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Die Saat der Bestie

Michael Dissieux
Die Saat der Bestie
Horror-Thriller, Paperback mit Klappenbroschur, Luzifer Verlag, Bochum, August 2013, 256 Seiten, 13,95 Euro, ISBN: 9783943408164, Covermotiv und Umschlaggestaltung: Timo Kümmel
www.luzifer-verlag.de
michael-dissieux.jimdo.com
timokuemmel.wordpress.com

»Die Vorstellung, dass es ausgerechnet diese Augen sein sollen, die sie beobachten, ist für Sam vollkommen absurd, so intensiv das Gefühl auch sein mag. Vielleicht würden ihre Gedanken länger bei David verweilen, gäbe es da nicht die schreckliche Tatsache, dass sie dieses Gefühl, von etwas Fremdem angestarrt zu werden, schon einmal wie feine, spitze Nadeln auf der Haut gespürt hatte.«

Inmitten ihrer nun menschenleeren Umgebung erinnert sich Samantha »Sam« an glücklichere Tage vor der Katastrophe. Auch David, dessen einziger Gesprächspartner eine Schaufensterpuppe ist, die er von Zeit zu Zeit schminkt, zehrt von glücklicheren Erinnerungen. Als Samantha auf ihren ziellosen Weg in Davids Stadt kommt, spürt sie, dass sie von unsichtbaren Augen beobachtet wird. Bald darauf trifft sie auf David und das anfängliche Misstrauen wandelt sich in gegenseitige Zuneigung. Doch David ist, obwohl der einzige Mensch, nicht alleine in seiner Stadt. Nicht alleine in seinem Körper.

»Ich folge ihr in den Schatten von Häusern und Büschen, nackt und auf allen Vieren, so, wie es mir als Kreatur der Nacht zusteht. Tief sauge ich ihren weiblichen Geruch in meine Lungen, berausche mich daran, schmecke sie auf meiner Zunge und betrachte schamlos ihre schlanke, hochgewachsene Gestalt. […] Ihre Kleidung ist zerrissen und entblößt so viel ihres Körpers, dass mir Speichel aus dem Mund läuft und sich an meinem Kinn sammelt.«

Ähnlich wie in Graues Land wirft Michael Dissieux den Leser auch in seinem dritten Roman ohne eine Vorgeschichte ins kalte Wasser einer postapokalytischen Welt, auf der offenbar nur noch vereinzelt einsame Menschen am Leben sind. So einsam, dass eine Person über eine ganze (tote) Stadt herrschen kann. Samantha ist – wie man im Lauf der Geschichte erfährt – von den ernüchternden Erfahrungen gezeichnet, die sie auf ihren ziellosen Weg durch die Einöde gemacht hat. David hat sich mit der Situation arrangiert und lebt sein ereignisloses Leben, bis Samantha auf ihrem Weg in seine Stadt kommt. Nach anfänglichem Zögern entwickelt sich zwischen den beiden Überlebenden eine zarte, aufkeimende Romanze. Doch in Davids Körper wohnt auch Frank, der Samantha aus dem Dunkel der Nacht belauert und der – um seine Bedürfnisse zu befriedigen – in der Wahl seiner Mittel weit weniger zimperlich ist als David.

Bis auf einige kurze Exkurse in die Vergangenheit der Figuren konzentriert sich Michael Dissieux voll und ganz auf die Gegenwart und die beiden (bzw. drei) Hauptcharaktere. Obwohl Die Saat der Bestie die derzeitige Flut an Romanen mit Endzeittouch (und Zombies!) um eine unbenommen originelle Variante bereichert, hätten andere Autoren diese überschaubare Geschichte auf vielleicht 20 Buchseiten hingepinselt. Vincent Preis-Träger Michael Dissieux gelingt es jedoch aus daraus ein Musterbeispiel an Atmosphäre zu schaffen, das nicht einen Moment langatmig wirkt. Der Autor taucht förmlich (abwechselnd) in die Köpfe seiner Figuren ein,  macht ihre Gedanken, Ängste und Hoffnungen greifbar und verlagert so das Grauen ins Innere seiner Protagonisten. Und obwohl Die Saat der Bestie auch Elemente des vergleichsweise modernen »Tortue-Porn« aufweist, sind Vergleiche mit dem psychologischen Grauen eines Edgar Allan Poe nicht von der Hand zu weisen. Am Ende des Romans erhält sogar der bis dahin rätselhafte Titel einen folgenschweren Sinn.

Der Roman ist erhältlich als edel gestaltetes Taschenbuch (mit Klappenbroschur). Verarbeitung, Satz und Layout sind einwandfrei; das Buch sieht nach der Lektüre noch aus wie neu. Für das Titelbild zeichnet der gut beschäftigte Grafiker Timo Kümmel verantwortlich, der z.B. auch die meisten Cover für den Atlantis Verlag erstellt.

Beim Vincent Preis Vincent Preis erreichte Die Saat der Bestie Platz 3 der Kategorie »Bester deutschsprachiger Roman«.

Fazit:
Die Saat der Bestie bereichert die aktuell grassierende Endzeitwelle in der phantastischen Literatur mit einer grandiosen Kombination aus psychologischem Horror und »Rape and Revenge«-Szenario. Ohne Zombies!

(eh)