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Sherlock Holmes und das verschwundene Dorf

Barbara Büchner
Meisterdetektive, Band 4
Sherlock Holmes und das verschwundene Dorf

Krimi, Taschenbuch, Fabylon Verlag, Markt Rettenbach, Juli 2013, 200 Seiten, 14,90 Euro, ISBN: 9783927071780, Titelillustration und Innenillustrationen von Crossvalley Smith
www.fabylon.de
www.alisha-bionda.de

Die drei Kameraden
Inspektor Lestrade bittet Sherlock Holmes und Dr. Watson, mit ihm einen Tatort zu besichtigen. Drei respektable Militäroffiziere sind während eines gemeinsamen Zechgelages ums Leben gekommen. Offenbar wurden sie auf heimtückische Art und Weise vergiftet. Die Hauptverdächtige ist natürlich die grobschlächtige und unsympathische Köchin. Sherlock Holmes indes verfolgt eine gänzlich andere Spur.

Der unsichtbare Würger
Durch einen Zeitungsartikel wird Sherlock Holmes auf den äußerst mysteriösen Fall des unsichtbaren Würgers aufmerksam. Eine ältere, wohlhabende Frau, die mit ihren zwei Begleiterinnen in Bagnell Bath, einem Kurort in der Nähe von Dartmoor, Urlaub machte, wurde in ihren Räumlichkeiten misshandelt und erdrosselt. Das Sonderbare daran ist, dass niemand bei ihr im Zimmer gewesen zu sein scheint und Selbiges von innen verschlossen vorgefunden wurde. Keine Anzeichen deuten darauf hin, dass jemand anwesend war. Schnell machen Gerüchte die Runde, dass eine Hexe, die vor zweihundert Jahren hingerichtet wurde, zurückkehrte, um Rache zu nehmen, da man ihre Ruhestätte durch Straßenarbeiten aufgebrochen hatte und ihre Knochen ins nahegelegene Beinhaus umgebettet wurden. Inspektor Lestrade, der örtliche Polizist und auch Dr. Watson haben den jungen Liebhaber der Verstorbenen in Verdacht. Holmes bleibt skeptisch …

Die Musik des Teufels
Kaum wurde der unsichtbare Würger entlarvt erreicht Holmes ein Telegramm seines Bruders Mycroft. Dieses Mal geht es um ein abscheuliches Verbrechen, bei dem nicht weniger als 25 Menschen auf merkwürdige Weise den Tod fanden. Friedlich in ihren Betten schlafend verstarben sie vor Ort, ohne dass sichtbare Verletzungen oder gar Anzeichen für eine Vergiftung offensichtlich gewesen wären. Alle Bewohner von Murkin Hall, inklusive des Dienstpersonals, sind dem unbekannten Täter zum Opfer gefallen. Eine harte Nuss für Sherlock Holmes. Hat der Massenmord an der Familie von Lord und Lady Murkin mit dem kurz zuvor erfolgten Besuch dreier sinistrer Herrschaften zu tun, die Lord Murkin eine Spieluhr schenkten, die eine furchtbar disharmonische Musik von sich gab? Das weiß einer der Söhne des Lords zu berichten, der das Haus zuvor verlassen hatte und natürlich in dringendem Tatverdacht steht. Oder hängt die perfide Tat gar mit einem Vorfall aus dem Jahr 1534 zusammen, als durch mysteriöse Umstände ein komplettes Dorf in der Nähe entvölkert wurde?

Vater Eisenhut und der verfluchte Wald
Dieses Mal ist es Inspektor Lestrade, der Sherlock Holmes ein Rätsel aufgibt. Es hängt mit einem kleinen Waldstück namens Leigham Forest unweit seines Feriendomizils zusammen. Dieser Wald wird seit jeher von den Anwohnern gemieden und selbst Lestrade hat ihn nur ein einziges Mal betreten und berichtet von einer panischen Angst, die ihn ergriffen habe und dichten Nebelschleiern, Spinnweben gleich, die zwischen den Ästen und Baumstammen hängen. Das Rätsel wird für Sherlock Holmes interessant, weil der Wald bereits drei Todesopfer gefordert hat. Grund genug für ihn mit Ermittlungen zu beginnen …

Die Verbrechen des Doktor Freund
In diesem Fall ist es Dr. Herschel Libeskind, der Hilfe von Sherlock Holmes benötigt. Der deutschstämmige Jude, der in London als Pathologe für Scotland Yard tätig ist, steht im Verdacht, in seiner Heimat Deutschland mehrere junge Frauen auf offener Straße angesprochen und heimtückisch vergiftet zu haben. Der Meisterdetektiv erklärt sich bereit den Fall zu übernehmen, reist jedoch nicht persönlich nach Deutschland, sondern schickt Dr. Watson vor Ort.

Die beiden Sonderlinge
Sherlock Holmes erweist Dr. Herschel Libeskind und seiner Frau einen letzten Dienst und macht sich damit einen neuen, gefährlichen Feind, der irgendwann aus dem Schatten treten wird.

Es spricht für den anhaltenden Erfolg von Sir Arthur Conan Doyles Schöpfung und der wachsenden Beliebtheit von Sherlock Holmes und Dr. Watson, dass auch der vierte Band der Reihe Meisterdetektive von den unglaublichen und raffinierten Fällen des beratenden Ermittlers aus der Baker Street handelt.
Dabei nutzt die Herausgeberin Alisha Bionda die Möglichkeiten weidlich aus, um neue Wege zu beschreiten und sowohl mit den Figuren, als auch mit dem Stil und dem Setting zu experimentieren. Der erste Band vereint eine Reihe von Kurzgeschichten, in denen es Holmes mit übersinnlichen Phänomenen zu tun bekommt. Der zweite Band ist ein Roman, in dem Doyles Figuren auf die fantastische Welt von Jules Verne treffen. Im dritten Band vereinen sich vier Novellen, die jeweils von zwei Autoren verfasst wurden, wobei einer den Part von Sherlock Holmes und der andere den von Dr. Watson geschrieben haben. Hier geht es bisweilen schon etwas klassischer zu, obwohl der Charakter des Meisterdetektivs nicht immer stimmig mit dem Original ist.
Für den vorliegenden Band zeichnet sich die versierte Autorin Barbara Büchner verantwortlich, die bereits die Titelstory für den ersten Band der Reihe verfasst hat. In Sherlock Holmes und das verschwundene Dorf hat sie sich für die klassische Erzählstruktur entschieden, nach der Dr. Watson als Icherzähler und Chronist fungiert. Die Fälle, so mysteriös sie erscheinen mögen werden auf konventionelle und rationale Art und Weise von Sherlock Holmes gelöst, so wie man es von den Original-Erzählungen aus der Feder von Sir Arthur Conan Doyle gewohnt ist. Trotzdem bleibt Holmes das eine oder andere Mal eine abschließende Erklärung schuldig, obwohl er natürlich niemals zugeben würde, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die unsere Schulweisheit übersteigt. Das verbindende Element, das Alisha Bionda in ihrem Vorwort erwähnt, ist die Figur von Dr. Herschel Libeskind, der in den ersten drei Geschichten zwar vorkommt, aber erst in den letzten beiden Storys zu einem der Hauptakteure und Hauptleidtragenden wird. Das titelgebende verschwundene Dorf wird in der Erzählung Die Musik des Teufels thematisiert, obwohl diese Terminologie nicht ganz zutreffend ist, denn das Dorf verschwindet nicht, sondern lediglich die Bewohner versterben auf höchst mysteriöse Weise.
Dessen ungeachtet liefert Barbara Büchner die wohl überzeugendste Arbeit der Reihe Meisterdetektive ab und besticht in jeder einzelnen Geschichte mit einem äußerst raffinierten Plot. Dabei besinnt sich die Autorin auf die ursprünglichen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften, die Holmes zu dem gemacht haben, was er heute ist und für was er steht. Auch auf die Gefahr hin Phrasen zu dreschen: Sir Arthur Conan Doyle hätte diesen Band sicherlich mit sehr viel Wohlwollen zur Kenntnis genommen, trifft er doch am ehesten den Nerv seiner Schöpfung. Hinzu kommt, dass die einzelnen Storys auch vom Umfang her nicht zu lang geraten sind. Büchner gelingt es, die Atmosphäre der damaligen Zeit gekonnt einzufangen, die Handlung dennoch zügig voranzutreiben und am Ende schlüssig aufzulösen.

Die Grafiken von Crossvalley Smith zu den einzelnen Erzählungen sind das Sahnehäubchen auf diesem wunderschön gestalteten Buch, das in keiner Sammlung fehlen sollte.

Fazit:
Sechs zum Teil mysteriöse, bisweilen unglaubliche Fälle, in denen Sherlock Holmes sein Können eindrucksvoll unter Beweis stellen darf. Eine wunderbare Ergänzung des Kanons, auf die Sir Arthur Conan Doyle stolz gewesen wäre. Absolut glaubwürdig, intelligent und raffiniert in Szene gesetzt. Bitte mehr davon.

(fh)