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Das Geheimnis von Barton Hall

L.C. Frey
Das Geheimnis von Barton Hall

Mystery, Taschenbuch, Ideekaree Medien, Leipzig, August 2014, 212 Seiten, 9,99 Euro, ISBN: 9781500726003, Covermotiv und -gestaltung: Ideekaree Medien, Leipzig
lcfrey.com/
www.ideekarree.de

Wie ihnen sicherlich noch gegenwärtig ist, fanden Bedienstete die beiden Körper jeweils in einem seltsamen Gefäß aus Glas in einem Zimmer im Erdgeschoss von Barton Hall vor, nachdem das Ehepaar von einer vorgeblichen einmonatigen Reise nach Europa nicht zurückgekehrt war. Jene länglichen Glastuben waren es auch, welche die unglaublichsten Spekulationen um die Todesursache des jungen Paares befeuerten.

Widerwillig kehrt Robert Barton in das Familienanwesen Barton Hall in Port, New Hampshire zurück – ein Wunsch seines Vaters John, der sein Ende kommen sieht. Als Robert eintrifft, hat sein Vater bereits das Zeitliche gesegnet. Sein Buchhalter Periwinkle weiß jedoch von einem geheimnisvollen, gasgefüllten Glastubus zu berichten, in dem Sir John seine letzten Tage verbracht haben soll. Außerdem soll ein ganzes Heer von Orientalen während dieser Zeit nicht von der Seite des Hausherrn gewichen sein. Trotz der Abscheu gegen seinen Erzeuger macht sich Robert an die Aufgabe, einen Sinn in den verwirrenden Tagebuchaufzeichnungen seines Vaters zu entdecken, indem er dessen Studien nachvollzieht und fortführt.

Vielleicht war es der furchtbare Traum, in jedem Fall aber die Flucht vor der winterlichen Melancholie, die mich wieder und wieder in den Raum mit dem Tubus führte, wo ich oft stundenlang stand und diese seltsame Konstruktion bestaunte. Mit jedem Blick erschien sie mir fantastischer und absonderlicher; die Glasbehälter und Röhren schienen nach ganz eigenen Prinzipien mit dem Gerät verwoben, welche nicht mit den mir bekannten der Physik zu korrelieren schienen.

Zwei Briefe, die eine ganze Wagenladung an Personen im Gepäck haben und die Übersichtlichkeit auf den ersten Seiten leicht strapazieren, eröffnen diese Schauernovelle, die durch den Handlungsort vage mit L. C. Freys Jack Sloburn-Universum verbunden ist. Die Aufzeichnungen Robert Bartons schließlich, die man hier in der Hauptsache vor sich hat, relativieren diesen ersten Eindruck recht bald und gestalten sich als angenehm geradlinig. Durch den Inhalt der einleitenden Korrespondenz ist jedoch bereits zu Beginn klar, dass die Hauptperson Robert Barton tot ist und sowohl seine, wie auch die Leiche seiner Ehefrau in seltsam geformten Glasbehältern aufgefunden wurden.

Durch diesen geschickten Appetizer hat Hr. Frey bereits alle Leser, die ein originelles Mysterium zu goutieren wissen, auf seiner Seite. Doch wird durch diese Vorwegnahme auch ein Großteil der möglichen Spannungserzeugung unterlaufen, und es bleibt bei der Frage nach dem Sinn und Zweck der seltsamen Glasbehälter, die zum Handlungstreiber der Geschichte wird. Die Idee zu diesen rätselhaften Glassärgen könnte in der Tat aus einer klassischen Schauergeschichte stammen. Auch der nostalgische Stil, dessen sich L. C. Frey hier bedient, lässt wohltemperierte Schauerstimmung aufkommen. Dazu gesellen sich noch einige Standards der Gothic-Literature, wie verschwundene Bücher, versteckte Aufzeichnungen, eilig verfasste Notizen und halbprophetische Träume. Einen »Gastauftritt« hat außerdem Gustav Meyrink als Gelehrter und Planer der mysteriösen Glastuben. Im positiven Sinn altertümlich ist auch das bedächtige Tempo, das der Autor hier vorlegt. Die Erzählung lebt in erster Linie von der schrittweisen Aufdeckung des Geheimnisses um John Bartons Forschungen. Eine Gefahr für Leib und Leben Robert Bartons ist höchstens er selbst in seiner Wissbegier, was eine nur gering ausgeprägte Spannungskurve mit sich bringt.

Zwar gelingt es nie ganz die psychologischen Abgründe eines Edgar Allan Poe oder die bedrohliche Verdichtung eines H.P. Lovecraft zu erreichen, doch stellt Das Geheimnis von Barton Hall eine wohltuende Abwechslung in der derzeitig noch immer grassierenden Zombie- und Endzeitschwemme dar.

Covermotiv und -gestaltung von Ideekaree, Leipzig sind wieder erste Sahne, auch wenn man – von dem Motiv ausgehend – eine Haunted House-Geschichte erwarten würde. Auffällig bei den Büchern aus dem Hause Ideekaree ist außerdem die Qualität, die – obwohl über den Amazon-SelfpublisherDienst CreateSpace Independent Publishing Plattform produziert – einer Verlagsveröffentlichung in nichts nachsteht. Es lohnt sich also sichtbar, etwas Arbeit und Geld in die Covergestaltung, Lektorat und einen vernünftigen Schriftsatz zu stecken.

Abgerundet wird die Veröffentlichung von einem sehr sympathischen Nachwort, aus dem hervorgeht, dass die Inspiration für Das Geheimnis von Barton Hall in einem Bild des Künstlers Alan Marshall Clark (im deutschsprachigen Raum u.a. Cover für Kealan Patrick Burkes Herr der Moore bei Voodoo Press) zu finden ist. Aus der angefragten Kurzgeschichte entwickelte sich  schließlich diese Novelle.

Als Werbeblock in eigener Sache ist Das Geheimnis von Barton Hall ergänzt mit Leseproben aus L. C. Freys Nest, Blue/Der Pakt und Draak.

Fazit:
Entspannt-mysteriöser Gothic-Grusler, der gekonnt das klassische Flair seiner erklärten Vorbilder E. A. Poe und H. P. Lovecraft atmet, ohne offensichtlich dort abzuschreiben.

(eh)