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Sarah Winchester – Woman of Mystery

Können Sie sich vorstellen, wie bedrückend es ist, wenn Familienangehörige sowohl um ein Kind als auch um einen Ehegatten trauern? Auch wenn Sie 20 Millionen auf dem Konto hätten und weltweit caritative Projekte unterstützen, ereilen auch Ihnen Schmerz und Trauer wie jeden anderen. Sie können den Verlust eines lieben Menschen mit Geld nicht rückgängig machen.
Sarah L. Winchester hinterließ als Reaktion auf den Tod ihres Kindes und Ehemannes ein bizarres und beeindruckendes architektonisches Spiegelbild ihrer Psyche. Die faszinierende Geschichte des Winchester Mystery House ist tief mit der persönlichen Tragödie von Mrs. Winchester und dem Erbe der Winchester, das Gewehr, welches den Westen eroberte, verwurzelt.

Sarah Lockwood Pardee, im September 1839 geboren, war die Tochter von Leonard Pardee und Sarah Burns, Kutschenhersteller in New Haven, Connecticut. Bekannt als die »Schöne von New Haven« genoss Sarah alle Vorteile einer kultivierten Erziehung einschließlich einer Ausbildung an den besten Privatschulen. Sie sprach vier Sprachen und spielte hervorragend Klavier. 1862 heiratete Sarah William Wirt Winchester, Sohn von Oliver Fisher, stellvertretender Gouverneur von Connecticut und Hersteller des berühmten Winchester-Repetiergewehres. Das junge Paar lebte glücklich zusammen und genoss in der Gesellschaft New Englands einen ausgezeichneten Ruf. Doch im Jahr 1866 ereilte sie das Schicksal, als ihre kleine Tochter Annie an der mysteriösen Krankheit Marasmus starb. Mrs. Winchester fiel in eine tiefe Depression, von welcher sie sich nie vollständig erholte. Fünfzehn Jahre später starb ihr Mann im März 1881 an Tuberkulose. Es wird gesagt, dass die Witwe letztendlich Hilfe bei einem Spiritisten suchte. Ist dies nun etwas Geheimnisvolles oder bloß Kummer um den Verlust lieb gewonnener Menschen?

Einigen Quellen zufolge erklärte das sogenannte Boston Medium, welches von Sarah Winchester konsultiert worden war, dass ihre Familie und ihr Vermögen von Geistern heimgesucht wurden. Dabei soll es sich um Geister von Indianern, Soldaten im amerikanischen Bürgerkrieg und anderen gehandelt haben, die von Winchester-Gewehren getötet worden waren. Angeblich wurden die vorzeitigen Todesfälle ihrer Tochter und ihres Ehemannes von diesen Geistern verursacht. Es wurde angedeutet, dass Mrs. Winchester das nächste Opfer sein könnte. Jedoch behauptete das Medium auch, dass es eine Alternative gab. Mrs. Winchester wurde angewiesen, nach Westen auszuwandern und die Geister zu beschwichtigen, indem sie ein großes Haus für die Plagegeister bauen sollte. Solange der Bau des Hauses anhielt, könnte Mrs. Winchester sicher sein, dass ihr Leben nicht in Gefahr war. Solch ein Haus zu errichten, sollte ihr sogar ewiges Leben bescheren. Vielleicht war es der Ortswechsel oder das nicht enden wollende Bauvorhaben, was Sarah Winchester benötigte, um sich von der Trauer ablenken zu können. Was auch immer ihre tatsächliche Motivation war, packte sie ihre Koffer, verließ Connecticut und besuchte eine Nichte, die in Menlo Park, Kalifornien, lebte. Während dieser Zeit entdeckte sie den perfekten Ort für ihr neues Zuhause im Santa Clara Valley. 1884 kaufte Sarah ein unfertiges Bauernhaus nur drei Meilen westlich von San José. Im Laufe der folgenden 38 Jahre errichtete sie die weitläufige Anlage von Winchester Mystery House.

In den späten 1800er Jahren waren die Chancen, den Besitz an Grund und Boden im Santa Clara Valley zu vergrößern, beträchtlich gestiegen. In einer für sie ruhigen Gegend begann Mrs. Winchester mit unerschütterlicher Entschlossenheit, ihr Bauvorhaben in die Tat umzusetzen. Rund um die Uhr arbeiteten Zimmerleute und Schreiner in Schichten. Um die Jahrhundertwende entwickelte sich das einstige Acht-Zimmer-Haus zu einer siebenstöckigen Villa. Das Anwesen wuchs schließlich auf 161 Hektar Ackerland und Obstgärten mit Aprikosen-, Pflaumen- und Nussbäumen, um Mrs. Winchester Einkommen aufzubessern. Sie besaß auch Häuser in Atherton, Los Altos und Palo Alto. Sarah Winchesters finanzielle Ressourcen waren praktisch unbegrenzt. Nach dem Tod ihres Mannes erhielt sie mehrere Millionen Dollar in bar und 777 Aktien der Winchester Repeating Arms Company. Nach dem Tod ihrer Schwiegermutter im Jahre 1897 kamen 2000 Aktien hinzu, was für Sarah knapp fünfzig Prozent Anteil am Gesamtvermögen entsprach und ein Einkommen von 1000 Dollar pro Tag vor Ertragsteuern einbrachte.

Die Kombination von Reichtum und exzentrischem Bauvorhaben gab Anlass zu vielen Gerüchten in der Gemeinde. Auf der einen Seite war Mrs. Winchester großzügig zu ihren Mitarbeitern und zahlte ihnen drei Dollar pro Tag, auch wenn der durchschnittliche Tageslohn bei eineinhalb Dollar lag. Wenn sie mit ihrer Kutsche in die Stadt fuhr, bezahlte sie ihre Einkäufe bei den Händlern und Kaufleuten oft mit Goldmünzen. Waisenhäuser und viele andere lokale Wohltätigkeitsorganisationen profitierten von anonymen Geldspenden. Sarah lud Kinder aus der Nachbarschaft ein, ließ sie auf dem Gelände spielen, auch Eis essen oder Klavier spielen. Auf der anderen Seite hegte Mrs. Winchester von Anfang an ein klares Interesse an Abgeschiedenheit. Eine der ersten Aufgaben der Gärtner war es, eine hohe Zypressenhecke rund um das Haus anzupflanzen. Berichten zufolge, die entlassene Bedienstete erzählten, hielt sie ihr Gesicht stets mit einem dunklen Schleier bedeckt. Es gab Ereignisse, die jeglicher Beschreibung trotzten. Nachbarn wollten täglich um Mitternacht und um 02:00 Uhr eine Glocke gehört haben, die Überlieferungen zufolge die An- und Abreise der Geister verkündete. Einige sagten, dass Mrs. Winchester niemals im selben Schlafzimmer zwei Nächte hintereinander schlief, um alle bösen Geister zu verwirren, die auf sie warteten. In der Mitte des Hauses lag der Blue Room, in welchem sich Mrs. Winchester angeblich jede Nacht mit den Geistern traf. Darin standen ein Schrank, ein Tisch, auf welchem Stift und Papier lagen, ein Wandschrank und ein Planchette für die Übertragung von Nachrichten aus dem Jenseits. Die Legende besagt, dass die Geister 13 spezielle farbige Roben trugen und Sarah von ihnen Anleitungen für ihre Baupläne erhielt.

Mit fortschreitendem Alter litt Sarah Winchester stark unter Arthritis. Sie starb am 5. September 1922 im Schlaf an Herzversagen und wurde auf dem Evergreen Cemetery in New Haven, Connecticut neben ihren geliebten Mann bestattet. Sie hinterließ ihrer Schwester und den vielen Nichten und Neffen ein großes Vermögen an Geld und Treuhandfonds. Eine beträchtliche Geldsumme bekamen ihre langjährigen Mitarbeiter und die Winchester Clinic of the General Hospital Society of Connecticut für die Betreuung und Behandlung von Tuberkulosepatienten. Die Klinik existiert heute noch als Bestandteil des Yale New Haven Medical Center.
Zum Zeitpunkt ihres Todes hatte der unerbittliche Bau von Winchester Mystery House eine sagenhafte Fläche von über sechs Hektar erreicht. Das weitläufige Anwesen beinhaltete 160 Zimmer, 2000 Türen, 10 000 Fenster, 47 Treppen, 47 Kamine, 13 Bäder und 6 Küchen.
Gemäß ihres Letzten Willens ging der persönliche Besitz einschließlich der Möbel, der Haushaltswaren, der Bilder, des Schmucks und der Papiere an Sarahs Nichte Marian Merriman Marriott über, die umgehend die gesamte Einrichtung versteigerte. Es wird gesagt, dass sechs Lkw notwendig waren, um 6 Wochen lang Winchester Mystery House leer zu räumen. Die Villa und die Farm erwähnte Mrs. Winchester nicht im Testament. Sie wurden Teil von ihrem Verwalter, der Union Trust Company of San Francisco, verkauft.
Was war Mrs. Winchesters wahre Motivation, in der zweiten Hälfte ihres Lebens Winchester Mystery House zu bauen? Niemand kann das mit vollständiger Sicherheit sagen. Aus jener Zeit sind kein Interview und kein Zeitungsartikel überliefert worden. Nach Sarahs Tod erschienen Hunderte wilder Geschichten über diese geheimnisvolle Frau und das weitläufige Herrenhaus. Es scheint seltsam, dass keiner ihrer Verwandten oder ehemaligen Mitarbeiter jemals etwas unternahmen, um diese Geschichten zu widersprechen, trotz der Tatsache, dass einige von ihnen mehr als vierzig Jahre nach Mrs. Winchesters Tod noch lebten. Aus irgendeinem Grund haben sie sich bedroht gefühlt oder das Bedürfnis verspürt, die Privatsphäre auch nach ihrem Tod weiter zu wahren.

Wahrheit und Legende liegen oft dicht beieinander. Ich überlasse es Ihnen, selbst herauszufinden, warum Mrs. Winchester wirklich das Haus in der Art und Weise gebaut hat, wie sie es tat.

Quellen:

Copyright © 2013 by Wolfgang Brandt