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Das Fünfzig-Jahr-Schwert

Mark Z. Danielewski
Das Fünfzig-Jahr-Schwert
Originaltitel: The Fifty Year Sword

Mystery, Hardcover, gebunden mit Schutzumschlag, zehnfarbig, Fadenheftung, Klett-Cotta-Verlag/Tropen Verlag, Stuttgart, September 2013, 288 Seiten, 29,95 Euro,  ISBN: 9783608501261, aus dem Englischen von Christa Schuenke, Innenillustrationen/Nähmalereien: Atelier Z
markzdanielewski.com
klett-cotta.de

»Vielleicht weil, die Geschichte jeder Gespenstergeschichte selber eine Gespenstergeschichte ist, will sagen, eine vollkommen andere Geschichte, darf angenommen werden, das nun Folgende sei mit Fug und Recht ebenso als Gespenstergeschichte zu betrachten …«

Auf einer Halloweenparty in Texas trifft die Näherin Chintana auf Belinda, die Chintana den Mann ausgespannt hat. Außerdem tummeln sich auf der Party fünf Waisenkinder, deren Sozialbetreuerin inzwischen eingeschlafen ist und die sich voller Erwartung einem späten Gast zuwenden. Der Geschichtenerzähler, gekleidet ganz in schwarz, jagt den Kindern zunächst Angst ein, doch dann hängen sie an seinen Lippen und lauschen der Geschichte seiner abenteuerlichen Suche nach dem Fünfzig-Jahr-Schwert, bevor die Gesellschaft um Mitternacht mit einem fünfzigsten Geburtstag und einer Bluttat endet.

»Weil ihr noch jung seid, will ich erZählen von meiner Suche nach einer Waffe. Doch weil ihr eben noch jung seid, will ich euch nicht erZählen, warum ich auf die Suche mich gemacht hab nach gerade solcher Waffe; in Wahrheit freilich, könnte ich zwar spekulieren, kann mich jedoch nicht mehr an jede Einzelheit erinnern.«

Es ist schwer, hier objektiv zu bleiben, denn Mark Z. Danielewski wirft in Das Fünfzig-Jahr-Schwert so ziemlich alle Erzählkonventionen über Bord. Das kann auf verschiedene Leser ganz unterschiedliche Wirkungen haben. »Brillant« (wie Danielewskis Erstling Das HausHouse of Leaves) werden die einen sagen, während die anderen ratlos zurückbleiben und das Gefühl haben werden, mit der – zugegeben kurzen – Lektüre ihre Zeit vertan zu haben. Auch ich selbst habe mich irgendwie »abgehängt« gefühlt von diesem „literarischen Kunstwerk“ (Verlagswerbung), das ausschließlich über Dialoge erzählt wird. Stets schwankte ich zwischen den Gewissheiten »Da kommt noch etwas Essentielles« und – mit fortschreitender Seitenzahl – »ich habe etwas Wesentliches überlesen«.

Auch ist es ohne Konsultation des Klappentexts nahezu unmöglich, sich ein Bild der Situation und der handelnden Personen zu machen. Schon die Ausgangslage ist gelinde gesagt skurril: Auf einer Party treffen sich die Ex und die aktuelle Partnerin eines Typen, der in der Geschichte gar nicht dabei ist und über den man auch nichts weiter erfährt. Die Waisen, deren Vorgeschichte ebenfalls unbekannt bleibt, sind sich selbst überlassen, da ihre Betreuerin sich erdreistet, auf dem Fest ein Nickerchen zu halten, und der offenbar bedrohlich wirkende Geschichtenerzähler gibt den Kindern (und damit dem Leser) eine kryptische Geschichte zum Besten. Dabei versucht man unbewusst, stets Verbindungspunkte zwischen den einzelnen Elementen zu finden, überzeugt, irgendwo eine verborgene Bedeutung erkennen zu müssen. Einzelne Elemente weisen tatsächlich Gemeinsamkeiten auf (z.B. »Fünfzig-Jahr-Schwert«-»Fünfzigster Geburtstag«) und man vermutet Zusammenhänge die jedoch stets diffus bleiben.

Und als wäre die Geschichte nicht schon rätselhaft und unfassbar genug, verwendet Danielewski neben einem poetischen und verkünstelten Satzbau noch zahlreiche Wortneuschöpfungen. Man muss neidlos den Hut vor der Übersetzerin Christa Schuenke ziehen, die diese bisweilen verwirrenden Kunstworte kongenial ins Deutsche übertragen hat.

Obwohl sich die Lektüre als Geduldsprobe erweist, möchte man  das Buch schon wegen seiner wunderbar eleganten und originellen Erscheinung mögen. Nichts weniger als ein Kunstwerk ist Das Fünfzig-Jahr-Schwert geworden. Der Schutzumschlag (schlichtes Orange mit schwarzer Schrift) ist in einem unregelmäßigen Muster von Innen nach Außen durchstoßen (geprickelt). Papier und Verarbeitung (rote Fadenheftung) des Hardcovers ist von erstklassiger Qualität, was schon das Gewicht des Buchs verdeutlicht.

Das Schriftbild erinnert in seiner Großzügigkeit an ein überlanges Gedicht, wobei mit verschiedenfarbigen Anführungszeichen angezeigt wird, wer gerade spricht. Text steht grundsätzlich auf der linken Buchseite, die rechte ist meist den kunstvollen Nähmalereien (wohl weil die Hauptfigur eine Näherin ist) von Atelier Z (gegründet von Mr. Danielewski) vorbehalten oder einfach leer. Die Fadenbilder zeigen z.B. Schwerter, Schmetterlinge und Kerzen und haben den Stellenwert von Illustrationen, die jedoch nur teilweise einen Zusammenhang zum Text aufweisen. Auf einigen Textseiten, auf denen im Text auch das Schwert zum Einsatz kommt, sind die Wörter von den Nähten regelrecht »zerstückelt«.

Fazit:
Eine kryptische, experimentell und verkünstelt vorgetragene Geschichte, die nicht jeden Leser zufrieden stellen wird. Die Präsentation und Verarbeitung dafür in erlesener Qualität.

(eh)