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Tony Tanner – Agent der Weißen Väter – 8.1

Das Komplott der Eisernen – Teil 1

Tony Tanners Tagebuch

Collesalvetti.

Anscheinend braucht der Mensch Ruhe, um festzustellen, wie erschöpft er ist. Bei mir war es jedenfalls so. Ich kam hierhin, bekam mein altes Zimmer – damit hatte ich gar nicht gerechnet. In einem Hotel bekomme ich ja auch nicht immer dasselbe Logis – und hatte so etwas wie einen Zusammenbruch. Na ja, ich ließ mich nicht ins Bett tragen und hatte auch keine hysterischen Anfälle. Aber ich merkte plötzlich, wie kaputt ich war. Geistig, seelisch und körperlich am Ende. Ich habe aus Australien eine Sammlung blauer Flecken mitgebracht, die sonst nur ein Hooligan nach einer erfolgreichen Fußball-WM vorweisen kann. Immer wenn ich an die Zeit in diesem Arbeitslager nachdachte, hatte ich das Bedürfnis, mich unter die Dusche zu stellen. Es war absolut pervers, wenn ich daran dachte, dann hatte ich sofort wieder diesen Kälberstall-Ammoniak-Gestank in der Nase, der aus dem kam, was die Leute dort Scheißhaus zu nennen beliebten.

 

Jedenfalls hing ich einige Tage nur schlaff herum, bewegte mich nur, um auf den Lokus zu schleichen und saß ansonsten auf dem Balkon und schmökerte in Romanen – Henry Rider Haggards Afrikaromane, Edgars Wallace’s Sanders vom Fluss und dann einiges von Patrick O’Brian. Es ist äußerst erfreulich, dass in der Bibliothek von Collesalvetti auch solche Bücher zu finden sind. Das war genau die Ablenkung, die ich brauchte. Irgendwie scheinen die Leute hier meinen Zustand spitzgekriegt zu haben, jedenfalls ließ man mich völlig in Ruhe und ich bin sicher, dass der Conte die entsprechende Anweisung gegeben hat. Es war so, dass ich erst einmal Mühe hatte, die ersten Tage hier in der Erinnerung wieder auf die Reihe zu bekommen.

 

Ich war mir nicht sicher, ob wir schon seit einer Woche zurück sind oder erst seit drei Tagen. Keine Ahnung, ist mir auch egal, ich frage mich nur, ob so was die ersten Anzeichen von Alzheimer darstellt. Ich saß jedenfalls auf dem Balkon und las, und manchmal schaute ich auch nur in die Gegend. Das Wetter war alles andere als erfreulich. Die Toskana ist im Grunde ein fürchterlich unwirtliches Land, ich wundere mich, dass hier überhaupt Menschen leben. Es ist unerfreulich kühl, es nieselte immer wieder – war mir egal, weil wie durch Zauberhand eines Morgens ein Riesenschirm auf meinem Balkon stand – und am schlimmsten war dann das Wetter, als sich Sonne und Wolken abwechselten. Es gab einen Schauer, und die Wolken waren so niedrig, dass ich glaubte, gleich würden sie auf den Boden fallen, dann reißt die Wolkendecke auf, blauer Himmel und Sonnenschein, aber gleich so gleißend, dass es wehtat – und das alles in so einem Wechsel, dass ich mir dachte, das Ganze ist mir bei Weitem zu dramatisch. Man glaubte wirklich, im Hintergrund immer so ein Hollywood-Filmorchestern fideln zu hören.

 

Dieser Blödmann von Koala würde wahrscheinlich behaupten, ich hätte warten müssen, bis meine Seele in Collesalvetti ankommt (oder würde das ein Indianerhäuptling behaupten, der vor dem Eingang seines Stammescasinos sitzt und die Eintrittsgelder kassiert? Keine Ahnung, wahrscheinlich schreiben diese Ureinwohnerklugscheißer voneinander ab, jedenfalls klingt es immer gleich, egal ob es vom Eskimo kommt oder vom Amazonasindianer. Es erinnert mich immer ein wenig an Wahlreden, obwohl sich davon keiner einen Aufkleber an Auto pappen würde – egal, meine psychische Innenausstattung scheint jedenfalls inzwischen hier angekommen zu sein, ich putze mir wieder die Zähne, hab mir die Haare schneiden lassen und mache mir Sorgen, ob die australische Sonne bei mir zu vorzeitiger Gesichtsfaltenbildung führen könnte.

 

Das ist so typisch für den guten alten Tony Tanner, wie ich ihn kenne, dass es mich ein wenig beruhigt. Ich meine, meine Eitelkeit ist ja wohl ein deutliches Zeichen dafür, dass ich über den Zustand des rein vegetativen Existierens hinaus bin.

 

Von Eitelkeit könnte ich gleich zu Mademoiselle Chaudieu springen. Aber das mache ich nicht, nein, diese Sumpfkuh und Schwerkraftzentrum meiner sämtlichen amourösen Fantasien hat mich nämlich links liegen gelassen, also kommt sie auch später dran. Na ja, eigentlich hat sie mich nicht links liegen gelassen. Sie ist einfach nicht aufgetaucht. War nicht zu sehen. Obwohl sie das einzige Mittel gewesen wäre, um mich aufzumuntern, als ich meinen Nach-Australien-Durchhänger hatte. Ich stellte mir immer vor, wie es leise an der Tür klopft, und wenn ich dann bis dorthin geschlurft bin, dann huscht sie durch den Türspalt und fällt mir um den Hals und sagt, dass der Conte es zwar streng verboten hat, mich zu besuchen, aber dass sie es nicht aushält ohne mich. War ja wohl nichts, Tony Tanner, deine Anziehungskraft scheint kaum zu unterschätzen zu sein. Na ja, ich wurde irgendwie regelrecht sauer. Ich lauschte immer, ob sie irgendwo zu hören war und dachte, wenn ich den ganzen Tag auf dem Balkon hänge, dann wird sie mir doch irgendwann vor die Optik laufen. Totale Pleite. Nun ja, dann fing es bei mir natürlich an zu arbeiten, und ich haspelte sämtliche masochistischen Bilder durch, die unsereins in so einer Situation aktivieren kann. Ich glaube, ich kam bis zu dem Punkt, wo sie es in Narbonne mit drei älteren französischen Offizieren gleichzeitig treibt, bis sich mir sagte, dass es so nicht weitergehen kann und ich diese Gedankengänge kappte.

 

Schließlich stellte es sich heraus, dass Lucille gar nicht auf Collesalvetti war. Blöd. Ein paar Fragen hier und da hätten mich auch zu dieser Erkenntnis geführt. Ich merkte es allerdings erst dann, als ich draußen stand und ein Wagen kam und sie ausstieg. Es war einer dieser mistigen Scheißzufälle, die mich zum Schreien bringen könnten, wenn ich darüber nachdenke: Warum musste sie gerade in diesem Moment auftauchen? Sie hätte doch genauso gut fünf Minuten früher oder später kommen können, aber doch nicht dann, als sie kam.

 

Ich fühlte mich absolut auf dem falschen Fuß erwischt, und ich wollte eigentlich nur mal kurz eine Runde die Füße vertreten und dann kam also dieser Wagen und wer aussteigt, ist niemand anders als Mademoiselle Chaudieu. Aber wie sie aussteigt! Das war filmreif. Zuerst wetzte der Fahrer, nein nicht der Fahrer, sondern ein Beifahrer, um den Wagen und reißt den Wagenschlag auf. Dann erscheinen ein paar rote, hochhackige Pumps, schwenken über die Türschwelle und dann fahren zwei sehr lange Beine aus, bis die Sohlen Bodenkontakt haben. Dann erscheint der Rest der Mademoiselle.

 

Ich kann das dir gar nicht beschreiben, mein liebwertes Tagebuch, es war jedenfalls ein Weltklasseauftritt, ich bin sicher, Mademoiselle Chaudieu könnte dank dieser Technik mit einem Minirock aus einem Ferrari steigen und dabei immer noch wie eine Dame wirken, und kein Blödmann von Societyfotograf hätte eine Chance ein Foto ihrer Dessous zu machen. Nun gut, ich habe mir vor lauter Begeisterung über das Mädel einen Schreibkrampf geholt. Da sieht man’s wieder. Also, ich stehe da und schaue wohl ziemlich blöde aus der Wäsche und weiß nicht, was ich machen soll, zu ihr hingehen oder warten, bis sie kommt – schließlich war ja klar, dass sie jetzt nicht irgendwo in den Büschen verschwinden würde, sondern zum Gebäude gehen und damit an mir vorbeikommen. Ich überlegte und sagte mir dann, dass es wohl eine nette Geste wäre, ihr entgegen zu gehen. Also erhebe ich mich.

 

Aber kaum habe ich das entschieden, da wackelt doch Dorkas von hinten an mir vorbei, grölt Mademoiselle und arbeitet sich auf sie zu – in seinem Schlepptau der Conte. Alles klar, somit war die Sache für mich erledigt. Ich meine, der gute Dorkas, dieser … hatte es mal wieder geschafft, mich wie einen Idioten aussehen zu lassen, und dafür bekam er auch ein Zahnpastalächeln und Kopf in den Nacken werfen und ausgebreitete Arme und Hallo und Trallala und Küsschen links und Küsschen rechts und dann noch eines links. Auf die Fettbacke. Entschuldigen Sie, Sir Dorkas.

 

Und ich stehe wie ein Depp auf Distanz und weiß nix mit mir anzufangen. So eine Sch …, ich könnte mich jetzt noch in den Bauch beißen vor Wut! Ich war mir sicher, dass Mademoiselle mir zwischendurch einen Blick zuwarf und meine Reaktion abcheckte. Ich sagte mir also, Leck mich, winkte ihr ganz lässig zu und trollte mich ums Haus. Kaum war ich um die Ecke, kam ich mir wieder wie ein Totaltrottel vor und wollte zurück, um die Sache irgendwie zu retten. Ich meine, sie konnte ja nichts dafür, dass der Conte, dieser … sie in die weite Welt geschickt hatte. Als ich mit meiner Seelenerkundung so weit war und mich wieder um die Ecke machte, sah ich die ganze Bande gerade fröhlich schwatzend im Eingang verschwinden und ich stellte fest, dass ich nicht der Typ bin, der jetzt einen Spurt hinlegt, um sich anzuschließen. Nicht mit mir.

 

Ich ging also wieder zurück und dann suchte ich mir einen Boxsack und habe dem so richtig die Fresse poliert. Das tat gut, auch wenn ich hinterher meine Fäuste kaum mehr auseinander bekam. Dann, ich weiß auch nicht, warum ich das machte, ging ich zu Benevoglio. Das heißt zu dem Rasenstück, wo er begraben ist.

 

Es war kein Mensch in der Nähe, also konnte ich eine Weile vor mich hin heulen – ich glaube, ich werde das gleich wieder streichen, ist mir zu peinlich. Es klingt blöde, aber ich war ungeheuer sauer auf Benevoglio, weil er tot war und ich nicht mit ihm reden konnte, das war wirklich eine totale Gemeinheit von ihm. Das klingt genauso kindisch, wie es ist, aber genauso dachte ich. Wäre es gegangen, hätte ich ihn am liebsten verprügelt, weil er sich unter den Rasen verkrochen hatte, dieser Blödmann. Und da floss es sozusagen aus mir heraus – das klingt jetzt, als hätte ich mir in die Hosen gepinkelt, egal – jedenfalls ging es mir hinterher besser. Vielleicht hatte das nun was mit Benevoglio zu tun, ich weiß nicht. Ich stand jedenfalls da und hatte mit dem Augenwasser zu kämpfen und dann hatte ich anscheinend meinen Seelenmüll ausgekotzt und abgespült und es ging mir wieder ziemlich gut. Besser jedenfalls, als seit langer Zeit.

 

Ich gestehe, das war der beste Moment, den ich bis dahin hier hatte.

 

Denn ansonsten habe ich das Gefühl, dass entweder mit mir was passiert ist oder mit Collesalvetti. Es fing damit an, dass ich dieses komische Gefühl hatte, als ich mein Zimmer betrat, ich würde nach Hause kommen. Kurios war es deshalb, weil das hier nicht mein Zuhause ist. Mein Zuhause ist eine Wohnung in London, für die ich immer noch per Dauerauftrag monatlich ein Schweinegeld ablatzte. Aber in dieser Wohnung würde ich mich ebenso fremd fühlen, nein, noch fremder als in meinem Zimmer auf Collesalvetti, wobei das hier kein Zimmer ist, sondern ein Gemach oder was auch immer, jedenfalls was in der Art einer Fünf-Sterne-Hotel-Kategorie. Worauf ich hinauswill, ist die simple Tatsache, dass ich anscheinend nirgendwo mehr richtig zu Hause bin. Ich habe einen Riesenhorror vor dem Gedanken, ich sollte wieder in meine Londoner Bleibe. Es wäre so, als würde ich irgendeinen schwierigen Sport betreiben, den ich vor Jahrzehnten – so kommt es mir vor, irgendwie scheint sich die Zeit zu dehnen, hat was mit dem Altwerden zu tun – nicht mehr ausgeübt habe.

 

Wo war ich? Ja, irgendwie funktioniert das mit dem Zuhausesein nicht mehr so richtig. Irgendwie scheint sich auch Collesalvetti verändert zu haben. Ich kann nicht formulieren, was es ist. Nichts Äußerliches, man kann keine Spuren von diesem Angriff mehr entdecken. Aber irgendwas anderes ist es, so eine Art unterschwelliger Nervosität, die man nicht bemerkt, die einem aber doch irgendwie in die Nerven dringt. Schwer zu sagen. Irgendsowas wie das Summen von einem Bienenschwarm. Vielleicht liegt es auch am Conte. Als ich ihn wiedersah, bekam ich einen regelrechten Schock. Er hatte stark abgenommen und dazu hat er sich seine Resthaare zur Glatze rasiert, trägt dafür aber einen Schnur- und Spitzbart. Auf den ersten Blick sieht er aus wie ein Fliegergeneral der Mussolinizeit, es sieht eigentlich absolut klasse aus, rassig eben, als wäre er gerade einem nach einem Luftkampf aus seinem Zweidecker geklettert, aber es passt nicht zu dem Conte di Saloviva, den ich kenne. Den ich glaubte zu kennen, vielmehr.

 

Ich wollte zu ihm, ich weiß nicht warum, vielleicht ein Smalltalk oder die ganz ganz große Diskussion um die Fraternidad und die Hylegs und wie und ob es weitergeht oder ob es das jetzt war und die Welt geht sowieso unter, weil wir alle versagt haben. Seine Tür stand halb offen. Ich weiß, dass er mit jemand in London telefonierte. Er sprach Englisch. Er redete von London und von ihm – und warum hatte ich das beknackte Gefühl, dass mit ihm ich gemeint war?

 

Tony Tanner! Du lauschst! Der Lauscher an der Wand …

 

Liebes Tagebuch, sei stolz auf mich, denn ich habe widerstanden. Ich wandte mich um und ging und hörte nicht weiter zu. Ich traf den Conte eine halbe Stunde später.

 

Tatsächlich war es so, dass ich mich geohrfeigt fühlte, als er auf mich zukam, um mich zu begrüßen. Nach dem Motto: Glaub bloß nicht, mich zu kennen, du Versager. Ich erkannte ihn tatsächlich erst, als er vor mir stand, selbst seine Art sich zu bewegen, schien sich verändert zu haben. Er hatte jetzt so etwas Schneidiges, bewusst Energisches, irgendwas von Jetzt aber los, Leute, der Zug fährt gleich oder Zack, zack, alle Mann mir nach, im Sturmschritt, auf, Hurra. Die Veränderung beunruhigt mich, weil ich glaube, sie mir erklären zu können, aber mir nicht sicher bin. Ansonsten ist der Conte wie immer ein Leuchtturm an Höflichkeit und Gastfreundschaft und Rücksichtnahme. Nur dass er jetzt ein Messer zwischen den Zähnen zu haben scheint, wenn er lächelt – sozusagen. Er smalltalkt. Er interessiert sich für unsere Reise. Weiß er den Rest schon? Und wer hat es ihm erzählt, und warum durfte ich nicht der sein, der es ihm erzählt – und was geht es ihn eigentlich an, er ist doch nicht mein Chef.

 

Ach so, bevor ich das vergesse: Der Rückflug aus Australien war der absolute Horror. Wir saßen zwar in der ersten Klasse und bekamen Pyjamas gestellt – das muss sich einer mal reinziehen, seidene Pyjamas mit dem Emblem der Fluglinie auf der Brust – aber Steele wirkte wie ein Zombie. Er saß neben mir und sagte während dieses ganzen Fluges kein Wort. Ich weiß nicht, warum er in dieser Laune war. Ich vermute, er hat so eine Art Jahrestag, ich weiß nicht. Ich bekam nur mit, dass er ein Foto anschaute. Er hielt es so, dass ich nicht erkennen konnte, wer darauf abgebildet war. Und er glotzte darauf, als wollte er sich mit Blicken in das Papier bohren. Dann steckte er es weg und er selbst steckte sich sozusagen auch in die Tasche, nicht mal mit der Stewardess sprach er. Der Flug war außerdem sehr unruhig. Ich habe ja schon eine Menge Meilen auf dem Buckel und traue mir zu, aus Erfahrung zu sprechen, aber so was an Luftlöchern habe ich noch nie erlebt. Einmal fiel die Maschine garantiert zweihundert Meter durch wie ein Stein. Eine Stewardess stand gerade im Gang und hatte ein Tablett in der Hand. Sie flog förmlich gegen die Decke, es sah aus, als wäre sie schwerelos. Ich konnte das Mädel noch abfangen, als die Maschine wieder stabil wurde, sie war sehr griffig, aber der Wein war natürlich nur noch von Decke und Sitzen abzulecken. Ich frage mich natürlich, ob dieses Mistwetter irgendetwas mit dem Hyleg zu tun haben könnte. Der Gedanke gefällt mir nicht, aber er ist so abwegig nicht.

 

Steele ist übrigens verschwunden. Kaum waren wir auf Collesalvetti, war er auch schon wieder weg. Ich hörte von einem heftigen Streit mit dem Conte munkeln. Steele hat sich in die Berge verzogen, er will klettern. Das ist typisch für ihn. Wenn alle anderen nach Hause gehen, weil es schneit und stürmisch ist und die Wände vereisen, geht Steele auf Solotour. Ich frage mich ernsthaft, ob wir ihn je wiedersehen werden. Ich habe den Verdacht, dass er auf eine Rückkehr keinen Wert legt. Aber wenn das so wäre, dann ständen wir alle auf dem Schlauch, in schlichten Worten gesagt. Steele ist nicht ersetzbar. In Australien bin ich doch nur hinter ihm hergestolpert, alleine hätte ich nichts gerissen. Vielleicht kommt er aber doch zurück. Wäre nicht british, mir nicht Goodbye zu sagen. Bei einem Bier vielleicht.

 

Little ist auch verschwunden. Er ist mit Dorkas zurückgekommen, aber etwas muss da vorgefallen sein. Ich habe meine Lauscher in alle Richtungen ausgestreckt, um was rauszufinden, denn direkt wollte ich auch wieder nicht fragen, aber was Genaueres konnte ich nicht erfahren. Anscheinend ist Little auf eine besondere Art durchgeknallt, und Dorkas muss ihn nur unter Aufbietung aller Kräfte zurück nach Collesalvetti bekommen haben. Irgendwer hat was von dämonischen Einflüssen gemunkelt, aber das ist mir wieder zu abgedreht. Frag mal einen Diener, und dann siehst du, dass er alles ganz genau weiß, du siehst es in seinen mild-arroganten Augen, und dann kommt nach einer unendlichen Denkpause so ein Satz wie Signore Little ist – wie ich gehört habe – unpässlich.

»Was hat er denn, kann man zu ihm, was sagt der Arzt, hat er nach mir gefragt, musste er ins Krankenhaus oder hat er nur Flitzekacke – nun sagen Sie schon!«

Pause.

»Er ist – wie ich gehört habe – in den besten Händen, scusi, Signore Tanner, ich werde in der Küche erwartet!«

Abrausch. Diener müsste man sein. Dann wüsste man, was abgeht.

 

Jedenfalls wird Little anscheinend unter Verschluss gehalten. Zu sehen habe ich ihn nicht bekommen, anscheinend dürfen nur der Conte, der Arzt und Fräulein Sonnenschein zu ihm. Das Mädel ist übrigens klasse. Die Einzige, die mich in meiner Depri-Phase ein wenig aufgemuntert hat, vor allem, weil sie so eine Art hat, mich auf den Arm zu nehmen, dass ich sofort über mich selbst grinsen muss, selbst wenn ich eigentlich lieber rumheulen möchte wie ein Schlosshund. Ich glaube, ich sollte mich in die studierte hohe Frau verlieben. Mit ein wenig gutem Willen ist das sicherlich leicht. Ich bin sicher, sie kennt zwanzig Positionen des Kama-Sutra auswendig, weil sie die in ihre Morgengymnastik eingebaut hat. Aber ich schweife ab. Steele ist also weg, Little ist ausgefallen. Bleiben also nur Lucille und Dorkas und meine Wenigkeit. Die Reihen lichten sich.

 

***

Heute hatte ich den totalen Ich will hier raus-Effekt. Irgendwas findet statt, von dem ich nichts mitbekomme. Ich frühstückte heute wie üblich allein. Von Lucille oder Dorkas war keine Spur zu sehen, es regnete wieder in Strömen, und dabei war es windig. Also vertrat ich mir die Füße, indem ich durch das Gebäude wanderte. Es ist ja wirklich groß genug, um einen Wandertag abzuhalten. Ich wanderte so für mich hin, da höre ich plötzlich Littles Stimme. Ich wunderte mich natürlich, denn ich war in einem abgelegenen Flügel, wo meines Wissens keine Gäste untergebracht werden. Dennoch geht es in dem Trakt äußerst prächtig zu. Ich meine, man hat das Gefühl, im Priorbereich eines Barockklosters zu sein, auch deswegen, weil überall Heiligenfiguren herumstanden. Keine Ahnung, wer sie gesammelt hat, aber es war eine wirklich exklusive Gesellschaft – christliche, konfuzianische, buddhistische, taoistische Heiligenfiguren. Allesamt wertvolle Stücke, so weit ich das beurteilen kann, aber in der Zusammenstellung wirkte das alles etwas bizarr. Nein, nicht bizarr – beeindruckend und furchteinflößend. Trotzdem wollte ich mir diese Kunstwerke nicht entgehen lassen, schaue sie mir an, und plötzlich höre ich Little hinter einer schweren Eichentür schreien. Es war seine Stimme, kein Zweifel. Aber dann brüllte eine andere Stimme, die völlig anders klang.

 

Es war eine derart exklusive Folge von Sottisen und Gotteslästerungen, dass ich mich ärgerte, nicht mitschreiben zu können, um daraus ein modernes Theaterstück zu machen. Und dann schrie wieder Little, allerdings war es so, dass die Stimme mitten in einem Satz wechselte, darum bin ich sicher, dass es nicht zwei Personen waren, die da herumtobten, sondern nur einer, nämlich Little. Es war alles ziemlich schlimm, was heißt ziemlich, es war so, dass ich mich verzog und immer das Gefühl hatte, dass so eine Art von tickender Bombe in Collesalvetti verborgen ist. Little scheint so eine Art von schizophrenem Anfall zu haben, aber wenn man ihn gehört hat, ich meine diese andere Stimme! So eine Stimme kann es gar nicht geben, sie war dröhnend und durchdringend und ich konnte sehen, dass einige Staubkörnchen auf dem Kopf eines dicken freundlichen Buddha zu hüpfen begannen, derart begann die Luft zu schwingen. Mir kann kein Seelenklempner erzählen, dass so was rational erklärbar ist. Keine menschliche Kehle kann so etwas hervorbringen, keine, da bin ich mir sicher. Und erst recht nicht der Mickerhals von Little. Mir ist die Sache jedenfalls durch und durch gegangen und ich glaubte immer noch diese Stimme im Ohr zu haben, selbst als ich schon am anderen Ende des Gebäudes war.

 

Auf meiner mehr oder weniger Flucht traf ich dann auf Lucille. Ich muss mich loben, denn ich schaffte es, meinen Schock wegzudrücken, und ich trieb mir den Charme aus allen Poren. Ich sagte ihr, wie schön es wäre, sie zu sehen und dass ich sie vermisst habe und als sie ankam, da war ich einfach noch ein wenig erschöpft von der Reise und so. Ich log also, dass sich die Balken bogen, und sie war sehr verständnisvoll. Wirklich, sie schaute mich an, dass mir die Knie weich wurden, so ein Krankenschwester-Dackel-Blick und besorgte mir einen Kuss auf den Mund. Kurz und kräftig, aber gut. Leider hatte sie keine Zeit und wir wollen uns morgen ganz offiziell zum Essen treffen, wie in der guten alten Zeit. Sie hatte ein Bündel Akten in der Hand, sagte, dass sie zum Conte müsse, und flüsterte mir noch zu, dass Montalban arabische Milizen ausbilde, was immer das bedeuten soll.

 

Gut, sie hat mich also wieder erwischt. Tut mir leid für Fräulein Sonnenschein, aber gegen Lucille Chaudieu hat sie bei mir keine Chance. Ich bin jetzt schon total kribblig, wenn ich an morgen denke.

 

***

So langsam überkommt mich das Gefühl, ich bin in eine waschechte Gothic Novel geraten, einschließlich wehender Vorhänge. Also, es war so. Ich war total aufgedreht, weil ich mich so freute. Irgendwie war ich der Meinung gewesen, Lucille wäre sauer auf mich und das hatte mich ziemlich heruntergezogen. Dann traf ich sie heute und ihr Blick erzählte mir eine völlig andere Geschichte. Wenn ich auch nur ein winzigkleines bisschen von Frauen verstehe, dann ist Lucille ein Stück Vollmilchschokolade, das darauf brennt, mir auf die Zunge zu springen. Das poetische Bild ist etwas gewagt, aber was soll’s. Also konnte ich jedenfalls nicht schlafen und darum saß ich gegen Mitternacht noch auf dem Balkon.

 

Es ging ein fürchterliches Gewitter nieder, die Blitze kamen in kurzen Abständen und jedesmal war das Gelände taghell erleuchtet. Es war so ein grelles Blitzlicht, das alle Einzelheiten herausholt und alle Farben löscht. Am schlimmsten fand ich die Schatten. Man muss sich das mal vorstellen, plötzlich ist es taghell und unter allen Gegenständen liegen solche tiefen schwarzen Schatten. Dazu war es windig und es fielen die ersten Tropfen. Ich saß also da und plötzlich sehe ich, wie jemand aus dem Gebäude kommt und auf die Treppe zugeht. Ich erkannte den Conte sofort an seiner Art zu gehen. Der alte Bursche muss flüssige Knoblauchpillen intravenös bekommen haben, so stramm, wie der losmarschierte. Er stellte sich an die Treppe und wartete und ich wartete auch, schließlich war ich neugierig. Und siehe da, ein Auto kommt über die Wiese. Ein Mann steigt aus und kommt die Treppe hoch. Dieser Mann und der Conte müssen sich sehr gut kennen, aus ihrer Begrüßung zu schließen. Da war mehr Herzlichkeit als Höflichkeit drin. Der Fremde trug ein Barett und einen langen schwarzen Mantel. So weit ich das erkennen konnte, handelte es sich um einen Mann jenseits der Sechzig, Brille, rundes Gesicht, weißer Spitzbart, der gute Onkel-Typ, wirklich sympathisch. Ich mochte ihn sofort und wunderte mich ein wenig, wieso ich jemanden mögen soll, den ich nur undeutlich aus der Ferne sehe. Der Mann und der Conte hakten sich unter und gingen zum Eingang. Der Mann trug eine Aktentasche und dann erkannte ich, dass unter seinem Mantel etwas Weißes schimmert und ich denke, meine Güte, der trägt ja ein Nachthemd.

 

Und dann sehe ich, dass der Mantel eine Kapuze hat und dass die Kapuze weiß gefüttert ist. Und da geht mir ein Licht auf. Dieser Mann ist Dominikaner. Wer länger als zwei Stunden in der Nähe eines gewissen Dorkas verbracht hat, weiß, dass die früheren Inquisitoren aus diesem Orden stammten – und das nicht immer, oder eher selten, oder eigentlich gar nicht zum Ruhme von der Katholiken Mutter Kirche – gut, dass ich anglikanisch bin. Während ich zusah, wie sich der Wagen wieder entfernte, mit dem der Fremde gekommen war – übrigens oberste Oberklasse, ein gestreckter A8-Audi – begann es bei mir im Hirn zu rattern. Und während ich noch dem Rattern nachlausche, kommt noch ein weiterer Wagen.

 

Ich sah ihn zufälligerweise, denn er fuhr ohne Licht. Ich schaue also auf die nächtliche Wiese, Blitz, alles hell, kommt da doch ein veritabler Rolls unbeleuchtet angerauscht. Und das mit einem Tempo, als wäre der Teufel hinter ihm her. Entweder der Fahrer kann im Dunkeln sehen oder der Wagen hat eine Nachtsichteinrichtung, anders ist es nicht denkbar. Der Wagen hält, alle Türen werden aufgerissen und vier Leute steigen aus. Der Rolls war eine Sonderanfertigung, das sah ich sofort, denn ich kenne die Firma, die die Wagen für unsere Royals umbaut.

 

Jedenfalls springen die vier Leute raus und ich sehe sofort, dass das Gorillas sind. Ich meine Leibwächter. Und zwar Spitzenleute, so wie sich bewegten und die Gegend absicherten. Dabei trugen sie Kapuzen und lange schwarze Gewänder. Die ganze Szene war ziemlich unheimlich – Blitz und ständiges Donnergrollen und der Wind ließ die Gewänder flattern. Ich war schon ziemlich alarmiert und dachte mir, dass sie jetzt nicht mehr mit Hubschraubern kommen, sondern mit Limousinen. Aber dann merke ich, dass die Vier nicht auf das Gebäude losstürmen, sondern abwarten.

 

Und dann steigt noch eine Gestalt aus. Im Vergleich zu den anderen klein, mindestens zwei Köpfe kleiner und viel älter, jedenfalls danach zu urteilen, wie er sich bewegte. Er hatte so eine Art Stock dabei. Die ganze Gesellschaft formiert sich, zwei vorne, zwei hinten, der Mann mit dem Stock in der Mitte. Aber dann, ich hab geglaubt, mich haut’s aus den Pantoffeln, dann öffnen zwei den Kofferraum und holen vier Weihrauchfässer hervor und verteilen sie. Die Dinger waren schon präpariert, als der Kofferraumdeckel hochging, stieg eine weiße Wolke auf und ich dachte zuerst, da wäre der Motor explodiert. Sie schnappen sich also ihre Weihrauchfässer und ziehen in einer Miniprozession auf Collesalvetti zu. Ich warf kurzerhand ein Sesselpolster über die Brüstung und wetzte los, um das Polster wieder einzusammeln. Irgendeinen Vorwand brauchte ich doch, um den Leuten über den Weg zu laufen. Ich traf sie in der Nähe des Eingangs, denn sie gingen sehr langsam und feierlich.

 

Mir läuft es jetzt noch kalt den Rücken herunter, wenn ich daran denke. Da kommen diese fünf Typen, alle in schwarzen Kutten, alle mit übergezogener Kapuze, sodass man kein Gesicht erkennen kann. Vier schwenken Weihrauchfässer, alle im selben Rhythmus, als hätten sie einen gemeinsamen Mechanismus. Dazu sangen sie mit Grabesstimme irgendwas auf Latein. Und dann der in der Mitte. Im Vorbeigehen erkenne ich, dass sein Stab uralt sein muss, ein regelrecht schäbiges Ding, ganz ohne Verzierungen. Aber oben ist ein Kreuz, so ein keltisches Kreuz, wo an jedem Kreuzarm noch ein waagerechter kleinerer Arm ist. Aber bei diesem Kreuz war der untere Querarm schräg, so ähnlich wie das Fußbrett bei orthodoxen Kreuzen. Außerdem lief noch ein Kreis um das Kreuz. So was habe ich noch nie gesehen, ziemlich abgefahren. Aber der Mann, der es trug, rammte es bei jedem Schritt auf den Boden, dass es regelrecht schepperte, als wollte er sich ankündigen. Ich konnte das Gesicht nicht erkennen, aber ich sah die Hand, die den Stab hielt.

 

Ich habe im Ägyptischen Museum in Kairo damals die ausgestellten Mumien gesehen und deren Hände schienen weniger alt zu sein als die Hand dieses Mannes. Er hatte völlig dürre Finger, eine Haut wie bei einem Trockenfisch. Er trug einen schweren Siegelring. Ich war wahrscheinlich übermüdet und allzu aufgedreht, jedenfalls hatte ich plötzlich das Gefühl, das dieser Mann so etwas wie eine Aura hatte. Es war, als würde plötzlich ein Gefrierschrank aufgerissen, als er vorbeiging. Ich merkte deutlich, wie sich bei mir die Haare aufstellten und meine Nerven zu kribbeln begannen. Ich war froh, als diese Typen vorbei waren und ich ihr Gesinge nicht mehr hören konnte. Dafür riecht ganz Collesalvetti nach Weihrauch.

 

***

Ich war so nahe dran. Sooooooo nahe. Ich hatte ihre Zungenspitze in meinem Ohr und sie fragte: Gefällt dir das? Und als ich, verwegener Bursche, der ich bin, sagte: Gib mir mehr davon, da sagte sie: Du kannst alles haben, es wartet schon so lange auf dich.

 

Also, Lucille und ich nahmen ein gemeinsames Mahl ein und der Conte gab uns die Ehre seiner Gesellschaft. Er schien auf Diät zu sein und begnügte sich mit Wasser und Brot, war dabei aber putzmunter und erzählte Anekdoten. Ich muss sagen, wenn der alte Herr in Form ist, dann könnte er als Alleinunterhalter auftreten. Jedenfalls war die Stimmung schon bestens, als er uns allein ließ. Lucille und ich klönten eine Weile, ich erfuhr, dass sie in Frankreich unterwegs gewesen war, um sich auf die Spuren der Aktivitäten Montalbans zu heften. Sie sagte nichts darüber, aber die Sache schien nicht ohne Risiko gewesen zu sein. Als mir das schwandte, hätte ich den Conte am liebsten verprügelt. Und plötzlich, im schönsten Gespräch, lächelte sie mich versonnen an und zugleich spürte ich ihren Fuß an meinem Bein. Nun gut, auf diese Weise konnte man natürlich am besten die Qualität eines Anzugstoffes prüfen, aber so wie sie mich anschaute, war das nicht unbedingt ihre Absicht. Und dabei war sie ein derart raffiniertes Biest – Ellenbogen auf dem Tisch, Hände verschränkt und Kinn auf die Hände gelegt und sie lächelte süß und unschuldig und fummelte dabei mit ihrem weichen Füßchen an mir herum, dass es mir auch ganz warm und weich wurde und andernteils hatte es sich mit weich, aber das tut nichts zur Sache. Gut, wir verhandelten kurz und kamen zu einem Konsens, der da lautete: Ab in mein Zimmer, Klamotten runter und ab in die Kiste, wenn wir es denn bis zum Bett schaffen.

 

Und in diesem Moment – also, es klang so, als würde ein Güterzug voller leerer Milchkannen über ein sehr schlechtes Gleis fahren. Irgendwie schwandte mir schon Unheil und siehe da, Dorkas tauchte auf und balancierte ein Teetablett mit Kanne und zwei Tassen. Er machte das genau so, wie ein Dorkas es tun muss – volle Konzentration, Blick stur auf das Tablett gerichtet, Zunge zwischen die Zähne geklemmt. Er stellte das Ding ab und palaverte los, dass er endlich ein Rezept gefunden habe, wie man hier noch besseren Tee kochen könne und ich solle doch bitte an seinem Triumph teilhaben und außerdem sei es ihm langweilig und der Conte habe ihm gesagt, dass ich hier sei.

 

Und dann schaute er auf und sah Lucille und bekam die röteste Tomate, die ich jemals auf einem Hals gesehen hatte. Er stotterte fürchterlich rum und wollte schon wieder gehen. Aber mir tat er unheimlich leid und ich sagte, dass er sich doch bitte setzen solle. Er fragte, ob er für Lucille auch eine Tasse organisieren solle, aber sie lächelte zuckersüß und sagte, sie wollte sowieso gehen. Sie warf mir einen Killerblick zu und gleichzeitig einen Handkuss, sagte zu mir: »Petit Salaud!«, dann erklärte sie, dass sie jetzt Schuhe einkaufen müsse und schwirrte ab.

 

Dorkas ist ganz begeistert. »So ein hübsches Fräulein – und was für nette Dinge sie zu Ihnen sagt, Herr Tanner.« Dabei droht er mir neckisch mit dem Finger, und ich bin kurz davor, ihn zu erwürgen und ihm vor seinem letzten Atemzug noch eine Übersetzung zu geben. Wir unterhielten uns lange, der Tee war wirklich gut. Dorkas bestätigte, dass Little endgültig psychotisch geworden ist. Der Mann ist aus dem Spiel. Ich fragte Dorkas übrigens ganz beiläufig nach dem Kreuz, das ich gestern gesehen hatte. Er war plötzlich sehr interessiert, ließ sich die Form aufzeichnen und grübelte eine Weile. Dann sagte er, er müsse passen und dass der einzige, den er mit so einem Kreuz in Verbindung bringen könne Valerius XIII. sei, der Gegenpapst in Avignon. Als ich etwas dumm aus der Wäsche schaute, erzählte er etwas von radikalkatholischer Sekte und unklarer Nachfolgeregelung bei manchen Päpsten. Diese Sekte, die sich selbst als allkatholische Kirche bezeichnet, soll in einer Villa in Avignon ihr Hauptquartier haben, und manchmal mietet sie Räume im alten Papstpalast.

 

Dorkas erzählte auch, dass sie versuchen, Kontakt zu einem Jake Flinger in San Francisco aufzunehmen, den Tipp hat Dorkas anscheinend aus Deutschland von irgendeinem Trooger oder Treuger bekommen, einem alten Herrn. Gerade bekomme ich die Nachricht, dass der Conte mich gern sprechen will.

 

***

London

 

Ich weiß nicht, ob ich unter Schock stehe, aber so ähnlich muss es wohl sein. Vor einigen Stunden eröffnete mir der Conte, dass ich zurück nach London muss. Es war der freundlichste und höflichste Arschtritt, den je ein Mensch versetzt bekommen hat. Vier Leute halfen mir, meine Sache zu packen, dann wurde ich zum Flugfeld gefahren und per privatem Düsenjet nach London. Sehr nobel, Donald Trump hätte es nicht besser treffen können.

 

Also gut. Für mich ist die Sache beendet. Aber ich frage mich, welches Spiel der Conte eigentlich spielt: Steele ist weg, Little ist ausgefallen, Lucille ständig unterwegs um Informationskleinkram zu sammeln, ich bin weg. Dorkas wird die Sache alleine nicht reißen können. Es ist mir egal, verdammt. Es ist mir nicht egal. Oder: so was von egal. Werte Brüder und Schwestern der Fraternidad: Ihr könnt mich mal kreuzweise. Und Tschüss. Euer Tony Tanner. Himmel, wer sagt mir, was jetzt läuft … Und was wartet hier auf mich …

Fortsetzung folgt …