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Kirihito 1

Osamo Tezuka
Kirihito 1
Originaltitel: Kirihito Sanka, Japan, 1970/1971

Thriller, Taschenbuch mit Klappenbroschur, Carlsen, Hamburg, November 2009, 288 Seiten, 16, 90 €, ISBN: 9783551791801, ab 14 Jahren, Covermotiv: Osamo Tezuka
www.carlsen.de

Die Belegschaft des Universitätsklinikum Tokio sieht sich mit einem außergewöhnlichen Patienten konfrontiert. Der Mann aus dem nahezu unzugänglichen Dorf Inugamisawa entwickelt einen Appetit auf rohes Fleisch, sein Knochenbau verändert sich rapide und er nimmt nach und nach die Physiognomie eines Hundes an. Die Ärzte nennen es die »Monmo Krankheit«. Während der Chefarzt Prof. Tatsugaura von einer ansteckenden Viruserkrankung überzeugt ist, vermutet der junge idealistische Kirihito Osanai eine durch Umwelteinflüsse verursachte endemische1 Ursache. Um weiteres Material zu sammeln, soll sich Kirihito für einen Monat nach Inugamisawa begeben. Das bedeutet, dass er seine Verlobte, die sich eine Hochzeit wünscht, solange allein in Tokio zurücklassen muss.

Obwohl die Dorfbewohner, die keine Fremden gewohnt sind, Kirihito zunächst reserviert entgegenstehen, schicken sie die junge und schöne Tazu in seine Hütte, um mit ihm zu schlafen. Mit dieser Vereinigung des Blutes erlangt er das Recht, im Dorf zu bleiben. Auch Tazus Vater leidet an der Monmo-Krankheit und sie bittet Kirihito, ihm zu helfen. Dieser sieht zunächst nur das willkommene Studienobjekt, entwickelt jedoch mehr und mehr Gefühle für Tazu, die ihm bei seinen Studien behilflich ist. Schließlich zeigen sich auch bei Kirihito erste körperliche Anzeichen der Krankheit. Auf seinem Weg zurück in die Zivilisation wird Kirihito entführt und zum gedemütigten Schauobjekt eines reichen Geschäftsmanns, der sein Vergnügen aus den perversen Attraktionen zieht, die er mit seinem Geld kaufen kann. Gemeinsam mit einer Tänzerin gelingt Kirihito die Flucht.

In Tokio wurde Kirihito aufgrund seiner langen Abwesenheit inzwischen als verschollen erklärt und von der Ärzteliste des Universitätsklinikums gestrichen. Niemand ist dort mehr an seiner Rückkehr interessiert, insbesondere weil Prof. Tatsugaura seine Theorie der Viruserkrankung vorstellen und damit zum Präsidenten der Ärztevereinigung werden will.

Unterdessen erfährt Kirihitos Tokioter Kollege und Freund Urabe, dass die Monmo-Krankheit auch in Rhodesien, und dort nicht nur an Einheimischen, sondern auch an einer weißen Missionarin, aufgetreten ist. Urabe untersucht die Fälle dort und gerät damit in Lebensgefahr.

Was wie ein »normaler« Medizinthriller beginnt, entwickelt sich für Titelheld Kirihito schon bald zu einer schonungslosen Tour de Force, gepaart mit der Ungewissheit, wo sein Weg überhaupt hinführt. Dabei vermengt Autor und Zeichner Osamo Tezuka die Thrillerelemente seiner Geschichte mehr und mehr mit Fragen der Ethik, der Philosophie und sogar der Religion. In der Charakterisierung seiner Figuren verzichtet Tezuka auf simple Schwarz-Weiß-Zeichnung, was der Geschichte eine angenehme Tiefe verleiht, ohne den Hauptplot zu ersticken. Nahezu jede Person in Kirihito wird von inneren Dämonen – Neid, Gier und Hass – getrieben, die sie mehr oder weniger gut im Griff haben. Beispielsweise ist Kirihitos Freund Urabe seinerseits an dessen Verlobter interessiert und er nutzt die Gunst von Kirihitos Abwesenheit, sich ihr gegen ihren Willen zu nähern. Hier agiert Urabe also moralisch verwerflich, wenngleich er an anderer Stelle voller Überzeugung (und auch aus Loyalität) die Theorie seines Freundes zu beweisen sucht.

So wird Kirihitos Reise ins Ungewisse durch immer neu aufkeimende und oft unvorhersehbare Erzählstränge und Parallelhandlungen ergänzt, die insgesamt so brillant miteinander verwoben sind, dass Kirihito sich schnell zu einem absoluten Pageturner entwickelt, der unaufhaltsam immer tiefer in ungeahnte Abgründe führt. Erzählerische Parallelen zu den Psychothrillern von Jean Christophe-Grangé sind hier nicht von der Hand zu weisen.

Die Zeichnungen von Osamo Tezuka, den viele als »Gott des Manga« verehren, wirken zu Anfang humoristisch und teilweise sogar slapstickhaft übertrieben, entwickeln im weiteren Handlungsverlauf aber eine fesselnde und bisweilen symbolträchtige Düsternis.

Carlsen Manga veröffentlicht Kirihito sehr schön gestaltet als schicke Klappenbroschur unter dem Label »Graphic Novel« in drei Bänden mit je rund 280 Seiten. Im Gegensatz zu den »üblichen« Mangaveröffentlichungen wurde das Buch der westlichen Leserichtung angepasst, indem die Seiten gespiegelt wurden.

Fazit:
Brillant konstruierter düsterer Thrillerauftakt, der auch knapp 45 Jahre nach seiner Entstehung nichts von seiner Wirkung verloren hat.

(eh)

Show 1 footnote

  1. andauernd gehäuftes Auftreten einer Krankheit in einer begrenzten Region oder Population