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Der Welt-Detektiv Band 6

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Kriegszeiten

»Den Medien und der Politik ging es immer um die Highlights […] Aber niemand hat untersucht, ob der afghanische Staat mit unserer Hilfe tatsächlich funktioniert. […] Ich habe Massengräber in der Wüste gesehen. Mit den Mördern wollten wir einen Staat machen. Es hieß, in Afghanistan hätten alle Blut an den Händen. Wir dürften nicht zimperlich sein.«

Reiner Siegmann, Hauptmann

»Die Wächter des Friedensbildes sitzen überall – sie achten darauf, dass diese Realität nicht zu hart nach außen scheint. […] Die Tarnung durch Worte schadet auch den Soldaten. Wenn ein Gefreiter oder ein Offizier der Bundeswehr in Afghanistan steht, kämpft er im Auftrag des deutschen Volkes. Das Parlament hat ihn geschickt. Der Gefreite und der Offizier haben deshalb ein Recht darauf, dass sie das Parlament, das Volk in ihrem Einsatz unterstützt […] Ich habe gehört, wie Soldaten angepöbelt wurden, weil sie im Einsatz waren. Ich habe gesehen, wie sich Soldaten geschämt haben, über ihren Einsatz zu berichten. Weil ihre Worte nichts mit dem Bild der Friedensmission zu tun hatten. […] In Deutschland leben heute Veteranen mit verstörenden Geistern im Kopf. Menschen, die an Traumata leiden. Wir beklagen verwundete und tote Soldaten. Es gibt Selbstmorde und gescheiterte Ehen. Die Opfer sind unter uns. Sie leiden in unserem Namen. […] Dieser Comic soll dabei helfen, die Wahrheit zu sehen. Der Krieg in Afghanistan ist verloren.«

David Schraven, Journalist

Wer das Friedensbild deutscher Soldaten im Einsatz behalten will, sollte diesen Comic besser nicht lesen. Denn der Comic räumt auf mit den Friedensbildern, mit den Bildern von Brunnen und Schulen bauenden Soldaten. »Niemand sagte klar und deutlich, dass deutsche Soldaten in Afghanistan kämpfen müssen, wie Soldaten eben im Krieg kämpfen. Mit Gewehren, mit Bomben und Toten«, sagt Schraven in seinem Nachwort. Und den Comic beginnt er nicht nur mit den Bombenanschlägen des 11. September 2001, sondern auch mit dem Titel Kriegszeiten – die eben nichts mit Friedenszeiten zu tun haben. Der Comic deckt die Sinnlosigkeit vieler Einsätze deutscher Soldaten auf: »Bis zu fünfzig Deutsche sichern vier Albaner, die ein Loch in die afghanische Steppe machen. In Taliban-Gegenden werden die Brunnen oft direkt wieder zerstört. Irgendwie eine unsinnige Beschäftigung, oder?«, sagt Dirk Koszinski, Infanterist, über seinen Einsatz. Nicht nur unsinnige Einsätze, sondern auch Warlords, der im großen Stil aufgezogene Drogenhandel in Afghanistan, Geheimhaltung, Korruption zeichnen durch Schraven und Burmeister ein völlig anderes Bild des Einsatzes in Afghanistan als das, was der deutsche Bürger offiziell sehen soll.

Schraven spricht im Nachwort ein weiteres Thema an, das auch ich in meiner journalistischen Tätigkeit erlebt habe: Soldaten sind in Deutschland verpönt. Viele deutsche Bürger hadern mit der Bundeswehr bzw. mit den Soldaten. Ein Soldat sagte mir bei einem Termin, dass man vorsichtig sei, wenn man die Kompanie verlasse, denn man hätte sonst Pöbeleien zu befürchten. Dass ich diesen Termin in einer Kompanie überhaupt wahrnehmen konnte, verdankte ich eigentlich nur meiner Hartnäckigkeit, denn von der Zeitung, bei der ich damals arbeitete, war er für die Jugendseite nicht gewollt. Ein Bericht über Zivis dagegen schon. Und der Redakteur des Ressorts sagte mir, er hätte ein anderes Thema genommen, wenn er kurzfristig Ersatz für diese Artikel hätte beschaffen können. Ich durfte danach für die Jugendseite nicht mehr schreiben.

Das Thema der traumatisierten Kriegsveteranen, das Schraven in seinem oben zitierten Nachwort anspricht, nimmt ein saarländischer Tatort sehr gut auf: Heimatfront.

Meiner Meinung nach hätte der Comic ruhig länger sein und mehr Erfahrungsberichte der Soldaten einarbeiten dürfen, um ihn noch eindringlicher zu machen. Aber auch so vermittelt er ein einprägsames Bild über die Einsätze deutscher Soldaten im Kriegsgebiet und der Taktiererei der deutschen Politik, wenn es um Afghanistan geht.

Schraven listet außerdem zahlreiche Literatur- und Linktipps zu dem Thema auf.

Fazit:
Ein eindringlicher Comic über die realen Zustände im Afghanistankrieg.

Copyright © 2013 by Ulrike Dansauer

 

David Schraven
Vincent Burmeister
Kriegszeiten
eine grafische Reportage über
Soldaten, Politiker und Opfer
in Afghanistan
Comic, Hardcover
Carlsen, Hamburg
Oktober 2012
128 Seiten, 16,90 Euro
ISBN: 9783551786982