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Westernkurier 05/2007

Von einem Mann, der schon zu seinen Lebzeiten zu einer Legende hochstilisiert wurde, in Wirklichkeit jedoch nicht mehr war als ein versoffener, rücksichtsloser Neurotiker, für den das Töten von Menschen ein Mittel gewesen war, einen zweifelhaften Ruhm zu erwerben. Die Rede ist hier von James Butler Hickok, besser bekannt als Wild Bill Hickok.

Wenn es unter den Westernhelden jemanden gibt, der heute noch einen legendären Ruhm genießt, dann wird neben Wyatt Earp, Bufallo Bill und Billy the Kid meistens sein Name noch genannt. Ein Mann wie ein Baum, dabei stets geschniegelt und gestriegelt. Auch in der tiefsten Wildnis war er immer sorgfältig gekleidet und das schulterlange Haar war selbst in brenzligen Situationen stets makellos frisiert. Er galt als der Dandy unter den Gunmen. Aber die Wirklichkeit sah anders aus. Wild Bill war in Wahrheit nichts anderes als ein umherziehender Aufschneider mit großem Mundwerk, der Revolverduellen mit wirklich gefährlichen Männern aus dem Weg ging, aber dafür Betrunkene und im Schießen Ungeübte reihenweise abknallte. Lediglich die Freudenhausabenteuer des überaus potenten Hickoks dürften heute noch Anerkennung finden. Selbst ein Mann wie Lassiter würde wohl vor Neid erblassen. Hickok hatte zeitweise bis zu vier Freundinnen gleichzeitig, denen er sich intensiv widmete; das ist historisch verbürgt.

Wer war dieser Mann, und vor allem was begründete seinen, bis in unsere Zeit andauernden, zweifelhaften Ruhm?

1837 in Troy Grove im Staate Illinois als vierter Sohn eines presbyterianischen Predigers geboren, verließ er nach dem Tod seines Vaters mit 19 Jahren das Elternhaus.

In Kansas schloss er sich den Guerillas des Sklavereigegners Henry Lane an und machte sich in den Jahren des »blutenden Kansas« einen Namen als Revolvermann.

Von 1861 an arbeitete er mit kurzen Unterbrechungen fast sieben Jahre für die US-Armee als Scout, Kurier und Spion.

1867 begleitet er General Hancock als Scout bei einer Strafexpedition gegen die Indianer. Dabei stieß ein Berichterstatter der Illustrierten Harpers New Monthly Magazine auf die Truppe. Wild Bill sah seine Chance und tischte dem Reporter haarsträubende Schauergeschichten auf, in denen er sich selbst als strahlender Held darstellte.

Der Journalist George Nichols war fasziniert. Er wusste um die Tatsache, dass Hickok bei der sogenannten McCanles Affäre auf einer Postkutschenstation in Nebraska im Juli 1861 drei Männer getötet hatte. Laut Wild Bill handelte es sich damals bei dem Farmer McCanles um einen Spitzenagenten der Südstaaten, der ihn mit einer Horde bis an die Zähne bewaffneter Totschläger überfallen hatte. In einem groß aufgemachten Artikel bauschte der Reporter Wild Bill zum größten Helden auf, der jemals über die westliche Prärie geritten ist.

Hickoks Ruhm war jetzt nicht mehr aufzuhalten.

Erst Jahrzehnte später brachte Kate Shell, eine von Hickoks unzähligen Freundinnen, die die Tat mit angesehen hatte, die Wahrheit ans Licht. David McCanles kam mit seinem minderjährigen Sohn und zwei Begleitern auf die Postkutschenstation, weil er sich bei einem Pferdekauf von dem Stationer betrogen fühlte. Außerdem machte er Kate den Hof und sagte Hickok, er solle gefälligst seine Finger von der Frau lassen. Daraufhin erschoss Wild Bill die drei Männer, ohne mit der Wimper zu zucken, nur dem zwölfjährigen Monroe McCanles gelang die Flucht. An dieser Stelle sei erwähnt das McCanles und seine Begleiter insgesamt nur eine altersschwache Flinte als Bewaffnung mit sich führten.

So entstehen Heldenlegenden.

Im August 1869 wurde er zum Sheriff des Ellis County in Kansas gewählt. Als er im Juli 1870 seinen fünften Mann in Ausübung seines Dienstes erschoss, hatten die Bürger der Countyhauptstadt Hays City genug von ihrem schießwütigen Gesetzesvertreter und jagten Wild Bill aus dem Amt. Danach verdiente er sich seinen Lebensunterhalt am Spieltisch. Aber sein Name sorgte bereits ein halbes Jahr später dafür, dass er Marshal von Abilene wurde.

Diese Rinderstadt wurde der Höhepunkt in seiner Karriere.

Aber auch hier nahm er die Ausübung seines Dienstes als Gesetzmann nicht so genau und Alkohol, Frauen und Spielkarten bestimmten stattdessen seinen Tagesablauf. Es war bezeichnend für Hickoks Lebenseinstellung, dass er als Polizeichef von Abilene eher im Alamo-Saloon, einem Edelpuff, als in seinem Marshal-Büro anzutreffen war.

So dauerte es nicht lange und Frauengeschichten und der private Zwist mit einem texanischen Saloonbesitzer, den er schließlich kaltblütig erschoss, sorgten für ein klägliches Ende seiner Marshalkarriere.

Denn die Kugel die Hickok auf Phil Coe abfeuerte, tötete nicht nur den Saloonbesitzer, sondern bedeutete auch für Abilene das wirtschaftliche Aus. Innerhalb von zwei Monaten verkam die einst unumstrittene Metropole des Rindergeschäfts wieder zu jenem lausigen Präriekaff, das es einstmals vor dem Eintreffen der Eisenbahn war.

Die Intoleranz von Abilenes Bürgerschaft und deren Gesetzesvertreter Wild Bill Hickok, die allesamt Yankees waren, hatte schon seit Langem für Unruhe unter den texanischen Rinderleuten gesorgt. Die willkürliche Ermordung ihres Landsmannes Phil Coe brachte dann das Fass zum überlaufen. Nach Coes Beerdigung verließen sämtliche Cowboys, Rancher und Viehmakler die Stadt und zogen mit den Herden nach Ellsworth, Newton und Dodge City. Als die Stadtverwaltung endlich reagierte und Hickok am 13. Dezember 1871 aus dem Amt jagte, war es zu spät. Abilene versank in der Bedeutungslosigkeit und auch für Wild Bill kam ziemlich rasch das Ende.

Irgendwie überwand Hickok sein Scheitern als Marshal von Abilene nicht und in den folgenden Jahren verfiel er zusehends. Seit dieser Zeit war Hickok ein Mann, der dem Tod hinterher lief. Ein Arzt stellte eine schwere Augenkrankheit bei ihm fest, die früher oder später zu einer Erblindung führen musste. Eine Folge der zahlreichen unausgeheilten Geschlechtskrankheiten, die sich Hickok im Laufe seines turbulenten Lebens zugezogen hatte. Ruhelos zog er im Westen umher, reiste mit Sidney Barnetts Wild-West-Show herum, mietete sich später einen Spieltisch in einem Städtchen in Nebraska und zog schließlich weiter nach Wyoming, wo er eine alte Freundin, die Zirkusbesitzerin Agnes Thatcher, heiratete. Vieles sprach dafür, dass er an der Seite einer reifen Frau – Agnes war zu diesem Zeitpunkt fast zwölf Jahre älter als Hickok – Ruhe und Sicherheit suchte.

Aber dann wurde in Dakota Gold entdeckt und die alte Unruhe erfasste Hickok, der seine Frau einfach im Stich ließ und loszog, um noch einmal die großen Abenteuer seiner Vergangenheit aufleben zu lassen. Am 2. August 1876 erfüllte sich sein Schicksal in der Goldgräberstadt Deadwood.

Mehr Trunkenbold als Revolvermann saß er im Number Ten Saloon am Spieltisch mit dem Rücken zur Tür. Ein Fehler, der ihm in seinen Glanzzeiten niemals passiert wäre. Ein entfernter Verwandter jenes Saloonbesitzers, den er damals in Abilene erschossen hatte, betrat die Spelunke, sah Hickok und schoss ihm eine Kugel in den Hinterkopf.

Hickok ließ das Kartenblatt, das er in den Händen gehalten hatte, fallen. Es waren zwei Achten und zwei Asse in Pik und Kreuz. Noch heute nennt man das Blatt in den USA Dead Man´s Hand.

Sensationsreporter aus dem Osten, wo er seit jenem Artikel im Harpers Magazine als der Inbegriff des Westernhelden gefeiert wurde, reisten in Scharen zu seinem Grab. Ihre Schreibkunst machte aus ihm endgültig einen Bilderbuchheroen und das bis in alle Ewigkeit.

Im Westen aber, wo er gelebt hatte, wurde sein Tod lediglich mit einem Achselzucken, oftmals sogar mit einem Aufatmen registriert.

Eine Zeitung schrieb: »Wir haben genug gute Männer, deren Namen nie glorifiziert worden sind, die aber echte Pioniere sind und nicht so ehrlos und verlogen wie dieser sogenannte Held Wild Bill.«

Soviel zu den Westernlegenden und ihrer Wirklichkeit.

Quellennachweis:

  • H.J. Stammel: Der Cowboy, Legende und Wirklichkeit von A bis Z
  • Dietmar Kügler: Sie starben in den Stiefeln
  • Thomas Jeier: Treibt sie nach Norden

In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal.

Euer Slaterman