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Sieben leere Häuser

Samanta Schweblin
Sieben leere Häuser
Originaltitel: Siete casas vacías

Erzählungen, gebundene Ausgabe, Suhrkamp Verlag, Berlin, Februar 2018, aus dem Spanischen von Marianne Gareis, 150 Seiten, 20,00 Euro, ISBN: 9783518428047

In Nichts von all dem, der ersten der 7 Erzählungen dieses Buches, sind Mutter und Tochter gemeinsam im Auto unterwegs und »sehen sich Häuser an«. So nennen zumindest die beiden Frauen ihr Tun, dringen sie doch in fremde Häuser ein, entwenden Gegenstände oder dekorieren die Einrichtung um. Wieder zu Hause, vergräbt die Mutter ihre Beutestücke im Garten.

Eine recht inhaltsleere Geschichte, die dem Buchtitel widerspricht; ist das Haus, welches hier heimgesucht wird, doch bewohnt. Die Personen und der Ort bleiben namenlos. Sowohl das Sujet als auch die transportierte Atmosphäre erinnern an den niederländischen Film Borgman.

Der Titel Meine Eltern und meine Kinder ist Programm für die folgende kurze Geschichte. Marga, ihr Mann Javier und die Kinder Lina und Simón machen gemeinsam mit Javiers Eltern Urlaub in einem Ferienhaus. Plötzlich sind Kinder und Großeltern aus dem Sichtfeld von Marga verschwunden, worauf diese absolut hysterisch reagiert. Charly, Margas neuer Freund, komplettiert die absurde Szenerie. Am Schluss sind die vier Vermissten wieder im Haus und alle sind nackt.

Eine Geschichte, in die man ein Plädoyer für mehr Toleranz und gegen Vorurteile hineininterpretieren kann. Die Frage, die sich dabei stellt, ist allerdings, ob man damit dieser kurzen Szene nicht zu viel Gewicht beimisst.

Sowohl die Anrede »Señora« als auch der Name Javier lassen den Schluss zu, dass diese Geschichte vermutlich im Geburtsland der Autorin, Argentinien, zu verorten ist.

In Es passiert immer wieder in diesem Haus kann sich Herr Weimer nicht von den Kleidungsstücken seines verstorbenen Sohnes trennen und bekommt deshalb regelmäßig Ärger mit seiner Ehefrau. Verständnis sucht er bei seiner Nachbarin.

Das Thema bzw. die Verhaltensweise des Mannes sind durchaus nachvollziehbar, die Umsetzung hingegen ist unbefriedigend.

Die Höhlenatmung ist mit 66 Seiten die längste Erzählung dieser Sammlung.

Die demente Lola will sterben. Seit 57 Jahren lebt sie mit demselben Mann zusammen, von dem sie nur in der 3. Person spricht und dessen Namen sie nie nennt. Die beiden leben schweigend nebeneinander her und führen ein tristes, streng reglementiertes Dasein. Lola hat eine Liste erstellt mit Dingen, die sie bis zu ihrem Tod erledigt haben will und die für sie einen Anker in ihrer schwindenden Erinnerung darstellt. Dann widerfährt dem Mann das, was sich Lola sehnlichst wünscht.

Der Autorin gelingt mit Die Höhlenatmung Tristesse in Worte zu fassen und Langeweile eine Form zu geben. Die Erzählung ergeht sich in Wiederholungen des Alltäglichen, um mit diesem Stilmittel die fortschreitende Demenz zu versinnbildlichen. Ein wiederkehrendes Motiv in der vorliegenden Geschichtensammlung ist dabei das des toten Kindes. Am Ende mag man über die Identität des Mannes spekulieren.

Der längsten folgt mit Vierzig Quadratzentimeter die kürzeste Erzählung.

Hier wiederholen sich die Themen von Demenz und der Verwahrung des Lebens in Kisten. Handlungsort ist hier definitiv Spanien. 

Ein Mann ohne Glück taucht ein in die Gedankenwelt eines Kindes, genauer gesagt in die eines kleinen Mädchens. Es geht wie in Meine Eltern und meine Kinder um Vertrauen und Vorurteile. Ein offenkundiges Stilmittel der Autorin ist, bis auf wenige Ausnahmen, die Namenlosigkeit der Handlungsträger.

Den Abschluss dieser Sammlung bildet Weggehen. Den Titel darf man getrost wörtlich nehmen. Nach dem Duschen geht eine junge Frau im Bademantel aus dem Haus. Es ist Nacht, sie knüpft oberflächliche Kontakte, macht eine Spazierfahrt und nach kurzer Zeit kehrt sie zu ihrem wartenden Mann zurück, wortlos.

Mit der Avenida Corrientes befinden wir uns als Leser auf einer der Hauptdurchgangsstraßen Buenos Aires` und gehen Richtung Chacarita, einem der Stadtteile der argentinischen Hauptstadt.

»Samanta Schweblin wurde 1978 in Buenos Aires geboren, hat Filmwissenschaft studiert und lebt und arbeitet inzwischen in Berlin.« Mehr erfährt man im Umschlagtext über die Autorin dieses schmalen Bandes mit Erzählungen nicht.

Das Internet offenbart, dass die Schriftstellerin mehrfach ausgezeichnet wurde und internationale Preise für ihre Werke gewonnen hat.

Umso erstaunlicher die Belanglosigkeit der vorliegenden Kurzgeschichten und die Langeweile, die diese erzeugen.

Sieben leere Häuser, Schweblins dritter Band mit Erzählungen, ist für mich ein uninspiriertes Büchlein, durch dessen kurze Texte man sich quält und das sowohl auf intellektueller als auch auf sprachlicher Ebene nichts zu bieten hat.

Der rückseitige Klappentext versucht eine Klärung des Buchtitels herbeizuführen, der eher auf eine metaphorische Bedeutungsebene abzielt.

Möchte man etwas Gutes zu diesem Elaborat sagen, wäre dieses sicherlich, dass der magere Inhalt der Geschichten und die reduzierte Sprache Spielraum für Interpretationen bieten und der Leser die Lücken mit seiner eigenen Vorstellungskraft füllen kann. Aber will der Leser das, hält er solange durch? Denn leicht macht es die Autorin dem geneigten Rezipienten nicht. Ist es schlicht Unvermögen, einen Text auf schriftstellerischer Ebene interessant zu gestalten oder ist es tatsächlich Absicht?

Das abschließende Urteil mag jeder für sich selbst fällen.

(sb)