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Töte John Bender!

Vincent Voss
Töte John Bender!

Thriller, Paperback. LUZIFER Verlag, 2013, 256 Seiten, 13,95 Euro (E-Book: 4,99 Euro) ISBN: 9783943408133

Menschen in Führungspositionen sind ganz besonderen Belastungen ausgesetzt und manchmal mit den an sie herangetragenen Aufgaben überfordert. Das weiß auch Tom Breuer und organisiert mit seinem Team von Cazimi Coaching Motivationsseminare für ebensolche Chefs und Manager. Auf der dänischen Insel Tyreholm soll die Gruppe diesmal an ihren gemeinsamen Aufgaben wachsen, sich selbst einschätzen lernen und die freie Natur genießen. Obwohl Tom die Insel gut kennt und nicht zum ersten Mal ein Seminar hier abhält, ist diesmal etwas anders. Sie finden ausgeweidete Fische am Trinkwassersee und das Versorgungsboot erscheint nicht zum vereinbarten Termin. Doris, eine feinfühlige Frau, wird von merkwürdigen Vorahnungen befallen, die Blut und Tod beinhalten. Als dann auch noch ein Fremder mit einer Waffe auftaucht und die Gruppe von fern bei ihren Aktivitäten beobachtet, ist die Unruhe perfekt. Tom, der es auf die hübsche Teilnehmerin Silvia abgesehen hat, verdächtigt alsbald seinen Kollegen Jens, das Ganze aus irgendwelchen Gründen inszeniert zu haben. Bei einer abendlichen Schnitzeljagd, die ohnehin schon durch ein heftiges Gewitter erschwert wird, kommt es zum Showdown und Tom muss erkennen, dass der Verrückte es nur auf ihn abgesehen hat.

Alle paar Jahre stolpert man über einen Roman, der sehr gute Grundvoraussetzungen hat, dann aber alles, aber auch wirklich alles falsch macht. Töte John Bender! ist genau ein solches Buch. Es ist auf so vielen Ebenen neben der Spur, dass man als erfahrener Thriller-Leser unweigerlich die Hände über dem Kopf zusammenschlägt.

1. Der Aufbau
: Eine Art Prolog bildet eine Szene ab, bei der es um eine Theateraufführung in der Schule geht. Gespielt wird der Breakfast Club und der namenlose Erzähler berichtet, wie man ihn in die Licht- und Soundecke eingeteilt hat, dabei wäre er die perfekte Besetzung. Bei der Premiere unterbricht er die Vorführung und rezitiert aus Rache einen Nietzsche-Text.
Danach beginnt der Roman mit der späteren Ebene um Tom und seine Gruppe. Das Rache-Motiv wird hier plakativ vorweggenommen und jede Hoffnung, es handele sich nur um eine einleitende Szene, um ein Motiv zu entwickeln, nicht es zu präsentieren, bevor irgendein Teil der Handlung geschehen ist, wird gen Ende des Romans zerschlagen.

2. Der Stil
: Anstatt sich auf atmosphärische Beschreibungen und sinnvolle Dialoge zu konzentrieren, legt Vincent Voss den Schwerpunkt auf die langwierige und langweilige Beschreibung der Motivationsspielchen, dem Camp-Alltag und dem Rauchen von Zigaretten. Die schlaglichtartigen Bedrohungen, die vom Fremden auf der Insel ausgehen, versinken in diesem schnarchigen Wust aus kindergeburtstagartigen Wahrheit-oder-Pflicht-Spielchen, Fragebogen und Rollenspielen, wie man sie in der Schule schon gehasst hat. Diese Abschnitte machen über ein Drittel des Romans aus und tragen nichts zu einer mysteriösen Atmosphäre – oder überhaupt zur Story! – bei. Dabei wechselt Voss auch gerne mal zwischen personaler Erzählweise und einem neutralen Erzähler – innerhalb eines Absatzes, ohne erkennbaren Sinn und Trennung. Eine Lagerfeuerstory als Erzählung in der Erzählung wird wie ein literarischer Text präsentiert und nicht wie eine mündlich vorgetragene Geschichte. Hier passt nichts zusammen!

3. Die Charaktere: Das ist vielleicht der größte Fehler, den Voss begeht – keiner seiner Charaktere ist ein Sympathieträger, mit dem man sich als Leser identifizieren möchte. Selbst Tom als Protagonist ist ein selbstsüchtiger, notgeiler und feiger Mann, der nur darauf aus ist mit Silvia zu schlafen, und seinen Ruf als Coach zu wahren, indem er das Seminar nicht abbricht, obwohl Gefahr herrscht. Nein, im Gegenteil: Er schickt seine Leute sogar in die Höhle des Löwen, sucht die Konfrontation und nimmt damit billigend in Kauf, dass jemand zu Schaden kommt. Auch die anderen Figuren sind nicht mehr als Klischees. Silvia wurde als Jugendliche von ihrem Vater sexuell missbraucht und geht damit um, indem sie sich als Schlampe gebärdet. Der selbstbewusste Wolfgang ist innerlich ein seelisches Wrack, weil die Arbeit ihm keine Zeit mehr für die Familie lässt. Sascha ist der ungläubige Thomas der Gruppe und fungiert als Pausenclown. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Am Schlimmsten ist Doris als medial veranlagter, nerviger Charakter, der trotz Todesangst immer der Gruppe folgt, die ebenfalls, trotz Ängsten, Tom folgt, der offensichtlich keinerlei Kontrolle über die Situation hat. Als Leser wünscht man sich, dass der vermeintliche Mörder am Ende bitte jeden Einzelnen von ihnen genüsslich ausweidet. Soviel Dummheit muss bestraft werden.

4. Das Ende: Der ohnehin erzwungen wirkende Showdown wird noch von einem schaurigen Gewitter, sinnlosem Nippes wie aufgespießten Tierköpfen und 80er-Jahre Pop in einem Wald auf einer dänischen Insel garniert. Letzterer hat sogar noch rudimentär mit der Auflösung zu tun. Dadurch, dass Voss aber auch noch halluzinogene Drogen ins Spiel bringt, nimmt er sowohl dem Protagonisten als auch dem Antagonisten jedwede Chance auf eine Konfrontation: Der Kontrollverlust ist für beide zu groß, das Ende hängt in der Luft und wird durch einen äußerst knappen und unbefriedigenden Epilog zu einem belanglosen Ende gebogen, das so schon auf den ersten Seiten absehbar war.

Fazit:
256 Seiten langweiligster, teils schwülstiger, unlogischer Thriller-Versuch mit unglaubwürdigen Figuren aus der Klischee-Kiste. Stilistisch ist Vince Voss‘ Roman im besten Fall als »unausgereift« zu bezeichnen. Die Attribute »schlecht konstruiert und mangelhaft umgesetzt« sind leider treffender. Finger weg!

Copyright © 2013 by Sascha Vennemann