfindung sorgten, doch sehr weit im Konfessionsstreit. Aber das konnte Eiken egal sein. Eiken wollte seine Prise.
Wie Krähen kreisten die Stürzer über ihrer Beute und stießen dann hinab. Sauber setze Eiken seinen Gleiter auf der Hülle der Majesté auf, lief damit aus, um Schwung zu verlieren. Er versenkte einen Anker in der Ballonhaut, den kostbaren Gleiter fixierend. Dann löste er seine Gurte und machte Tomke bereit. Auch Heinrik, der Angeber, landete sanft, während Johan nur wie durch ein Wunder nach einem kontrollierten Absturz nicht in die Tiefe fiel. Vielleicht war sein Gott doch mit ihm.
Die drei Stürzer waren offensichtlich noch nicht bemerkt worden, als sie sich zum Bug aufmachten. Heinrik sicherte zum Heck hin und drehte sich ständig von links nach rechts, während sich Eiken zur Stelle der Rotationskanone vorrückte.
Ganz blind waren die Franzmänner anscheinend doch nicht, denn zwei blau uniformierte Soldaten erhoben sich aus der Stellung, die unablässig Salven von sich gab und nur kurz zum Wechseln der überhitzten Läufe verstummte. Sie ignorierten den fehlgehenden Schuss aus Heinriks Pistole – wie immer, der Idiot – und legten die Musketen auf die Eindringlinge an. Unter den Gebeten des Gnostikers feuerte Eiken ein paar Schüsse aus dem Druckgewehr und fegte die Soldaten wie beiläufig von der Hülle.
Dann fehlte nur noch der Schütze in der Stellung. Das war zu eng für Tomke, er wollte ja nicht versehentlich den Heizofen des Kessels beschädigen, das Treibgas in die Luft und sie alle zu Ekkenekkepen jagen. Eiken bemühte sein langes Messer. Dann verstummte die Kanone endlich und der Weg für die Salzsturm war frei.
»Jetzt können wir uns hier schön ausruhen und auch mal die anderen ihre Prise verdienen lassen!«, bemerkte Heinrik, als er seine grinsende Visage in den Schützenstand steckte.
»Nein«, widersprach Johan mit ruhiger Stimme. »Wir haben noch etwas vor, und wir können keine Zeugen gebrauchen.«
Mit dem Ende des Satzes hob Eiken seine Klinge und zog sie Heinrik über die Kehle.

Und weiter? Eiken braucht deine Unterstützung!

Veröffentlichung der Leseprobe mit freundlicher Genehmigung von Christian Vogt

Quelle:

(wb)