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Mahpiya-win – Die Entscheidung – Teil 1

Mahpiya-win – Die Entscheidung – Teil 1

Ereignisse, die auf wahren Begebenheiten beruhen, als die Zeit der freien Lakota sich dem Ende neigte

Sie starrte auf den Rücken des Kerls, der mit einem grunzenden Laut der Zufriedenheit auf den Gang hinaus trat und die Tür mit einem lauten Knall zuwarf. Der Letzte für diese Nacht, der Letzte für alle Zeiten. Sie betrachtete ihre Oberarme, drehte sich mit dem Rücken zum halb blinden Spiegel, der über der Kommode hing und sah über ihre Schulter. Die Narben an Armen und Rücken würden sie für immer erinnern. Erinnern an eine Zeit des Ekels, Abscheu, Hass, Scham und Erniedrigung. All dies hatte sie in den letzten Monaten zur Genüge kennengelernt. Jede Nacht, jede Stunde. Wie so oft betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel und fragte sich: Warum? Dunkles Haar umrahmte in weichen Wellen ihr ovales Gesicht. Sie war noch immer schön, doch es war eine fahle Schönheit. Ihre Lippen waren blass und leer, die grüngrauen Augen hatten ihren Glanz verloren. Wer genau hinsah, erkannte den Schmerz darin. Den Männern, die sie gierig begafften, war es egal, die wollten nur ihren Körper. Sie war zwanzig, doch es war ihr nichts mehr fremd. Ihr Lächeln kam einer Grimasse gleich. Ob es je wieder ihre Augen erreichen würde?

Aus Belinda Cahoon, Tochter eines einflussreichen Ranchers aus Montana, war eine Hure geworden, der sich jeder noch so dreckige Bastard bedienen durfte, wenn er dafür bezahlte. Ihr abfälliger Blick glitt durch den Raum, der nicht viel mehr als ein Verschlag war. Ein Bett und eine Kommode waren alles, was sich hier an Mobiliar befand. Plötzlich durchfuhr sie eine Woge der Verbitterung. Wie schön hätte das Leben sein können. Sofort schob sie den Gedanken zur Seite. Die Vergangenheit konnte sie nicht ändern, aber die Zukunft wollte sie selbst bestimmen. Hastig schlüpfte sie in ihr einziges Kleid, spähte auf den Gang hinaus und zog vorsichtig die Tür zu. Sollte Percy Owens, der Saloonbesitzer, die Treppe raufkommen, würde sie ihn früh genug hören, da das Holz bei jedem Schritt knarrte. An der Wand entlang tastete sie sich zu seinem Zimmer. Den Docht der Lampe drehte sie bis auf ein winziges Flämmchen hinunter. Die Tür war verschlossen, doch Belinda hatte gelernt, das Schloss mit einer Hutnadel zu öffnen. Owens dachte sie zerbrochen zu haben. Fast wäre es ihm gelungen. Ein kleines Quäntchen Selbsterhaltungstrieb hatte sie aufrechterhalten und sie alles ertragen lassen, in dem Glauben an die Flucht eines Tages. Zu Beginn war es unmöglich gewesen, da er sie Tag und Nacht überwachte. Als er sie nicht mehr so streng kontrollierte, begann sie über Fluchtmöglichkeiten nachzudenken und durchsuchte mühevoll jeden Winkel seines Zimmers in der Hoffnung, Geld zu finden. Es war genau so klein wie ihres, doch es war mühsam gewesen, jede Bodendiele zu kontrollieren. Ihre Geduld hatte sich bezahlt gemacht. Irgendwann fand sie sein Versteck, wo er sein Geld aufbewahrte, das er an ihr und mit seinem gepanschten Whisky verdiente. Sie horchte noch einmal, ob von unten Schritte erklangen, kroch unter das Bett, ignorierte dabei Schmutz und Spinnweben. Ihr Herz pochte so laut, dass sie glaubte, er müsse es unten hören. Wenn er sie hier erwischte, würde er sie totprügeln. So schnell es ihre zitternden Finger erlaubten, hob sie zwei Dielenbretter an. Den Stock, den sie in ihrer Rockfalte verborgen gehalten hatte, steckte sie in das Loch. Ein leises Geräusch sagte ihr, dass sie nun gefahrlos hineingreifen konnte. Der Schatz war mit einer Falle gesichert. Sie schnappte sich das Geld, legte die Bretter wieder darauf und kroch hervor. Ohne sich den Staub vom Kleid zu klopfen, wollte sie aus dem Zimmer huschen, als sie polternde Schritte vernahm. Owens. Unmöglich in ihr Zimmer zu gelangen. Belinda zitterte. Sie hatte das Gefühl, ihr Herz bliebe stehen. Augenblicke später, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten, hörte sie nichts mehr. Vorsichtig öffnete sie die Tür und sah sich um. An die Wand gedrückt, schlich sie zu ihrem Zimmer. Da sah sie ihn. Verrenkt saß er auf einer der oberen Stufen und schlief. Sie schlüpfte in ihr Zimmer, schlüpfte in ihren Mantel und verstaute das Geld in den Taschen. Der einzige Gegenstand, den sie als Waffe benutzen konnte, war der Wasserkrug. Als sie auf dem Gang auf eine knarrende Diele trat und sein Schnarchstakkato aussetzte, hielt sie kurz den Atem an. Nach einigen Augenblicken setzte er es in gleichem Takt fort. Sie musste eine Stufe übersteigen, um ihm nicht auf die Hand zu treten. Plötzlich umfasste er ihr linkes Fußgelenk. Wie erstarrt blieb sie stehen. War er wach? Scheinbar nicht. Er rülpste im Schlaf, lockerte aber seinen Griff um keinen Deut. Vielleicht träumte er, er hielt eine Whiskyflasche. Angstschweiß bildete sich auf ihrer Stirn. Sie versuchte zu beten. Etwas, dass sie seit Monaten nicht mehr getan hatte. Der leere Wasserkrug in ihren Händen wog schwerer, als er war. Zerschlug sie ihn auf seinem Kopf, bestand die Gefahr, dass er starb und sie würde als Mörderin gejagt werden. War der Schlag zu leicht, wachte er auf. Auch wenn er noch so besoffen war, hatte sie gegen ihn keine Chance. Sie versuchte die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. So kurz vor dem Ziel sollte nicht alles zu Ende sein. Sie wusste nicht, wie lange sie dastand und auf seine Umrisse starrte. Die Füße schmerzten und ungeweinte Tränen brannten in ihrer Kehle. Abwechselnd blickte sie auf den Krug und auf den Mann, der ihr das Leben in den letzten Monaten zur Hölle gemacht hatte. Ein Schlag konnte den Weg zum Galgen bedeuten, oder ein noch schlimmeres Leben, wenn er überlebte. Vielleicht würde man sich gar nicht erst die Mühe machen, nach ihr zu suchen. Mit beiden Händen fasste sie den Krug, hob ihn hoch über ihren Kopf. Mit einem Grunzer, der sie an ein Schwein erinnerte, ließ Owens ihren Knöchel los, stemmte sich auf die andere Seite, ohne aufzuwachen. Fast hätte sie den Krug in ihrer Aufregung fallen gelassen. Sie achtete genau darauf, nur die Stufen zu betreten, die nicht knarrten. Vor Nervosität stolperte sie. Schweißgebadet sah sie zu Owens, doch zu seinem durch Whisky benebelten Gehirn drang nichts durch. Unten empfing sie ein Gestank von Alkohol, kaltem Rauch, Schweiß und vollen Spuknäpfen. Angeekelt tastete sie sich in der Dunkelheit zur Hintertür. Draußen atmete sie einige Male tief durch und wäre am liebsten vor Dankbarkeit zu Boden gesunken. Der Schritt in die Freiheit. Aber noch war es nicht geschafft. Sie war erst sicher, wenn sie weit genug von der Stadt entfernt war. Von den Kerlen, die im Saloon verkehrten, hatte sie erfahren, dass frühmorgens ein Frachtwagen die Stadt verließ, dessen Fahrer hier einige seiner Waren verkaufte. Immer im Schatten bleibend, lief sie zum Mietstall. Scharfe Ausdünstungen drangen in ihre Nase. Der Stallmann grunzte im Schlaf. Einen Augenblick lang dachte sie daran, ihm ein Messer in sein Herz zu stoßen. Dieses abartige Scheusal kam oft zu ihr. Er liebte es, sie zu quälen und zu schlagen. Schnell hatte sie ihre Hassgefühle unter Kontrolle, durchschritt den Stall und gelangte in den Hinterhof. Da stand er. Der Wagen in die Freiheit. Noch war alles ringsum ruhig. Sie kroch unter die Plane und versuchte es sich zwischen Kisten und Säcken einigermaßen bequem zu machen. Sollte Stu Woodrow sie während der Fahrt entdecken, würde es ihr nicht gut ergehen. Er war ein Halsabschneider, der für Geld auch seine eigene Mutter verkaufte. Doch schnell verwarf sie den Gedanken. Es musste einfach gelingen. Langsam beruhigte sich ihr Puls und sie döste ein.

Fortsetzung folgt …

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