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Der Welt-Detektiv Band 6

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Roboter zugelaufen

Ich warte nur auf meinen Freund, damit wir gemeinsam auf eine der neumodischen Schwerelosigkeitspartys gehen können. Er müsste gleich kommen, und ich bin sogar fast fertig. Ich kriege gerade meinen eng sitzenden Overall nicht zu. Die kurzen Hotpants betonen meine langen Beine, der Rest liegt eng an und die Ärmel sind sehr kurz, sodass man meine nackten Arme sehen kann. Nur den Reißverschluss auf dem Rücken bekomme ich nicht zu. Dafür benötige ich eine helfende Hand. Als es an der Türe klingelt, ja ich habe noch so ein altmodisches Glockenspiel, ziehe ich die langen Handschuhe an, die bis über den Ellbogen reichen und den gleichen blauen Farbton haben, wie mein Overall. Außerdem passt die Farbe gut zu meinen schulterlangen blonden Haaren. Auf dem Weg zur Tür werfe ich einen Blick in den Spiegel. Ich sehe umwerfend aus.

»Du bist zu früh«, rufe ich, während ich zum Eingang gehe. Ich öffne und bleibe verblüfft stehen. Vor der Tür steht nicht mein Freund, vor der Tür steht ein ziemlich heruntergekommener Roboter. Er steht im Regen und seine Rostflecken verlaufen mit dem Regen auf dem Weg nach unten.

»Äh, ja?« Was soll ich sagen. Da steht eine Rostlaube und starrt mich aus eckigen Augen in einem eckigen Kopf an. Überhaupt, alles an ihm ist eckig. Ein uraltes Modell. »Was willst du?«

«Ich bin eine verwunschene Waschmaschine. Küss mich und ich werde dir auf ewig deine Wäsche waschen. Die Handtücher, deine Kleider, deine Dessous…«

»Nix da«, antwortete ich. »Ich küsse doch kein Altmetall. Verschwinde.«

»Das ist aber nett, dass Sie mich hereinbitten.« Der Klapperkasten trat doch frech an mir vorbei in meine Wohnung und nässte mir den Fußboden voll.

»Was willst du?«, fragte ich erneut. »Dein Modell ist doch seit Jahrzehnten verschrottet. So etwas wie dich gibt es doch nur noch im Museum.«

»Das ist wahr, ich bin gar keine verwunschene Waschmaschine.« Der Klapperkasten stellte sich ins Wohnzimmer, direkt neben meinen bequemen Sessel, in den ich mich erst einmal fallen ließ. »In Wirklichkeit bin ich Ihr alter Roboter und habe endlich nach Hause gefunden.«

So langsam verlor ich nicht nur meine Sprache, weil ich nicht wusste, was ich sagen soll, sondern auch Teile meines Verstandes. »Bleib mir nur vom Leibe. Ich habe keinen Roboter verloren, das wüsste ich. Außerdem bin ich im Besitz eines hervorragenden Serviceroboters, der äußerlich fast genau wie ich aussieht.« Wie auf ein Stichwort öffnete sich die Tür zur Küche und mein Roboter trat ein.

»Großvater?«

Ich stehe kurz vor einem Schreikrampf. Da sagt ein Roboter zum anderen Großvater. Irgendwo muss eine versteckte Kamera sein. Ich drehe gleich durch und beide Roboter durch die Mangel.

»Meine Enkelin, siehst du«, wendet er sich wieder an mich. »Es lohnt sich nicht, mich zu verleugnen, sie hat mich wieder erkannt.«

Hallo Verstand, wo willst du hin? Nimm mich mit. Das halte ich nicht aus.

»Du siehst im Übrigen sehr sexy aus. Hast du noch etwas vor? Dann geh ruhig. Ich werde da sein, wenn du wieder kommst.«

Ein Roboter der Komplimente macht. Ja für wen hält der mich? Für Barbarella? Aber gleich wird mein Freund kommen und mich befreien. Retten. Ich will hier raus!

Draußen hält ein Gleiter. Es ist wieder mal ein neues, todschickes und dazu sündhaft teures Modell. Hermann hat unerschöpfliche Mittel, denke ich bei mir.

»Das ist der nette Mann, der mich abholt und übrigens mein Freund ist. Er sieht gut aus, nicht wahr? Und er wirft dich gleich raus.«

»Das ist nur äußerlich, das Aussehen. Und er wirft mich bestimmt nicht raus.«

»Natürlich nur äußerlich, wo den sonst? Der andere Mann ist übrigens sein Freund. Ein Mann, der geistig ein wenig eingeschränkt tätig ist. Wenn er auf Reisen ist, schleppt er einen riesigen gelben Plüschschwamm mit brauner Hose und dämlichen Gesicht mit sich rum. Quasi als Kuschelobjekt. Solche Männer kann ich nicht ausstehen. Aber er ist nun einmal der Freund von Hermann.«

»Wer ist die Frau?«, will die Rostlaube wissen.

»Das ist die Freundin vom Freund. Wenn du meine Meinung wissen willst, sie ist auf Männer dressiert. Und mit diesem rosa Minirock mit der großen Schleife auf dem Rücken sieht sie aus wie ein Bonbon. Der Stoffstreifen der Schleife ist breiter als der Minirock lang. Sieht sie nicht niedlich aus?«

Ich werfe noch einmal einen Blick auf Hermann. Er hatte mir versprochen, ebenfalls mit einem blauen Overall zu kommen. Stattdessen trägt er einen weißen, nach oben konisch zulaufenden Helm und ein gelbes Trikot. Es sieht aus, als sei ein Ei ausgelaufen. Aber sein markantes Gesicht sieht immer noch gut aus. Ich gehe zur Tür, und noch bevor er klingelt, öffne ich.

»Na so was, du bist schon fertig.«

»Nicht ganz Liebling.« Ich drehe ihm den Rücken zu. »Kannst du mir bitte den Reißverschluss schließen?« Er zieht ihn langsam nach oben, und als ich merke, dass der Overall geschlossen ist, drehe ich mich wieder zu ihm um. Er sieht etwas doof aus, hat er doch den Nippel vom Reißverschluss in der Hand. Wie ich mich, oder vielleicht er mich später auszieht, daran denke ich jetzt nicht. Mein Retter ist da.

»Komm doch noch schnell einen Moment rein.« Im Schlepptau die beiden geistig einfach strukturierten Begleiter.

»Du hast ein Museum überfallen und ein Roboter gestohlen? Oder hast du dir von einem Vertreter das Museumsstück von Roboter andrehen lassen?«

»Puh, ist der hässlich«, sagt die Freundin in bonbonrosa. »Und du in diesem blauen Overall, wie lustig. Willst du so mitkommen?«

Ich antworte ihr ziemlich schnippisch. »Vielleicht komme ich ja gar nicht mit. Es gibt bestimmt noch etwas Besseres als eure Begleitung.«

Hermann, den ich für liebenswürdig gehalten hatte, packt mich am Arm und drückt fest zu. Abwehrend hebe ich die andere Hand.

»Wer glaubst du denn, wer du bist?«, schreit er mich an, »Wie springst du mit meinen Freunden um?«

»Nun, ich bin Suzi Wong, die Tochter des reichsten Mannes dieser Stadt und deines Chefs.«

Der Mann, den ich einmal für nett und meinen Freund gehalten habe, stößt mich weg. Ich lande wieder in meinem Sessel.

»Du bist doch total plemplem. Mit so einer will ich nichts zu tun haben.« Er geht aus der Tür und mit ihm seine Begleitung. Er knallt die Tür ins Schloss, steigt in seinen Gleiter und lässt aus Versehen seine Begleitung im Regen stehen. Ich sehe, wie die beiden im stärker werdenden Regen stehen und langsam durchweichen. Kurz drehen sie sich zum Haus um, sind aber zu stolz, um bei mir anzuklopfen und ins Trockene zu kommen. Die tolle rosa Schleife sieht jetzt aus wie ein miesepetriger riesiger Schnurrbart über einem dicken Po. Fünf Minuten später taucht Hermann wieder auf, packt die beiden ein und fliegt wieder davon.

Der alte Roboter macht sich wieder bemerkbar.

»Ich will ja nicht lästig wirken«, ausgerechnet der, denke ich, »aber hättest du nicht ein kleines Ölkännchen oder etwas Strom für mich?« Wenn diese viereckigen Linsen treuherzig gucken könnten, er würde es getan haben. »Bis auf das kleine Energie- und Wartungsproblem bin ich nämlich sehr zuverlässig.« Mit diesen Worten klopft er sich auf seinen Brustkasten. Irgendwo löst sich eine Schraube im Inneren und fällt auf den Boden.

Ich falle auch, aber in eine gnädige Ohnmacht.

Copyright © 2007 by Erik Schreiber