Deutsche Märchen und Sagen 194
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
263. Wunderbare Quellen
Dicht am Ufer des Luzerner Sees sieht man einen Quell, der jährlich am Kreuzerfindungstag zu springen beginnt und am Kreuztag im Herbst zu fließen aufhört. Noch andere Quellen haben diese Eigenschaft, wie Cysatus ausführlich beschreibt.
Die Bauern des Dorfes Stansstadt versichern, es springe ein Born in den Alpen, der nur in den Monaten, wo man das Vieh austreibt, und dann auch nur zweimal am Tag, und zwar zu den Stunden, wo das Vieh trinkt, sein Wasser gibt.
Ein Quell im Berner Gebiet leidet, gleich dem Mummelsee, keinen Schmutz. Wirft man solchen hinein, dann fließt er während einigen Tagen nicht. Tut ein Tier das aber, das macht nichts; dann wirft er den Schmutz bloß aus.
Deutsche Märchen und Sagen 193
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
261. Unsere liebe Frau vom weißen Zweig zu Ronsse
Zu Ronsse findet man unter viel anderen Kapellchen auch das unserer lieben Frau vom weißen Zweig. Wo es nun steht, da stand vor vielen hundert Jahren eine gewaltige uralte Eiche, zwischen deren dichten Zweigen ein hölzernes Marienbild hing. Dies hatte Wunderkraft und viel Kranke fanden bei ihm Genesung; kein Wunder also, wenn es bald in der ganzen Gegend bekannt und berühmt wurde und Pilger aus allen Städten und Dörfern sich zu ihm drängten. Was jeden der Pilger aber am meisten wunderte, war, dass der Zweig, an dem es hing, ganz schneeweiße Blätter trug. Von ihm hieß man das Bild Maria zum weißen Zweig. Den Satan ärgerte die Andacht der Gläubigen zu dem Bild und er trieb einige Bösewichte an, den weißen Zweig abzuschneiden und ihn in einen tiefen Pfuhl zu verbergen. Doch damit gewann er nichts, denn zu gleicher Zeit fühlte die Witwe von Graf Johann von Nassau sich gedrungen, über dem Bild eine Kapelle zu bauen. Dadurch nahmen die Wallfahrten zu der Eiche nur zu und bis heute bleibt die Kapelle eine der Weiterlesen
Deutsche Märchen und Sagen 191
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
259. Geist an den Eichen
Wenn man von Cortemarke bei Turnhout nach Hooglede gehen will, sieht man in einiger Entfernung eine einzelnstehende Gruppe von Bäumen, und näherkommend, findet man zwischen denselben das alte Schloss Volmerbeke, dessen Grundstein zu Zeiten Balduins des Eisernen gelegt sein soll. Nun ist das Schloss eine Meierei und eine ganz friedliche Wohnung. Das war es aber nicht so ganz in früherer Zeit und selbst bis zu Ende des vorigen Jahrhunderts; es hielt sich nämlich dort der Geist eines alten Herrn des Schlosses auf, der vor vielen Hundert Jahren gestorben ist, ohne dass er vor seinem Tod Zeit fand, den Ort anzugeben, wohin er eine große Summe Geld nebst vielen Kleinodien verbarg. Jede Nacht kam der Geist und klopfte auf Türen und Fenster, während er rief: »Slaep je öl? Slaep je öl? Slaep je öl?«1
Deutsche Märchen und Sagen 190
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
255. Das weiße Mütterchen
In Haltern geht abends gegen acht Uhr und später ein weißes Mütterchen um. Wenn jemand ihm begegnet, den bittet es, mitzugehen, indem es ihm einen Schatz zeigen und geben wolle. Wer ihr aber folgt, den tötet sie und der ist unrettbar verloren.
256. Gebrochen Gelübde
In Osnabrück erscheint nachts um zwölf Uhr eine Frau, die trägt eine glühende Krone auf dem Haupt und glühende Ketten um den Hals, ist auch mit glühenden Ketten an den Händen geschlossen. Sie ruft: »So geht es, wenn man Gott getane Gelübde nicht hält.«
257. Gott segne euch!
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Deutsche Märchen und Sagen 189
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
254. Die Nonne zu Gehofen
Eine Frau von Eberstein wollte in ihrem Schloss Gehofen, welches im Amt Allstedt liegt, aus einer kleinen Küche und Kammer eine schöne große Küche machen lassen. Während nun die alten Mauern abgerissen wurden, ließ sich eine schöne Nonne vor ihr sehen mit einem roten Kreuz auf der Stirn. Die dankte der Edelfrau dafür, dass sie die Küche vergrößern lasse, fügte auch hinzu: »Viel reiche Leute haben vor Euch in diesem Schloss gewohnt, doch keiner hat so weit gedacht; dafür sollt ihr auch einen Schatz bekommen, der unaussprechlich groß ist.«
Die Edelfrau entsetzte sich darüber und sprach: »Behaltet Euren Schatz für Euch. Ich trage kein Begehren zu demselben.«
Da kniff die Nonne sie bunt und blau, dass sie den Schatz nehme, ging ihr vier ganze Wochen lang nach, fuhr mit ihr in die Kirche und Weiterlesen
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