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Das Wesen

»Seit wir Lichners Wohnung verlassen hatten, überlegte ich, wer der anonyme Anrufer gewesen sein mochte. Jemand, der Lichner eins auswischen wollte? Aber woher hatte derjenige Menkoffs Handynummer? Und was versprach sich jemand davon, dass die Polizei bei Lichner anrückt? Oder ging es nur um Lichner und Menkhoff?«

Ein anonymer Anruf führt die Polizisten Bernd Menkhoff und Alexander Seifert zu einer Wohnung, aus der angeblich ein Kind verschwunden ist. Unerwartet sehen Sie sich dort dem Psychiater Dr. Joachim Lichner gegenüber, der 15 Jahre zuvor für einen Kindsmord verurteilt wurde. Auch damals waren Menkhoff und Seifert die leitenden Beamten. Grund genug, den Psychiater erneut zu verdächtigen. Eine Nachbarin sagt aus, dass Lichners zweijährige Tochter verschwunden ist; dieser bestreitet jedoch, überhaupt eine Tochter zu haben.

»Sie kann nichts dafür, verstehen Sie das? Es ist ihr Wesen, Menkhoff. Sie glauben, Nicole zu kennen, aber das tun sie nicht, denn Sie haben das Wesen von Nicole Klement nicht erkannt.«

Nach der recht wirkungsvollen Exposition beginnt ein Spiel aus Indizien und Gegenindizien, das immer wieder von Rückblenden ins Jahr 1994 unterbrochen wird. Auch damals war vor allem der ermittelnde Beamte Menkhoff so sehr von der Schuld des Psychiaters überzeugt, dass er die Ermittlungen möglicherweise in eine bestimmte Richtung gelenkt hat. Nicht zuletzt, da er mit der undurchsichtigen Lebensgefährtin des Doktors damals eine Affäre begonnen hat.

Natürlich ist das literarische Spiel auf zwei Zeitebenen eine durchsichtige aber gängige und wirkungsvolle Methode, immer neue Indizien aus dem Hut zu zaubern und so Zweifel am vermeintlichen Status quo zu wecken. Dieser gängige Thrillerkniff verfehlt nur selten seine Wirkung. Gebannt verfolgt man beide Handlungsstränge und am Ende der Vergangenheitshandlung ist man sicher, dass die Ermittlungen damals nicht hasenrein waren. Dann steht Menkhoff plötzlich seiner personifizierten Verfehlung gegenüber, in einem Fall, der dem alten Verbrechen noch dazu unangenehm ähnlich ist.

Geschildert wird Das Wesen aus der Warte von Menkhoffs Kollegen Alex Seifert, der ebenfalls beim 1994er-Fall schon dabei war und in der Zwischenzeit eine Freundschaftsbeziehung zu Menkhoff aufgebaut hat. Dennoch erlaubt Seiferts neutrale Perspektive, die Besessenheit seines Kollegen gut zu verdeutlichen.

Wer Sebastian Fitzeks Romane mag, wird auch hier nicht enttäuscht sein, auch wenn Arno Strobel es etwas ruhiger angehen lässt und weniger auf die nassforsche Schiene setzt als Fitzek in seinen Speed-Thrillern. Zeitweise entsteht jedoch der Eindruck, dass Arno Strobel es mit der schieren Anzahl der Wendungen um ihrer selbst willen übertreibt. Zum Ende hin entsteht ein Gefühl der Übersättigung.

Der Titel führt etwas in die Irre, denn gemeint ist hier das psychologische Wesen, nicht etwa ein physisches Wesen.

Die Fischerverlage setzen offenbar von Anfang an auf den Autorennewcomer, denn schon Das Wesen erscheint in einem Layout (Schriftart, Anordnung der Elemente auf dem Cover), das auch für die folgenden Strobl-Romane verwendet wird.

Bei der Hörbuchversion von Argon Hörbücher handelt es sich um eine »autorisierte Lesefassung«, also um eine gekürzte Version. Gelesen wird das Hörbuch sehr ruhig und angenehm von Schauspieler Sascha Rotermund, der jeder der Figuren eine eigene Färbung verleiht, sodass man sehr leicht folgen kann. Rotermund ist sowohl als Hörbuch- als auch als Synchronsprecher (u.a. Christian Bale, L.L. Cool J., Joaqin Phoenix, Jake Gyllenhaal) gut im Geschäft.

Copyright © 2013 by Elmar Huber

 

Arno Strobl
Das Wesen
Argon Verlag, Berlin
Dezember 2010
Hörbuch, Thriller
6 CD, autorisierte Lesefassung
414 Minuten, 19,95 Euro
Gelesen von Sascha Rotermund
Regie: Jessica Güsken

www.argon-verlag.de
www.arno-strobel.de
www.sascharotermund.de