Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Liebesgrüße aus Arkham

Tobias Bachmann
Edition CL 5, Hrsg. Eric Hantsch
Liebesgrüße aus Arkham
Horror, Kurzgeschichten, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, Edition CL, April 2016, Neustadt i. Sa., ohne ISBN, 284 Seiten, 25,00 Euro, Umschlagmotiv und Innenillustrationen: Thomas Hofmann, limitiert auf 100 Exemplare, nummeriert und signiert von Autor und Illustrator
www.tobias-bachmann.de

[…] Ich sende dir diese hübsche Karte, da mir das Motiv so sehr gefallen hat. Hier in Arkham ist es recht beschaulich. Tagsüber gibt es einiges zu entdecken, nur nachts streunen mir zu viele Katzen durch die Straßen, weswegen ich lieber auf dem Zimmer bliebe. Du weißt ja, meine Katzenhaarallergie. – Gerade sitze ich in einem Restaurant namens Carter’s Inn und werde gleich eine mir empfohlene Fischsuppe zu mir nehmen. Als Hauptgericht habe ich eine würzige Pilzpfanne namens Yuggoth gewählt und zum Dessert Pudding a la Ward. – Frisch gestärkt geht es danach zur Bibliothek. Auf dem Weg dorthin schicke ich die Karte ab. Bis bald. […]

Aus: Liebesgrüße aus Arkham

Liebesgrüße aus Arkham

Eine ganze Reihe von Personen haben einen erhalten. Einen Liebesgruß aus Arkham. Per Postkarte. Verschwommen von der allumfassenden Feuchtigkeit des Küstenortes und unterzeichnet von einem gewissen HPL. Doch scheint die Empfänger mit den Postsendungen noch etwas anderes, etwas Unsichtbares erreicht zu haben. Schon einige der Karten wurden dem Erzähler zur Analyse übergeben, und im Folgenden hören wir die damit verbundenen Geschichten.

Das Auge des Cthuga

2004: Ein Fischer beobachtet ein gleißend leuchtendes, rundes Objekt, das aus dem Meer aufsteigt und davonfliegt. Im nahen Dorf Canneto do Caronia häufen sich in der Folge unerklärliche Ereignisse. Scheinbar grundlos brechen Brände aus, Elektrogeräte spielen verrückt, Fahrzeuge explodieren.

1874: Der Archäologe Stefano Bardolino bittet einen Studienfreund, umgehend in das kleine Dorf Canneto do Caronia zu kommen. Eine seltsame Postsendung, ein rundes Objekt, das sich scheinbar von allein bewegt, gibt ihm Rätsel auf, die er mithilfe seines Kommilitonen zu lösen hofft. Doch bis dieser eintrifft, ist Bardolino nahezu dem Wahnsinn verfallen und nur der Absender des verhängnisvollen Paketes kann jetzt noch helfen.

Der Handleser

Als der englische Geschäftsmann Clooney nach einem Jahr beruflicher Abwesenheit in seine Wahlheimat Singapur zurückkehrt, erwartet ihn dort eine leere Wohnung. Seine Ehefrau Jung Chang sei zwei Monate zuvor gestorben, doch einen Leichnam oder ein Grab könne man ihm nicht zeigen. In seiner Verzweiflung sucht Clooney den Handleser auf, der ihm einst prophezeit hat, er würde eines Tages das womöglich Wichtigste auf der Welt verlieren.

Der Sack

In einem schlichten Plastiksack haust der Wahnsinn. Die ersten Opfer sind eine Gruppe Kinder, die den Sack auf der Straße finden und sich gegenseitig erschlagen. Als dann die Polizisten, die den Sack als Beweisstück der unerklärlichen Tat sicherstellen, Amok laufen, wird ein Priester auf die Ereignisse aufmerksam. Und auch dieser wird den Blick in den Sack nicht überleben.

Gegenwind

Wieder einmal hat Achim verschlafen. Nur 30 Minuten bleiben ihm noch, um sich fertig zu machen und mit dem Rad zur Schule zu kommen. Ausgerechnet heute schlägt ihm ein heftiger Wind ins Gesicht, der immer stärker zu werden scheint, bis Achim um sich herum nichts mehr wahrnimmt. Ein panischer Blick auf die Uhr zeigt ihm, dass es doch noch nicht so spät ist, wie er befürchtet hat. Denn plötzlich bewegen sich die Zeiger seiner Uhr rückwärts.

Der Merphatoris-Zyklus

1) Das Geheimnis des Globus

Eine antike Weltkarte an der Wand des irischen Pubs namens The Globe weckt die Neugier eines Gastes, der sich bereit erklärt, die gealterte Karte gegen freie Kost und Logis zu restaurieren. Hinter der sichtbaren Oberfläche findet der Restaurator eine zweite Weltkarte, die offenbar eine Welt unter der Erdoberfläche zeigt, durchzogen von Tunneln und mit unbekannten Orten, bewohnt von seltsamen Kreaturen. Ein weiterer Gast des Pubs klärt ihn über diese verborgene Welt und deren okkulte Bedeutung auf. Die Neugier treibt den Restaurator schließlich selbst in die unterirdischen Gänge.

2) Die Dunkelheit des Edgar R. Baker

Im Jahr 1875, nachdem er auf offener Straße einen Mann erschlagen hat, kommt Edgar R. Baker in eine psychiatrische Anstalt, bis er eines Tages auf wundersame Weise entkommt und sich im Jahr 2016 wiederfindet. Ein Gericht klärt ihn auf, dass in dem Institut Experimente zur Unsterblichkeit an ihm vorgenommen wurden.

3) Der Apostel des Bösen

Stefan, Stefan und Tobias werden auf ihrer Backpacker-Reise durch England von einem Starkregen überrascht, der sie zwingt, in einer Kirche Schutz zu suchen. Der Geistliche des Ortes bietet den Jungen ein Nachtlager im Pfarrhaus an. Dort hören die drei in der Nacht merkwürdige Gesänge, denen sie in eine unterirdische Krypta folgen, wo ein unheiliges Ritual zelebriert wird.

4) Die Reinkarnation der Zeitenschwere

Die unzähligen Zeremonien, die in Merphatoris abgehalten werden, zeigen Wirkung. Die Zeit, das ganze Dasein in unendlichen Dimensionen fällt zusammen und stirbt, um gleich darauf in einem infernalischen Urknall, mit Merphatoris als Zentrum, wiedergeboren zu werden.

Eine Handschrift aus dem Mikrokosmos

Auf einer Dermatologentagung trifft der Erzähler einen ehemaligen Kommilitonen wieder, der ihn nach einigen Gläschen eine unglaubliche Geschichte erzählt. Auf einer mikroskopisch kleinen Hautschuppe will er deinen handgeschriebenen Brief gefunden haben.

De Profundis

Ein lang erwartetes Treffen mit dem Autor Albert Douglas führt Christoph Biederstadt nach Sagunth. Da alle anderen Hotels in der Stadt ausgebucht sind, muss der Journalist mit dem etwas heruntergekommenen Hotel De Profundis Vorlieb nehmen. Ein Treffen kommt jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht zustande, sodass Biederstadt sich gezwungen sieht, mehr oder weniger ziellos den Ort zu erkunden. Auf seinen Streifzügen erfährt er Beunruhigendes über die Stadt und über die Träume, die ihn seit seiner Ankunft heimsuchen. Doch es ist längst zu spät, sich zu wehren. Immer tiefer wird er in die Eingeweide von Sagunth hinuntergezogen.

Die Widmung des Teufels

Auf dem Heimweg von einer Party wird die leichtlebige Svnenja Knowledge beinahe vergewaltigt und im letzten Moment von dem zufällig des Weges kommenden Harry Teufel gerettet. Als dieser ihr anbietet, die Nacht im Schutz seiner Wohnung zu verbringen und sich als Gentleman erweist, verspricht sie ihm in einem Anflug von Liebe, alles für ihn zu tun. Sein Wunsch ist es, dass sie ihn tötet; für ihr ungestraftes Entkommen ist alles vorbereitet. Ein halbes Jahr später erhält Svenja einen Liebesgruß aus Arkham … von Harry Teufel.

[…] Zurück zur Karte selbst. Das Motiv ist klar. Darauf müssen wir nicht näher eingehen. Sie sehen es, groß reproduziert auf dem Buchumschlag. Aber drehen wir die Karte um.

Was uns zuerst auffällt, ist die Krakenschrift … Pardon, ich meinte natürlich krakelige Schrift. Sie zeugt von einem ungestümen Charakter. Es muss jemand sein, der viel schreibt. Sehr viel Text sogar, denn die Schrift spiegelt Sorgfalt und Hast zugleich. […] Unterschrieben wurde sie mit – aufgrund der Feuchtigkeit – unlesbaren Initialen. Es könnte ich um ein H, ein P und ein L handeln, doch benötigt diese Interpretation viel Phantasie seitens des Empfängers. […]

Aus: Liebesgrüße aus Arkham

Mit Liebesgrüße aus Arkham liegt bereits der fünfte Band aus Eric Hantschs wunderbarer Edition CL (Cthulhu Libria) vor, die von Liebe zum Detail und einer handwerklich hochwertigen Herstellung geprägt ist. Der Autor Tobias Bachmann gilt als einer der beliebtesten innerhalb der deutschen Phantastikszene und kann bereits auf einige Veröffentlichungen in mittelgroßen Verlagen blicken. Da spricht es wohl für sich, dass der Autor bei diesem reinen Privatdruckprojekt mitmacht, das keinerlei Gewinn abwirft, aber dafür ein absolutes Schmuck- und Sammlerstück in der eigenen Bibliographie garantiert.

Editionsherausgeber Eric Hantsch hat sich in den letzten Jahren nicht nur als hingebungsvoller Fan deutscher Phantastik erwiesen, sondern vor allem als beharrlicher Perfektionist, der auch bei der Qualität seiner Bücher keine Kompromisse eingeht. Auf bescheidene Art versteht er es, fähige Mitstreiter für seine Projekte an Land zu ziehen, wie zum Beispiel auch die Auswahl der grafischen Künstler für die Edition CL beweist. Wie die anderen Bände der Edition CL ist auch Liebesgrüße aus Arkham als in schwarzes Leinen gebundenes Buch mit Goldprägung und Lesebändchen erschienen. Das Papier ist hochwertig, sodass der Band sehr edel wirkt und beachtlich gewichtig in der Hand liegt. Der Schutzumschlag wurde absolut großartig von Thomas Hofmann (zum ersten Mal in Farbe) verziert und zeigt eine der Postkarten aus Arkham, die im Buch eine maßgebliche Rolle spielen. Von ihm stammen auch die zahlreichen Innenillustrationen (Bleistiftzeichnungen) sowie die Miniaturen der Kopf- und Fußzeilen, die sich auf jeder Textseite finden und die Illustration der Signaturvignette. Der Band ist auf 100 Verkaufsexemplare limitiert und jeweils von Autor und Illustrator signiert.

Das Ganze kann man eine Konzeptanthologie nennen, bei der die titelgebenden Postkartengrüße jeweils der Auslöser der Handlung sind, mal mehr, mal weniger direkt. Jedem der ahnungslosen Empfänger geschieht nach dem Erhalt etwas schier Unglaubliches. Dabei bleibt Bachmann den Motiven treu, die man aus seinen anderen Geschichtensammlungen (Kaleidoskop der Seele, Novalis‘ Traum, Das Arkham-Sanatorium (mit Markus K. Korb), alle Atlantis Verlag) kennt. Das wären lovecraftscher, kosmischer Horror (Das Auge des Cthuga), Weird-Fiction (Eine Handchrift aus dem Mikrokosmios) und auch abstrakte Konstrukte mit einem Sog ins Surreale, in denen der Schrecken gesichtslos bleibt (Der Sack, Gegenwind). Der Band bietet außerdem einen Ausflug in die Stadt Sagunth, das Tobias Bachmanns eigenes Arkham oder Castle Rock ist. Vielleicht gibt es ja, analog Jörg Kleudgens Die Chroniken von Kull, eines Tages einen Die Chroniken von Sagunth-Band in der Edition CL.

Glaubt man den persönlichen Anekdoten von Autor und Herausgeber, ist der Band sehr kurzfristig entstanden, was dem Endprodukt in keiner Weise anzumerken ist. Laut dem umfangreichen Vorwort entstanden die Geschichten aus der Erinnerung einer studentischen Ferienreise nach England heraus, die Tobias Bachmann mit zwei Freunden – genau, Stefan und Stefan (siehe Der Apostel des Bösen) – in seinen Jugendjahren unternahm. Das Nachwort verfasste Bachmanns Freund und Autorenkollege Markus K. Korb.

Fazit:
Eine großartige (augenzwinkernde) Konzeptanthologie mit lovecraftschem Einschlag und gleichzeitig ein schmuckes Sammlerstück mit viel Liebe zum Detail geplant und angefertigt.

(eh)