Heftroman der Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die Ballade von Tarlin

Stephan R. Bellem
Die Ballade von Tarlin

Novelle, Ulrich Burger Verlag, Homburg, Mai 2013, 150 Seiten, 7,50 Euro, ISBN: 9783943378061

»Das Empire schert sich nicht um uns. Solange wir genug Steine für den Krieg liefern, ist den hohen Lords scheißegal, wie viele hier draußen krepieren.« Die Expansion ihres Empires hat die Elfen weit nach Westen über die Eismeere geführt. Doch in der Steppe lauert der Tod. Wilde Orks wollen ihr Land nicht kampflos aufgeben und schlachten elfische Herren und menschliche Sklaven gleichermaßen ab. Den Vormarsch der Invasoren können sie jedoch nicht aufhalten. Erst als die Stollen zur Förderung magischer Edelsteine zu tief in die Erde reichen und das Land selbst sich erhebt, wird Tarlin klar, dass sein Volk nicht den richtigen Weg eingeschlagen hat. Nun gibt es nur noch eine Frage: Kann er noch verhindern, dass der Rachegeist erwacht?

Leseprobe:
Alles war Schmerz.
Der Faustschlag traf mich leicht nach links versetzt aufs Kinn. Alles wirkte in diesem Moment unendlich langsam. Wenigstens würden ihn die Knöchel noch einige Zeit daran erinnern, was er gerade tat. Irgendetwas knackte verdächtig, ich weiß nicht, ob es mein Kiefer war, oder seine Hand, oder die Nase des Arschlochs, das mich festhielt, als mein Kopf zurückschnellte und dagegen krachte.
Der Geschmack von Eisen breitete sich warm und klebrig in meinem Mund aus. Hätte ich mehr Zeit gehabt, ich hätte prüfend mit dem Finger meine Zähne befühlt, doch der nächste Schlag – ein kurzer Haken in den Magen – raubte mir die Luft zum Atmen.
»Verdammt, Tarlin!«, hörte ich eine vertraut klingende Stimme durch den Tumult aus Schmerz und Wut in meinem Kopf. »Wieso zwingst du mich dazu?«
Ich suchte in meinem Hirn nach einer passenden Erwiderung, einer Antwort auf diese einfache Frage, doch ich fand sie nicht. »Deine Entscheidung«, brachte ich matt hervor.
»Wir sollten ihn besser umlegen, Boss.«
Farindur.
Ich habe das dämliche Arschloch noch nie leiden können. Reicher Sohn eines Lords des beratenden Konzils im Empire. Spielte sich hier als eine Art König auf, doch er war nur gerade so nicht zu dumm zum Scheißen.
Aus der Richtung seiner Stimme erkannte ich, dass er derjenige war, der mich so liebevoll bearbeitete. Zum Glück waren meine Augen schon vor einer gefühlten Ewigkeit zugeschwollen – so blieb mir wenigstens das dämliche Grinsen dieses Idioten erspart. Farindur genoss es, seinem Hang zur Gewalt endlich freien Lauf lassen zu können.
»Das ist meine Sache.«
Die Stimme war vertraut. Warm und beinah sanft. Ich wusste, dass mir ihr Besitzer lieb und teuer war, doch ich konnte nicht erkennen, wer da sprach.
Nein, ich wollte es nicht erkennen. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben.
Barvhan.
Wie hatte er mich so verraten können?
Der Sturm in meinem Schädel legte sich, als Farindur wieder meine Rippen und den restlichen Torso mit vollendeter Hingabe malträtierte. Der vorherrschende Schmerz, der einen lähmte und ängstigte, wich Stück für Stück der Wut in meinem Herzen.
Verrat!
Nichts hasste ich mehr. Und nichts Geringeres hatte man mir angetan.
Eine Hand schloss sich um einen Gegenstand an meiner Weste und riss ihn – trotz heftigen Widerstands des dicken Wollstoffs – ab. Der sechszackige Stern – jede Spitze eine Erinnerung an die alten Fürstenhäuser des Empires – wurde mir genommen.

Veröffentlichung der Leseprobe mit freundlicher Genehmigung des Verlages

Anke Brandt