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Klagelaute eines Hörspiel-Labels

Zack, da hatten es die illegalen Downloader! Simeon Hrissomallis von Russel & Brandon Company schrieb einen offenen Brief, in dem er die illegalen Downloader anklagt und ihnen die Schuld daran zuschreibt, dass Serien eingestellt werden müssen oder nur schleppend voran kommen. Damit würden sich die illegalen Downloader jedoch ins eigene Fleisch schneiden, denn so würden Serien sterben!

Der Brief ist quer durch das Internet zu finden, hinterfragt werden die Aussagen jedoch nicht – schließlich weiß doch jeder, welch ein Schaden dadurch entsteht. Die Vertreter der Musik- und Filmindustrie werden nicht müde, darüber zu klagen und auch Verlage haben schon aus genau diesem Grund Serien eingestellt.

So kommt es, wie es kommen muss – man liegt sich weinend in den Armen, dankt Simeon Hrissomallis für den Brief und verwünscht die Downloader! Wohin man auch schaut, die Reaktionen sind stets gleich. Und wehe, jemand wagt es, diese Gruppen-Empörung zu stören! Virtuelles Teeren und Federn ist noch die kleinste Strafe!
Dabei gäbe es gute Gründe, die Aussagen zu hinterfragen. Mal ganz genau zu schauen, was da geschrieben wurde und worüber der Herr Hrissomallis da klagt.
Niemand, wirklich keiner, kann den tatsächlichen Schaden beziffern, der durch Downloads entsteht. Ob nun jeder Zehnte ein Produkt kaufen würde, jeder Dritte oder doch jeder 25. vermag niemand zu sagen.
Wie auch? Es handelt sich um eine anonyme Masse, die man nicht befragen kann.

Ich nehme mal ein Beispiel – mich!
Gestern fand ich auf Chip Online 50 Mega-Downloads; legal zu ladende Spiele oder Demos, die keinen Cent kosten.
Ich habe knapp die Hälfte davon auf meine Platte gezogen, hätte für keines davon Geld ausgegeben und werde wahrscheinlich ein bis zwei Spiele davon tatsächlich spielen.
Der Jäger und Sammler kam durch, ich packte erst mal ein, was es einzupacken gab.

Bei illegalen Downloads wird es kaum anders sein. Viele laden, um es sich vielleicht, irgendwann einmal anzuhören, anzuschauen oder auszuprobieren.
Einige werden mehrfach eine Datei laden, weil es Abbrüche gibt und nur ein Bruchteil wird sich die Hörspiele holen, weil sie ihn interessieren und er dafür Geld ausgegeben hätte.
Dieser Bruchteil aber würde wahrscheinlich keine Serie retten.

Die Zahlen, die Hrissomallis aufführt, klingen daher nur auf den ersten Blick erschreckend. 800 Verkäufen stehen demnach 15.000 Downloads gegenüber.

Ein wenig naiv mutet da dieser Satz an:

Oh, habe ich euch jetzt überrascht? Dachtet ihr es wären 10.000 oder 50.000 oder gar 100.000 reguläre Abverkäufe? Nein, ihr liebenswürdigen Diebe, es sind nicht mal Tausend… Im fünfstelligen Breich sind nur die illegalen Downloads. Und manche Serie schafft es nicht mal auf 500 verkaufte Expl.

(Zitat unverändert aus dem Brief.)
Wahrscheinlich wird sich kein illegaler Downloader Gedanken um Absatzzahlen machen. So wenig, wie ihm die Serie als solche am Herzen liegt.
Und auch wenn ihnen Hrissomallis seinen Zorn entgegen schreit und sie als Diebe beschimpft, wird es keinen kümmern.

Wirklich traurig finde ich diese Aussage:

Und ja, mir ist klar: Nicht jeder illegale Downloader würde sich die Serien kaufen, aber es würden nur 5 Prozent von den illegalen Downloads reichen um eine Serie weiter zu finanzieren.
Das beste Beispiel: Butler Parker: Da hätten nur 500 Käufer mehr gelangt, das wir heute mindestens bei Folge 20 wären.

(Zitat unverändert aus dem Brief.)
Nun mag es sein, dass 500 Käufe genügt hätten, um Ziele zu erreichen. Nur bringt es nichts, diese 500 Käufer unter den 15.000 Downloads zu suchen. Zum einen halte ich 5% für überaus optimistisch, zum anderen stehen diesen 15.000 illegalen Downloads knapp 82.000.000 Menschen gegenüber, die weder gekauft noch einen illegalen Download vorgenommen haben. Denn dies ist die Einwohnerzahl Deutschlands (gerundet).
Diese 82.000.000 Menschen haben wahrscheinlich nicht einmal von der Serie gehört. Sie wissen nicht, dass es sie gibt, und konnten sie also gar nicht kaufen.
Oder anders ausgedrückt: Das Label hat es nicht geschafft, bei 82.000.000 Menschen die 500 benötigten Verkäufe zu generieren.
Nun mag es verlockend sein, auf die 15.000 Downloads zu schielen, um dort die Schuld an dem mageren Verkaufsergebnis zu suchen. In Wahrheit lenkt man damit aber nur von seinem eigenen Versäumnis ab.

Jene, die Hrissomallis nun zustimmen und mit ihm in die Klage einstimmen, mögen zwar seiner Seele Trost spenden – hilfreich sind sie jedoch nicht. Hat jemand Magenschmerzen, lässt er sich gerne trösten; die Ursache beseitigt jedoch nur der Arzt mit Medizin, nicht mit Trost.
Die Medizin, welche die meisten Labels brauchen, ist eine ordentliche Marketing- und Verkaufsstrategie.
Im Moment produzieren die Anbieter Folge um Folge und investieren dort ihr Geld. Marketing findet ein wenig im Web statt, aber das ist nicht ausreichend. Irgendwann kommt die Quittung und mit Getöse werden Serien eingestellt. Die Fans in den Foren mögen zwar nach immer neuer Kost rufen, sie sind jedoch nicht die Grundlage, für all die Serien und Anbieter. In den Foren verkauft man vielleicht 300 bis 400 Stück. Neukunden gewinnt man dort kaum und an die Masse gelangt man ohnehin nicht auf diese Weise.
Natürlich kostet es Geld, Marketing zu betreiben. Nur wäre das Kapital dort besser angelegt, als in neue Folgen, ohne sich um den Abverkauf des Bestands Gedanken zu machen.

Einen Brandbrief, wie ihn Hrissomallis verfasst hat, ist auf jeden Fall eine bittere Pille. Er schreckt potenzielle Kunden ab, denn der Grundton ist derart negativ, dass sich kein Kunde mit Freude einer Serie annimmt.
Verkauf, und das wird jeder wissen, der damit zu tun hat, findet überwiegend im subjektiven Bereich statt. Man verkauft nicht durch Fakten, sondern durch Emotionen. Daher müssen negative Formulierungen vermieden werden, der (Neu)Kunde braucht das Gefühl, vor, während und nach dem Kauf die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Darum werben Unternehmen auch nicht mit Fakten, sondern mit Emotionen. Coca Cola verkauft in den Werbespots keine Brause, sondern Sommerfrische und Spaß. Und BMW verkauft nicht einen Fünfsitzer mit 4 Liter Verbrauch, sondern in erster Linie das Gefühl von Freiheit, Abenteuer und Fahrspaß.
Alles, was dem Kunden im Zusammenhang mit dem Produkt ein negatives Gefühl vermitteln könnte, bleibt im Verborgenen. Darum sieht man bei Auto-Werbung niemals einen Stau.

Und dann kommt da Hrissomallis mit solch einem Brief!
Damit schadet er nicht nur seinem Label, sondern der Branche insgesamt. Denn es ist naiv zu glauben, Neukunden würden auf den Namen des Anbieters achten. Sie lesen es und verbinden das Produkt mit einem negativen Gefühl.
Nicht objektiv. Objektiv werden sie nicken. Aber wie bereits gesagt – Verkauf funktioniert nicht auf objektiver Basis. Das, was unser Unterbewusstsein macht, ist viel wichtiger und entscheidender.
Aus diesem Grund ist es bereits verpönt, das Wort „Problem“ zu nutzen – selbst in seiner Negierung.
„Kein Problem“ hört sich objektiv gut an, subjektiv verbindet unser Unterbewusstsein ein negatives Gefühl mit dem Satz, denn das Wort „Problem“ bleibt stark haften.
Gute Trainer bringen Verkäufern jedweder Art daher bei, keinesfalls diese Floskel zu benutzen.
Und sie ist nur ein Beispiel von vielen.
Der Brief von Hrissomallis strotzt nur so von negativen Aspekten und erreicht damit das Gegenteil von dem, was er eigentlich wollte.
Abgesehen von dem Seelentrost, den Zustimmung stets erzeugt, ist der Brief sinnlos und schadet eher der Branche, als dass er hilft. Ihn zurückzuziehen wird nichts nutzen, der Schaden ist angerichtet.

Ich habe ohnehin wenig Hoffnung, dass meine Worte Gehör finden. Denn seltsamerweise scheint jedes Label exakt zu wissen, wie man vorgehen muss. Rat von außen ist nicht erwünscht, man weiß es besser. Nur die Zahlen, die stimmen bei vielen mysteriöserweise nicht.

Komisch, oder?

Nun, vielleicht braucht die Branche einfach mehr Brandbriefe und Sündenböcke wie die illegalen Downloads!

13 Antworten auf Klagelaute eines Hörspiel-Labels