Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Westernkurier 12/2014

Auf ein Wort Stranger, der Tod wartet in den Bergen

Im April 1846 verließ ein Auswanderertreck Springfield, Illinois, in Richtung Kalifornien. Dort sollte es fruchtbare Täler geben, in denen mehrere Ernten im Jahr möglich waren und die Sonne das ganze Jahr schien. So warben Reiseführer und Zeitungsartikel, um Auswanderer aus dem Osten in den Westen zu locken.

Zu dieser Zeit gehörten Oregon und Kalifornien noch nicht einmal zu den USA. Oregon wurde von den Briten verwaltet, Kalifornien gehörte zu Mexiko. Einige wenige Pioniere, die sich bereits in Kalifornien niedergelassen hatten, schrieben enthusiastisch nach Hause und schilderten ihr herrliches Leben im Westen. Aus Eigennutz. Je mehr Menschen sich niederließen, desto schneller stieg der Wert ihres Besitzes und desto größer war die Chance, das Land für die USA zu erwerben. Präsident Polk arbeitete bereits Pläne dafür aus.

Der über 60 Jahre alte Georg Donner lebte in Springfield in Wohlstand, doch die Aussicht auf den goldenen Westen ließ ihn das Abenteuer wagen. Mit seiner 17 Jahre jüngeren Frau, den drei gemeinsamen Töchtern, seinen zwei Kindern aus einer früheren Ehe und drei Planwagen machte er sich auf die lange, beschwerliche Reise. Für die Arbeit als Treiber stellte Donner einige junge Männer ein, die gegen Verpflegung mitreisen durften. Eine der wenigen Möglichkeiten ohne Geld ins ferne Kalifornien zu gelangen. Die Treiber liefen neben den Ochsengespannen her und lenkten die Tiere durch Rufe und Hiebe mit Stöcken und Peitschen. In den Wagen war alles verstaut, das für die fünf Monate dauernde Reise benötigt wurde. Werkzeuge, Gewehre, Mehl, Trockenfleisch, Reis, Bohnen, Kaffee, Tee, Zucker und Haushaltsgeräte für das neue Heim. Bargeld nähten die Frauen in Kleider und Decken ein. Außerdem nahm Donner Tauschwaren wie Stoffe und Schuhe mit.

Andere Auswanderer schlossen sich ihm an. Unter anderem der Geschäftsmann James Reed, ein herrischer Mann, der gerne mit seinem Reichtum prahlte. Für die Reise ließ er einen luxuriösen Planwagen bauen, mit einem Einstieg an der Längsseite, einem Ofen und zwei abgetrennten Schlafkammern im Inneren.

Am 14. April 1846 verabschiedeten sich die Menschen von ihren Verwandten und Freunden und begaben sich auf die Reise in eine ungewisse Zukunft. Mit Zugochsen, Masttieren, Milchkühen, Reitpferden und Hunden machten sie sich auf den Weg. In einer Stunde schafften die Ochsen an die 3 Kilometer. Pferde wären schneller gewesen, aber Ochsen waren für solch eine weite Reise ausdauernder. Die Siedler liefen die meiste Strecke zu Fuß, da es im Inneren der ungefederten Gefährte zu unbequem war. Entgegen den Wagen in Filmen besaßen diese Planwagen keinen Kutschbock. Nur Männer, die Reitpferde besaßen, ritten einen Teil des Weges.

Nach knapp einem Monat erreichten sie Independence, eine Kleinstadt in Missouri. Hier begann der Oregon-Trail, die Hauptroute nach Kalifornien. Später auch »der längste Friedhof der Welt« genannt.

Vor ihnen lagen noch mehr als 35 000 Kilometer Prärie. Nach einer Woche schlossen sie sich einem Treck mit 150 Siedlern an. Nach einer weiteren Woche erreichten sie dem Platte River, dem sie 1000 Kilometer stromaufwärts folgten.

Die Tage der Pioniere begannen früh und endeten spät. Bereits in der Morgendämmerung entzündeten die Frauen kleine Feuer, kochten Kaffee und brieten Speck. Die Männer schirrten die Ochsen ein. Nach einem schnellen Frühstück ging es weiter. Um in unbewaldeten Gebieten Brennmaterial zu beschaffen, sammelten Frauen und Kinder getrockneten Büffelmist. Während der ärgsten Mittagshitze rastete der Treck für kurze Zeit. An manchen Abenden wurde ein wenig aufgespielt und gesungen, bevor die Menschen sich müde zur Ruhe begaben. Die meisten schliefen unter den Wagen, nur wenige fanden im Inneren Platz, einige schlugen Zelte auf. War es anfangs noch abenteuerlich gewesen sein, wurde die Reise monoton und beschwerlich.

Sie hatten noch nicht die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als ein Bote in ihrem Lager erschien. Ein junger Anwalt namens Lansford Hastings, der im Jahr zuvor einen Reiseführer veröffentlichte, hatte ihn geschickt. In einem Brief bot er den Pionieren an, sie über eine Abkürzung zu führen. Die Aussicht, ans Ziel zu gelangen war verlockend für James Reed. Bedenken der anderen zerstreute er geschickt und überredete einige, sich vom großen Treck zu trennen und der Abkürzung zu folgen.

Am 20. Juli trennten sich einige Auswanderer vom großen Treck und zogen Richtung Südwesten. Georg Donner war der neue Treckführer. In Fort Bridger wartete Hastings nicht wie versprochen. Er war bereits mit einer anderen Gruppe aufgebrochen. Viel später sollte sich herausstellen, dass ein Journalist, der eine kurze Zeit den Treck begleitet hatte und vorausgeritten war, in einem Brief an Reed schrieb, dass die Abkürzung nicht für Planwagen geschaffen sei, nur für Reiter. Den Brief sollten die Angestellten des Handelspostens an die Pioniere aushändigen. Da sie auf weitere Reisende auf diesem Weg hofften, unterschlugen sie den Brief und versicherten der Gruppe, die Route sei eine gute Strecke mit ausreichend Wasser.

Die Siedler machten sich ohne Führer auf den Weg. Nach einigen Tagen fanden sie eine Nachricht von Hastings. Sie sollten einen Boten zu ihm schicken und er würde dann kommen und sie über den Berg führen. Reed ritt los und traf sich mit Hastings, doch der erklärte, er müsse zu einer anderen Gruppe. Wage erklärte er den Weg über die Berge.

Um durch Dickicht und Unterholz vorwärtszukommen, schlugen sie Schneisen, füllten Mulden mit Ästen und Zweigen auf, um eine Fahrbahn für die Wagen anzulegen. So mancher mochte wohl spätestens zu diesem Zeitpunkt bereuen, den großen Treck verlassen zu haben. Doch es gab kein Zurück mehr. Um die Wagen den steilen Berg hinaufzuziehen, mussten sie mehr als 20 Ochsen an einen einzigen Wagen spannen. Vieles, das den Auswanderern bei der Abreise wichtig war, ließen sie zurück, um die Wagen zu erleichtern. Noch heute findet man Relikte aus diesen Tagen. Für knapp 60 Kilometer brauchten sie fast zwei Wochen. Der nächste Schreck wartete bald darauf, als sie unwirtliches Gebiet mit Sümpfen erreichten. Die Große Salzwüste, von der sie in Fort Bridger hörten. Tagelang kamen sie an keiner Wasserstelle vorbei. Die Ochsen waren bald so entkräftet, dass einige die Wagen ausspannten und zurückließen und nur die Tiere mitnahmen.

Am 26. September erreichten sie wieder die Hauptroute nach Kalifornien. Viel zu spät. Mehr als zwei Monate hatten sie für Hastings angebliche Abkürzung benötigt. Doppelt so lang, als wenn sie auf der ursprünglichen Route geblieben wären. Erschöpfte Tiere und ausgelaugte, zermürbte Menschen zogen am Humboldt River entlang in Richtung der Sierra Nevada. Reed geriet mit einem jungen Treiber in Streit und erstach ihn. In solchen Fällen war es üblich, eine Jury zu bestellen und Gericht zu halten. Die Mehrheit entschied milde. Statt ihn zu hängen, verbannten sie ihn aus der Gruppe. Reed verließ seine Familie und versprach, mit Vorräten aus Fort Sutter zurückzukehren. Mit einem seiner Treiber und einem Pferd, das sie abwechselnd ritten, zog Reed los.

Die anderen setzten ihre Reise fort. Bevor die Ersten den Truckee Lake erreichten, fiel Schnee in der Sierra Nevada. Die Pioniere versuchten im Schnee vorwärtszukommen, scheiterten jedoch und suchten sich einen geschützten Lagerplatz. Georg Donner, der mit seiner Familie wegen eines Achsbruches einige Meilen zurücklag, baute sein Zelt im Tal des Alder Creeks auf. Auch weitere Versuche, den Pass zu überqueren, scheiterten.

Am 16. Dezember machte sich eine Gruppe mit selbstgebauten Schneeschuhen auf den Weg um Hilfe zu holen. Knapp die Hälfte starb an Hunger und Erfrierungen, die anderen erreichten die Zivilisation.

Zwei Monate nach dem Aufbruch der Gruppe erreicht ein Hilfstrupp die erschöpften und verzweifelten Eingeschlossenen. Einige von ihnen waren inzwischen verstorben. Die Helfer konnten nur wenige Vorräte über die Berge transportieren und nur einige der Eingeschlossenen mitnehmen. Viele der ausgemergelten Siedler waren zu schwach, um den Weg über die Berge zu schaffen.

Am 1. März traf der zweite Rettungstrupp ein, angeführt von James Reed. Die Eingeschlossenen hatten sich inzwischen vom Fleisch ihrer verstorbenen Mitreisenden ernährt. Reed nahm ungefähr die Hälfte der Überlebenden mit.

Zehn Tage später traf der dritte Rettungstrupp ein. Georg Donner lag im Sterben. Aus Angst vor Schneestürmen wollten die Retter den Rückweg noch am selben Tag antreten. Tamzene Donner gab ihre Kinder in die Obhut der Helfer und entschied sich, bei ihrem Mann zu bleiben. Sie wusste, dass sie damit ihr Schicksal besiegelte, doch ihren Mann zurücklassen brachte sie nicht übers Herz.

Die angebliche Abkürzung von Lansford Hastings brachte fast 40 Menschen den Tod und machte 17 Kindern zu Waisen.

Für Reed, der an der Katastrophe nicht unbeteiligt war, erfüllte sich sein Traum von einem besseren Leben. Er fand Gold, legte es gewinnbringend an und wurde bald zu einem wohlhabenden, angesehenen Bürger.

1918 weihte ein Geschichtsverein kalifornischer Bürger ein Denkmal am Truckee Lake, den man in Lake Donner umtaufte. Das Denkmal zeigt eine Pionierfamilie in Bronze. Überlebende reisten zu den Feierlichkeiten an, darunter Eliza, eine von Georg Donners Töchtern.

Quellen:

 (montana)

2 Antworten auf Westernkurier 12/2014