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Der Welt-Detektiv Band 6

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Gut geplant ist gut gemordet

Sschkasssch ist nicht der Planet, auf dem ich gerne leben würde und aussprechen kann den Namen außer den ansässigen Negalithen mit ihren gespaltenen Zungen kein anderer. Seit drei Monaten war ich mit so geheimen Nachforschungen betraut, dass ich selbst nicht genau wusste, was ich hier soll. Man gab mir den Auftrag, ich soll den Botschafter der Negalithen beobachten. Welch ein Job. Ich habe jetzt alles beobachtet, was es zu beobachten gab. Ein Botschafter, der sich um Frau und Kinder kümmerte. Wobei, Kinder waren es ja noch keine. Ein Dutzend Eier, abwechselnd bewacht vom Botschafter und seiner Frau. Mitten in der Wüste, dort, wohin sich alle Negalithen zurückzogen, wenn es darum ging, ihr Gelege auszubrüten. Und erst der Sand. Links Sand, rechts Sand, vorn und hinten Sand, unten auch noch und vor allem in meiner Kleidung. Ich hatte mich schon überall wund gerieben. Ach ja, und oben eine gelbe Sonne, die in dieser Jahreszeit fast zwanzig der fünfunddreißig Stunden vom Himmel herunter brannte. Dafür war es in der Nacht, verzeihen sie den Ausdruck, arschkalt. Temperaturstürze von fünfzig Grad waren an der Tagesordnung. Das war der Zeitpunkt, wo ich nicht so schnell mit den Zähnen klappern konnte, wie ich zitterte.

Und dann die Abberufung des Botschafters nach K’ihr, in die Hauptstadt Maland’ihr. Ich hoffte nun, diesen übergroßen Sandkasten verlassen zu können. Jetzt saß ich vor einer Tasse Kaffee und blätterte lustlos durch eine Tageszeitung. Ja, ja, Tageszeitung. Die waren tatsächlich noch so rückständig und benutzten bedruckte Folien. Oder nostalgisch, denn im Hintergrund von Mornirs Bar hing ein Bildschirm von der Decke, der gut einen Meter im Durchmesser besaß. Aber egal, was dort lief, niemand schien ihn zu beachten. Dahingegen verschwand fast jeder Gast der Bar hinter den knisternden Folien.

Ich blätterte weiter und wollte mir gerade den Kaffee schmecken lassen, als ich das Foto sah und die reißerische Aufmachung las. «Im Ausländerviertel Mokoschs war es zu einem Mord gekommen. Eine Frau der Minderheit der K’sh K’ihr wurde in den frühen Morgenstunden des gestrigen Tages in ihrer Wohnung tot aufgefunden. Mary Ann Bligle, Ehefrau des Handlungsreisenden Edgar E. Bligle, war Opfer eines Einbruchmordes und wurde mit einem Strick erdrosselt. Der Nachbar, der kurz reinschauen wollte, fand die Frau an einem Haken hängend im Wohnzimmer des Hauses. Der Ehemann Edgar E. Bligle ist der Polizei bei ihren Ermittlungen behilflich.«

Nun ja, dachte ich mir, dies ist doch nur eine Beschönigung für die Aussage, dass er der Hauptverdächtige ist. Ich hielt die Tasse Kaffe immer noch in der Hand, stellte sie langsam ab, blätterte die Zeitung zu und wollte mich gerade über die Sichtsprecheinrichtung bei der Bürgerdienst-Abteilung III unserer Botschaft in Mokosch melden. Ich ließ es aber bleiben. Stattdessen zahlte ich den inzwischen kalten Kaffe und begab mich zu Fuß zur Botschaft. Während ich den überfüllten, lärmenden Straßen folgte, hatte ich genug Zeit zum überlegen. Sollte ich der hiesigen Polizei alles erzählen, was ich wusste oder lieber nicht? Und wenn ja, was alles? Ich beschloss, es mir einfach zu machen. Sollte sich doch mein hiesiger Chef und Sicherheitsbeauftragter der Botschaft zu einer Entscheidung durchringen.

Was ich über Bligle wusste, war nicht allzu viel. Alles begann eigentlich vor zwei Monaten. Lustlos hing ich im Büro herum und tat etwas für meine Durchblutung. Die Beine hochgelegt auf dem Schreibtisch, eine Tasse Kaffee in der Hand und das Training der Triples Mokosch beobachtend. Ein seltsam faszinierendes Spiel, wo immer drei der Echsen versuchten, zusammen den Ball in eines der gegnerischen Felder zu bringen. Drei Mannschaften mit je drei Spielern spielten drei Runden lang. Besser jedenfalls als die Liebesschmunzetten, die sonst in den nachmittäglichen Hologrammprogrammen angeboten wurden. Haben Sie mal versucht, in einem Echsengesicht eine Regung zu entdecken? Versuchen Sie das mal bei einem Liebesfilm der Negalithen. Ich sag Ihnen, da machen Sie etwas mit.

Was ich über Bligle wusste, ging auf meinen Auftrag zurück, den ich als Privatdetektiv erledigte. Eigentlich war ich Undercover in der Stadt. Und mein Detektivbüro nur die Tarnung. Wie auch immer. Ich übernahm den Job, mit wenig leidenschaftlicher Begeisterung, zumal er über das Netz herein kam. Weil das Honorar aber bereits bezahlt war, nahm ich an. Mein Auftraggeber reiste für eine Firma, die technischen Kleinkram verkaufte, der bei den Negalithen aber anscheinend sehr gut ankam. Obwohl es die Möglichkeit gab, die Waren, die man will, selbst einzukaufen oder per Internet zu bestellen, kauften sie bei ihm. Vielleicht war es der Exoten-Bonus, den E. E. Bligle so erfolgreich machte.

Er bat mich in seinem Anschreiben, die Überwachung seines Hauses vorzunehmen. Er war der Meinung, wenn er nicht zu Hause ist, würde seine Frau einen Liebhaber empfangen und ich soll dies lediglich bestätigen. In der Woche übernachtet er in irgendwelchen Hotels und kommt erst wieder am Wochenende nach Hause. Für mich war das keine große Angelegenheit. Nachtarbeit war ich gewöhnt, aber etwas seltsam erschien es mir doch, dass der Liebhaber erst sehr spät Abends kommen würde, hatte Edgar E. Bligles Frau doch den ganzen Tag über eine »sturmfreie Bude«.

Es war die sechsundzwanzigste Stunde, als ich mich mit meinem Gleiter in die Straße stellte. Einen Bewegungsmelder auf das Haus ausgerichtet, ein Kamerasystem angeschlossen und mich dann hinten auf den Rücksitz setzen und es mir mit dem Monitor bequem machen, war eine Sache, die nicht viel Zeit in Anspruch nahm. Das Haus der Bligles war ein Reihenhaus, das sich in nichts von den anderen Häusern unterschied, die in dieser Straße standen. Hier wohnten nur humanoide Intelligenzen. Alles war in dieser Siedlung auf sie ausgerichtet, denn die Negalithen bevorzugten ganz andere Behausungen. Zumindest als Wohnungen. Ich bemerkte, dass hinter den Fenstern in der ersten Etage ein Licht brannte und genau fünfzehn Minuten später ausgeschaltet wurde. Der Rest des Hauses war die ganze Zeit über bereits dunkel. Ich war froh über die Standheizung, die mein Gleiter besaß. Anders hätte ich den Temperatursturz nicht überstanden. Ich wünschte mir, der Planet wäre so lieblich wie Llamar. Aber solch paradiesische Zustände gibt es leider nicht überall. Geduldig beobachtete ich das Haus, bei jeder Bewegung, die mir meine Überwachungssysteme meldeten, blickte ich auf den Monitor. Nach drei erfolglosen Stunden hob ich die Überwachung auf, flog zurück und legte mich in mein Bett. Tagsüber hatte ich nicht viel zu erledigen, so konnte ich mich auf die nächtliche Überwachung konzentrieren. Ich musste mich nur auf die Überwachung von der Straßenseite aus kümmern. Die Rückseite war von einer Mauer umgeben, die einen kleinen Garten umgab und an dessen Rückseite sich ein ebenfalls gleichgearteter Garten und ein Haus anschloss. Eine Woche lang überwachte ich das Haus ohne Erfolg. Erst am Mittwoch der folgenden Woche konnte ich einen Erfolg verbuchen. Etwa fünfzehn Minuten vor Vollendung der fünfundzwanzigsten Stunde bekam ich den Liebhaber zum ersten Mal zu sehen. Er war gut einen Kopf kleiner als ich, blond und fühlte sich wie zu Hause. Meine Überwachungssysteme hatten ihn im Visier, konnten ihn aber nicht genau aufnehmen. Es schien, als wüsste er, dass er beobachtet wurde. Er trug einen einfachen Anzug, einen Hut und trug einen altmodischen Spazierstock, so wie sie unter den Humanoiden gerade wieder in Mode kamen. Mit einer Magnetkarte öffnete er die Tür. Ein galanter Besucher, der es der Dame ermöglichte, ihn nicht an der Tür empfangen zu müssen und so die Nachbarn aufmerksam zu machen. Ich sah, wie kein Licht gemacht wurde, anscheinend kannte sich der Mann bestens aus. Eine Stunde später erschien er wieder, schloss das Haus ab und ging die Straße hinunter. An der nächsten Ecke verschwand er. Ich kletterte auf den Fahrersitz des Gleiters und folgte ihm, doch als ich an der Stelle ankam, wo ich ihn zuletzt gesehen hatte, war er verschwunden. Nun ja, dachte ich bei mir, dann werde ich ihn beim nächsten Mal folgen. Er entgeht mir nicht.

Am folgenden Tag tauchte der Fremde nicht auf und am Wochenende unternahm ich nichts in dieser Hinsicht, weil da mein Auftraggeber zu Hause sein würde. Montags wurde es spannend. Mein Platz vor dem Haus war belegt, sodass ich meine Überwachungsgeräte gegenüber dem Haus aufbaute und per Funksignal zum Gleiter übertrug, mit dem ich nun nahe der Querstraße stand, wo ich ihn beim letzen Observationsversuch verlor. Der fremde Besucher erschien pünktlich auf die Minute zur gleichen Zeit wie in der letzten Nacht. Kurz nach Mitternacht kam er wieder heraus. Ich dachte mir, ein wenig Beinarbeit würde mir gut tun und so stieg ich aus, um dem Mann zu Fuß zu verfolgen. Dieser Einfall meinerseits stellte sich schnell als einfältig heraus, denn in der Seitenstraße bestieg er einen Gleiter und verschwand. Ich zerdrückte einen Fluch zwischen meinen Zähnen, verärgert über meine eigene Dummheit und schlenderte zurück zu meinem Fahrzeug.

Am nächsten Tag schrieb ich Bürger Bligle, dass ich den Mann gesehen und verfolgt, aber leider zum zweiten Mal verloren hätte. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Bligle schrieb mir, der Auftrag sei erledigt und der Restbetrag sei bereits überwiesen. Ich müsse nicht mehr aktiv werden.

Jetzt saß ich im Büro und wartete darauf, dass mein Vorgesetzter etwas Zeit für mich opferte. Meine erste Vermutung war, der Handlungsreisende hätte seine Frau umgebracht. Ein durchaus berechtigtes Motiv nannte er sein eigen und, so dachte ich bei mir, eine gehörige Portion Wut auf den Nebenbuhler sicherlich auch. Andererseits, warum ließ er erst seine Frau überwachen und wartete dann so lange, um zu seiner widerlichen Tat zu schreiten?

Als sich die Tür zu seinem Büro öffnete, stand mein Chef in selbiger und bat mich zu sich rein. Ich kam gleich zur Sache und erzählte ihm die Geschichte mit dem Auftrag und was ich in der Zeitung gelesen hätte. Dabei lümmelte ich mich in einem Sessel, der groß genug war, ein Bett zu imitieren.

»Die örtliche Polizei hat bei uns angefragt, ob wir behilflich wären bei diesem Todesfall. Edgar E. Bligle gab an, er hätte einen privaten Ermittler beauftragt, sein Haus zu überwachen, weil seine Frau einen Liebhaber hat. Er selbst hat für die Tatzeit ein wasserdichtes Alibi.«

Wasserdicht. Auf einem Wüstenplaneten. Er sollte lieber andere Vergleiche ziehen.

»Ja natürlich Chef«, meinte ich. »Ich bin gerne bereit, meine Aussage zu Protokoll zu geben. Ich nehme an, die Negalithen haben Probleme, Humanoide auseinanderzuhalten?«

Zwei Stunden später saß ich vor dem Büro des ermittelnden Offiziers, wie sie es hier nannten. Ich nahm neben einer Blondine platz, die ihr eng anliegendes Kleid faltenfrei ausfüllte. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, sie hätte keine Unterwäsche an. Die Frau war schon mehr als nur einen Hingucker wert. Als ich endlich meinen Blick von ihrem Busen lösen konnte und in ihr Gesicht sah, verzog sie keine Miene. Eine Frau, so taxierte ich sie schnell, die keinen Widerspruch duldete und sicherlich nichts aus der Hand gab, was ihr einmal gehörte.

»Schön, dass sie mich mit Ihren Augen nicht nur aus-, sondern auch wieder angezogen haben«, sagte sie. »Ich nehme an, Sie sind wegen des Mordfalls an Frau Bligle hier?«

Ich nickte nur. Aus unerfindlichen Gründen blieb mir bei dieser Frau die Spucke weg. Ich dachte kurz an die Eunuchen von Tremere. Würden sie diese Frau sehen, sie würden sich Tag und Nacht geißeln, um der Fleischeslust zu entsagen.

»Man sollte besser nicht versuchen, diese Tat meinem Edgar anzuhängen. Er kann der Täter nicht sein, weil er in der fraglichen Nacht bei mir war.«

In der fraglichen Nacht. Die Frau hat zu viele Krimis gelesen. Wer benutzt denn noch solche Redewendungen. Ich fand es jetzt besser, sie nicht mehr anzusehen. Also stütze ich meine Ellbogen auf die Oberschenkel und versenkte meinen Kopf in die Handflächen. Das waren ja feine Aussichten. Ich war in einen Mordfall hinein geraten, den ich gar nicht wollte. Eigentlich will ich gar keine Mordfälle.

»Wissen Sie«, fuhr sie unbeirrt fort, »Edgars Frau hatte selbst einen Liebhaber, das ist der Mann, den Sie finden sollten und nicht meinen unschuldigen Edgar beschuldigen.«

Ihr Edgar? Bevor ich etwas erwidern konnte, öffnete sich die Tür zum Büro des ermittelnden Beamten und der Negalith rief: »Frau Angelika Ssschmitzsss bitte.«

Ich bin mir sicher, die Frau hieß einfach nur Schmitz, aber da war dem Negalithen, ob männlich oder weiblich kann ich nicht sagen, für mich sehen sie bis auf die Schuppenfärbung alle gleich aus, sicherlich seine Zunge im Weg gewesen. Die Frau erhob sich und ihre Figur… ein Gentleman genießt und schweigt.

Zwanzig Minuten später wurde ich von einem andern, oder demselben? Negalithen in einen anderen Raum geführt, wo ich auf den ermittelnden Offizier warten sollte. Dieser unterschied sich in nichts von seinem Kollegen, der mich hereingeführt hatte. Nun gut, bis auf einen kleinen fünfzackigen Stern, der an dessen Schultergurt befestigt war. Aber sonst sahen beide gleich aus.

»Es ist Folgendes«, sagte er, nachdem ich mich auf einen harten Stuhl aus Holz setzen durfte. »Ihr Bürger Bligle hat die Motive für den Mord an seiner Frau. Seine Geliebte gibt ihm aber ein Alibi und außer ein paar wenigen Fingerabdrücken in der Nähe der Toten sind nur die vom Ehepaar Bligle im Haus. Wir kennen ihre Spurensicherungsmethoden, da wir aber selbst keine Fingerabdrücke hinterlassen, haben wir wenig Erfahrung in der Beurteilung von diesen. Aber zurück zum Ehepaar Bligle. Beide haben sehr hohe Versicherungen auf den jeweiligen Partner abgeschlossen. Damit hätte ihr Mann das beste Motiv für diese Tat. Gleichzeitig hat er mit seiner Alibigeberin bereits längere Zeit zusammengelebt. Daher besitzt Ihre Aussage vielleicht gar keinen Wert.«

Ich sagte nichts dazu. Irgendetwas stimmt nicht an der Tat. Es ist was faul im Staate Dänemark. Wo immer der Staat liegen mag. Aber ich kam nicht zum Nachdenken.

»Zur Tatzeit war er in einem Hotel untergekommen. Niemand der Angestellten kann seine Abwesenheit, aber auch nicht seine Anwesenheit, bestätigen. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass wir höchstens Mal an der Farbe ihrer… ihrer Haare in der Lage sind, Humanoide auseinanderzuhalten. Es wäre ihm sicherlich möglich gewesen, mit seinem Gleiter nach Hause zu fliegen, seine Frau umzubringen und wieder zurück zu kehren. Niemand hätte davon etwas bemerken müssen. Wenn es zur Anklage kommt, wird die Verteidigung sicherlich auf ihre Aussage zurückkommen und sagen, dass ein Streit zwischen Frau Bligle und ihrem Geliebten stattgefunden haben könnte. Trotzdem ist eines seltsam. Die meisten Fingerabdrücke stammen von den Bligles. Wenn Mary Ann Bligle wirklich einen Geliebten hatte, so hinterließ er keinerlei Abdrücke. Es gibt keinen Beweis dafür, dass ein fremder Mann jemals im Schlafzimmer des Ehepaares gewesen wäre.«

Ich saß, wie bereits vor dem Büro, vornüber gebeugt und den Kopf in die Hände gestützt. Der ermittelnde Offizier sah mich an, sagte aber nichts.

»Wie sieht Edgar E. Bligle aus?«

»Wie ein ganz normaler Humanoider. In der Größe etwas mickrig, aber sonst ganz normal, so wie ich das sehe.«

»Ungefähr 1,65 Meter groß, schlank?«

»Ja, so könnte man ihn beschreiben.«

»Das ist in etwa die Beschreibung, die auf den nächtlichen Besucher zutrifft.«

Der Offizier wurde hellhörig. »Was wollen Sie damit sagen?«

»Ich musste nur gerade daran denken. Er hätte sich ein eigenes Alibi verschaffen können. Verkleidet besucht er seine Frau, die von seinem Besuch vielleicht gar nichts mitbekam, lässt sich verfolgen und hat so seiner Frau einen Liebhaber verschafft, der nie in ihr Leben getreten war.«

»Finden Sie nicht, die Geschichte ist etwas fantastisch?« Er zögerte einen Moment, bis er fantastisch sagte. Vielleicht kam es ihm ja selbst merkwürdig vor. »Wir haben Edgar E. Bligle hier. Vielleicht können Sie ihn befragen?«

Er führte mich zu einem Bildschirm, der vorher wie ein Bild an der Wand aussah, und ließ mich einen Blick auf Bligle werfen. Edgar E. Bligle war eine komische Type. Knapp 1,65 Meter groß wirkte er wenig überzeugend. Dunkle Haare, eine altertümliche Sehhilfe, graue Schläfen und eine sehr schlanke Figur, um nicht klapperdürr zu sagen. Und doch, wenn ich ihn mit der Gestalt vergleiche, die ich in der Nacht gesehen habe, dann könnte er es gewesen sein.

»In der Dunkelheit konnte ich das Gesicht des Mannes nicht sehen und meine Aufzeichnungsgeräte zeigen es auch nicht«, antwortete ich. »Und befragen lohnt sich nicht. Ich könnte ihn zu keiner Aussage bringen.« Ich sah ihn an, zuckte mit den Schultern, wohl wissend, dass der Negalith diese Geste nicht deuten konnte. »Ich kann Ihnen lediglich bezeugen, dass der nächtliche Besucher die gleiche Größe wie Bligle besitzt.«

»Ich verstehe, möglicherweise wird man Sie zur Zeugenvernehmung vorladen. So lange können Sie Sschkasssch nicht verlassen. Sie verstehen?«

»Damit habe ich keine Probleme«, antwortete ich. »Ich liebe diesen Planeten.« Ich glaube nicht, dass der Offizier den sarkastischen Unterton als solchen wahrgenommen hat.

Ich erwartete nichts anderes. Kurze Zeit nach dem Gespräch in der Polizeistation wurde ich geladen. Edgar E. Bligles Anwalt verlangte eine vollständige Zeugenaussage aller Beteiligten. Er hoffte, die Anklage würde wegen der zu dürftigen Aussagen fallen gelassen werden. Nach dem Verlesen der Strafsache wurden der Hotelmanager, die diensthabenden Portiers in jener Nacht und das Servicepersonal befragt. Bestätigt wurde lediglich, dass der Angeklagte ein Hotelzimmer angemietet hatte und man ihn am frühen Abend in der Bar und am Morgen beim Frühstück in Begleitung von Frau Schmitz gesehen hatte. Nach ihm wurde die verführerische Frau Schmitz aufgerufen. Ich denke, dass der Minirock und die durchsichtige Bluse vor jedem menschlichen Gericht Wirkung gezeigt hätten. Aber vor den echsenhaften Negalithen haben menschliche Reize keinen Bestand. Ganz anders bei mir. Da stand etwas ganz anderes. Wie nicht anders zu erwarten, bestätigte sie die Anwesenheit von Bürger Bligle während der ganzen Nacht im Hotelzimmer. Auch meine Aussage wurde aufgenommen. Ich beschrieb meine Anwesenheit vor dem Haus, die erfolglose Verfolgung und die schnelle Absage des Auftrages. Ich bestätigte die Ähnlichkeit der Statur von Bligle und dem angeblichen Liebhaber und das war es für mich. Mehr konnte ich in diesen Fall nicht einbringen. Die Entscheidung, die das Richtergremium zu treffen hatte, war nicht leicht. Schließlich fiel die Entscheidung mit drei zu zwei Stimmen für einen vorläufigen Freispruch. Was nichts anderes besagte, bis zur Hauptversammlung darf er auf freiem Fuß bleiben.

Als ich den klimatisierten Gerichtssaal verließ, dachte ich, ich werde in einen Schnellkochtopf geworfen. So ungefähr muss sich ein Hummer im Kochtopf fühlen. Ich hatte nicht daran gedacht, dass es Mittagszeit war, die heißeste Zeit auf diesem Sandhaufen, Planet genannt. Ich schaffte es gerade noch bis gegenüber in die Bar und fühlte mich ausgetrocknet wie ein Wadi. Als ich mein Mineralwasser bestellte, stellte sich Edgar E. Bligle neben mich.

»Dürfte ich Sie vielleicht kurz sprechen?«, fragte er mich und sah eher ängstlich aus. Dabei hatte ich gedacht, er würde die Freiheit mit seiner Geliebten nutzen. Stattdessen läuft er hinter mir her.

«Wie Sie meinen, Bürger Edgar.« Ich führte ihn zu einer ruhigen Sitzgruppe, die für Humanoide gemacht war, und ließ mich darauf nieder.

Bligle bestellte sich ebenfalls ein Mineralwasser, hielt sein Glas mit leicht zittrigen Fingern und nahm einen tiefen Schluck.

»Ich bin verzweifelt und muss mit jemandem reden. Und bei der Vernehmung sahen Sie so aus, als ob Sie jemandem zuhören können. Sie hatten recht, als Sie die Ähnlichkeit mit dem Geliebten meiner Frau bezeugten. Ich war der Mann, den Sie in mein Haus hatten gehen und wieder verschwinden sehen.«

»An dieser Stelle sollten Sie aufhören zu reden. Sollten Sie den Mord gestehen, bin ich der falsche Ansprechpartner.«

»Aber… aber, ich habe meine Frau nicht umgebracht. Das schwöre ich bei… bei… bei wem auch immer. Ich war es nicht. Das Problem besteht darin, wenn ich alles erzähle, sitze ich wirklich sehr schnell im Gefängnis und die Zellen sind leider nicht klimatisiert. Ich würde höchstens zwei Tage überleben. Wenn ich Ihnen alles erzähle, würden Sie mir dann einen guten Rat geben können?« Er wartete meine Zustimmung oder Ablehnung gar nicht erst ab, sondern sprach weiter.

»Meine Frau und ich waren seit mehr als zehn Jahren verheiratet. Sie wissen, wie das mit Männern ist, ich vergesse immer den genauen Hochzeitstag. Es war nie die große Leidenschaft. Doch wir kamen miteinander gut aus. Nach zwei Jahren erwartete sie unser erstes Kind und wir freuten uns sehr darüber. Doch sie hatte eine Fehlgeburt. Nach der Operation stand fest, sie würde nie wieder Kinder bekommen.

Vor etwa einem Jahr übernahm ich diesen Planeten und das Sonnensystem nebenan als mein Verkaufsgebiet. Seit dieser Zeit war ich viel unterwegs und ich musste immer öfter auswärts übernachten. Von den meisten Stellen aus konnte ich abends wieder nach Hause kommen. Mary Ann schien das nichts auszumachen. Tagsüber hatte sie ihren Job als Kindergärtnerin in der Siedlung und am Abend kamen öfter Nachbarn vorbei. Zur sechsundzwanzigsten Stunde ging sie zu Bett. Man hätte eine Uhr danach stellen können. Aus diesem Grund habe ich meine Besuche als angeblicher Geliebter so gelegt, wie sie es sahen.

Vor etwa einem Jahr lernte ich Angelika Schmitz kennen. Bei uns schlug es ein wie bei einem Blitzschlag. Wenn ich in ihrer Nähe war, verbrachte ich die Nächte bei ihr. Die Nächte mit ihr waren wunderbar. Ich hätte nie gedacht, so eine Frau einmal erleben zu dürfen. Später reiste sie mir sogar nach und wir verbrachten die Nächte im Hotel. Aus der Liebe wurde fast Abhängigkeit. Ich konnte und wollte nicht mehr ohne sie sein. Doch dann begann Angelika vom Heiraten und Kinder kriegen zu reden. Ich bin noch nicht zu alt für Kinder, müssen sie wissen. Allerdings hatte ich damit gar nicht gerechnet. Ich erklärte Angelika, dass ich nach einer Scheidung meiner Frau in jedem Fall Unterhalt bezahlen müsste. Dann kam sie mit dem Plan, den sie kennen. Wenn ich beweisen könnte, dass Mary Ann einen Liebhaber hatte, müsste ich womöglich nicht zahlen. Zuerst war ich dagegen, doch Angelika ließ mir keine Ruhe. Ich machte schließlich mit, wollte ich Angelika doch nicht verlieren. Sie hatte gedroht, mich nicht nur zu verlassen, sondern alles meiner Frau zu erzählen. Zunächst verlief der Plan genau wie abgesprochen. Wenn ich heimlich ins Haus ging, hörte ich Mary Ann oben im Schlafzimmer. Ich ging solange in mein kleines Büro, wartete, bis sie schlief und ging. Doch bei einem Besuch machte ich aus Versehen etwas Lärm. Ich hörte sie die Treppe herunter kommen und nahm mir schnell die Perücke vom Kopf. Ich sagte, ich hätte einige Unterlagen vergessen und müsse aber gleich wieder weg. Sie kam in mein Büro und sah atemberaubend aus. Ein hauchdünnes Nichts an Negligé trug sie und kam direkt auf mich zu. Sie legte ihre Arme um meinen Hals und küsste mich. Wir hatten schon lange nicht mehr miteinander Sex und trieben es gleich auf dem Schreibtisch. Und dann lachten und redeten wir die ganze Nacht. Ich fand meine Frau wieder anziehend. Und bei all dem fiel mir auf, dass mir Angelikas Drängeln und ihre ewige Nörgelei auf die Nerven gingen. Am nächsten Tag erklärte ich Angelika, ich werde unseren Plan fallen lassen. Sie drängelte weiter und weiter, als sie jedoch meine Haltung nicht ändern konnte, gab sie nach. Ein paar Tage später sagte ich ihr, ich werde mich nicht scheiden lassen. Angelika tobte wie ein Sandsturm. Gegen Ende sagte sie, sie geht jetzt und wir würden morgen noch einmal darüber sprechen. Am nächsten Tag war sie blendender Laune. Nichts erinnerte an unseren Streit vom Vorabend. Sie war wie in der Anfangszeit, machte das Bett zurecht und mixte noch ein Cocktail für uns. Ich schlief dann sofort ein. Ich schlief so gut, wie seit Langem nicht mehr. Am Morgen war sie noch genau so, sagte mir, ich solle mir keine Sorgen machen, alles wird gut.«

»Das war in der Nacht, als Ihre Frau ermordet wurde?«, hakte ich nach.

»Genau, und das macht mich ganz verrückt. Ich weiß, dass ich meine Frau nicht umbrachte, aber wer war es dann? Die Polizei sagt, es gäbe keine Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen. Wer auch immer der Mörder war, meine Frau muss ihm die Tür geöffnet haben.«

Ich fiel ihm noch einmal ins Wort. »Bürger Bligle, das Leben von Ihnen und Ihrer Frau war hoch versichert?«

»Genau, wir haben damals, als unser Kind starb, die Versicherungen auf Gegenseitigkeit abgeschlossen. Ich habe seither gar nicht mehr daran gedacht.«

»Wusste Bürgerin Schmitz von der Versicherung?«

»Angelika? Da fragen sie etwas, ja ich glaube, ich habe es einmal erwähnt. Aber sie war doch die ganze Nacht bei mir.«

«Sind Sie sich dessen ganz sicher? Sie sagten doch, Sie wären sofort eingeschlafen.«

Edgar E. Bligle wurde bleich, sofern man das bei seinem blassen Teint sagen konnte. Aber Sie wollen doch nicht behaupten, Angelika wäre…?«

»Wirklich? Ich habe den Verdacht, in ihrem Cocktail war mehr, als vom Rezept her hineingehörte.«

»Ich habe aber noch nie davon gehört, dass Frauen jemand anderen erdrosseln.«

Ich sah in an, fixierte seine Augen. »Es stimmt, diese Methode wenden Frauen sehr selten an. Doch wenn die Angreiferin stark genug ist, besteht eine gute Chance zu einem erfolgreichen Abschluss.«

«Ich verstehe, was Sie damit sagen wollen. Die örtlichen Behörden würden glauben, der Mörder sei der angebliche Liebhaber. Jetzt, wo meine Frau aus dem Weg ist, ich sogar ziemlich vermögend werde, ist sich Angelika sicher, dass ich sie heiraten werde. Wenn sie weiterhin so gewesen wäre, ich hätte sie bestimmt geheiratet. Aber wenn sie meine Frau tötete, wie kann man das beweisen?«

»Ich werde mich mit dem ermittelnden Offizier in Verbindung setzen«, sagte ich zu ihm und ließ den gebrochenen Mann in der Bar sitzen.

Angelika Schmitz stritt immer ab, jemals im Haus der Bligles gewesen zu sein, doch konnten zwei Fingerabdrücke ihr zugeordnet werden. Nach anfänglichem Zögern gab sie es schließlich zu. Das Gericht überstellte sie an ihre Heimatwelt, wo sie wegen Mordes nach deren Gesetzen verurteilt werden sollte. Und die Journalisten feierten ihren Ermittler als hervorragenden Beamten. Und meine Arbeit? Wie üblich wurde ich nicht erwähnt. Aber damit kann ich leben.

Zwei Wochen nach dem Freispruch Edgar E. Bligles las ich es plötzlich in der Zeitung. Edgar E. Bligle und seine Frau Sandra geben die Geburt ihres Sohnes S’ahmir bekannt. Hallo, denke ich so bei mir. Nach nur zwei Wochen? Ein Kind von einer dritten Frau? Da ist doch etwas faul. Und dann nennt er das Balg auch noch nach mir. S’ahmir. Das bedeutet doch nur, er hat die atemberaubende Frau Schmitz nur benutzt, um seine Frau aus dem Weg zu räumen und diese Sandra zu heiraten. Und man kann ihm noch nicht einmal Beihilfe zum Mord bescheinigen.

Copyright © 2007 by Erik Schreiber