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Der Welt-Detektiv Band 6

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Paraforce Band 6

Prolog

Die Sonne ging unter und tauchte das Tal in blutrote Farbe.

Für geraume Zeit spiegelten sich ihre Strahlen noch im Wasser des Lech wieder, jenem Fluss, dessen breites Band sich schlangengleich bis zum Horizont hin erstreckte, bis auch ihr Licht endgültig vom Dunkel der umliegenden Berghänge und Gipfel aufgesogen wurde.

Wind kam auf und die Nacht legte sich wie ein kaltes, schwarzes Tuch über das Tiroler Land. Die einzigen Geräusche, die noch die Stille durchbrachen, waren das Rauschen der Fluten und das Rascheln der Büsche und Bäume im Wind.

Als der Mond schließlich einer silbernen Scheibe gleich beinahe senkrecht am Himmel stand, brach unvermittelt ein Reh durch das Unterholz. Immer wieder witterte es auf seinem Weg zum Wasser argwöhnisch in die kühle Herbstnacht.

Doch es blieb still.

Kein Laut drang aus dem Gebüsch, das an dieser Stelle das Flussufer säumte, und bis auf einen kleinen Hasen, der gemächlich über eine Hügelkuppe hoppelte, bewegte sich nichts, was dort nicht hingehörte. Zufrieden verharrte das Reh, beugte den Kopf und tauchte sein Maul in das Wasser des Lech.

In diesem Augenblick zischte etwas auf das Tier zu.

Ein dunkler, unheimlicher Schatten im Mondlicht, der sich mit brachialer Gewalt einen Weg durch das Ufergebüsch bahnte.

Es war seine Stunde.

Mit tödlicher Genauigkeit raste er auf das Reh zu.

Holz splitterte und eine Wand aus aufgewühlter Erde, Gras, Blättern und abgebrochenen Zweigen schob sich auf das Wasser zu, als hätte jemand den Schalter an einem überdimensionalen Motorengebläse umgelegt.

Das Reh hob verschreckt den Kopf und versuchte zur Seite auszubrechen, aber etwas war bereits am Fluss.

Eine fellbesetzte Krallenhand durchschnitt die Luft.

Dunkles, mit Schaum vermischtes Blut spritzte wie roter Regen umher.

Das Reh wurde durch die Wucht des Hiebes die Uferböschung regelrecht hinaufkatapultiert.

Ein großer Teil seines Schädels war plötzlich ebenso verschwunden wie der Hals darunter.

Dort, wo sich vor Sekunden rostbraunes Fell befunden hatte, waren jetzt nur noch zuckendes Gewebe und blanke Knochen.

 

I

 

»Von mir aus könnt ihr über mich denken, was ihr wollt, aber ich bleibe dabei, das war kein anderer als der Bluatschink.«

In der spärlich erleuchteten Dorfschenke wurde es augenblicklich totenstill.

Das Stimmengemurmel der wenigen Gäste erstarb und das Klirren und Klappern von Gläsern und Tellern setzte abrupt aus. Ungläubig starrten die Anwesenden auf den grauhaarigen Mann, der mit einem Glas Bier in der Hand am Tresen lehnte.

Er war klein, knochig und machte einen äußerst ungepflegten Eindruck.

Graues, verfilztes Haar hing ihm wirr in die Stirn.

Sein unrasiertes Gesicht wurde beherrscht von stechenden, hellblauen Augen und einer riesigen Nase, die sich wie der Schnabel eines Raubvogels fast bis zum Kinn hinab bog.

Anstelle eines Hemdes trug er ein löchriges T-Shirt, dazu eine Strickjacke und eine Hose aus grobem Cordstoff. Seine Füße steckten in ausgetretenen Halbstiefeln, die völlig verschlissen waren. Die ursprüngliche Farbe seiner Kleidung war längst durch eine dunkle, speckig glänzende Schicht aus Fett und Dreck ersetzt, die mit Sicherheit schon seit Jahren vollkommen witterungsunempfindlich war. Bei jeder Bewegung verströmte der Mann eine Aura aus Schweiß, schalem Holzrauch und Kuhstall.

Kritisch beäugte er sein halb volles Glas, leerte es schließlich mit einem Zug und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.

»Glaubt mir, er ist wieder da!«, sagte er und rülpste.

Für einen Atemzug lang herrschte in der Gaststätte eine beinahe unwirkliche Stille.

»Geh Franz, spinn dich aus«, sagte der Wirt schließlich und machte eine abfällige Handbewegung, mit der er die Aussage bewusst zu überspielen versuchte.

Das Gerede war schlecht fürs Geschäft, denn soweit er sich erinnern konnte, hatte seit dem Beginn der leidlichen Diskussion keiner seiner Gäste mehr eine neue Bestellung aufgegeben.

»An den Quatsch glaubt doch eh kein Mensch, damit kannst du heutzutage ja nicht einmal mehr kleine Kinder erschrecken.«

»Quatsch sagst du?«, ereiferte sich Franz Lugginger und rollte mit den Augen. »Das Reh gestern war bereits das siebte Tier innerhalb von zwei Wochen. Ich sage euch, es ist kein Zufall, dass die ganzen toten Viecher alle unten am Lech gefunden wurden. Es ist doch bekannt, dass er sich meistens in der Nähe vom Fluss aufhält. Ich weiß zwar nicht, wie ihr über diese Sache denkt, aber mich kriegen keine zehn Pferde mehr an das Wasser.«

Einige der anwesenden Männer, in der Hauptsache die Älteren unter ihnen, nickten zustimmend und warfen sich verstohlene Blicke zu. Mochte Lugginger mit seinem vernachlässigten Äußeren, seiner Hagerkeit und den scharf ausgeprägten, von einem fast sechzigjährigen Leben zerfurchten Gesichtszügen aussehen wie ein zerzauster Waldschrat, hörte man dennoch stets auf seine Worte, selbst wenn es nur um so banale Dinge wie das Wetter oder das Vieh ging. Sein Wissen über die Natur und das Land verblüffte selbst die Einheimischen im Dorf immer wieder.

Während um ihn herum die Diskussionen erneut aufflammten, suchte er den Blick des Gastwirts und deutete mit vorgerücktem Kinn auf das leere Glas, das er immer noch in der Hand hielt. Sofort stellte der Wirt ein neues unter den Zapfhahn.

Seit der Sommer zu Ende war und die Touristen das Dorf wieder verlassen hatten, war er für jeden Euro Umsatz dankbar. Mit geübten Handgriffen zauberte er eine ansehnliche Schaumkrone auf das inzwischen bis zum Eichstrich gefüllte Bierglas, wobei er seinen Stammgast dabei immer wieder nachdenklich musterte.

»Mal doch nicht schon wieder den Teufel an die Wand. Ich bin mir sicher, dass es für all diese Dinge eine logische Erklärung gibt.«

Lugginger lachte abgehackt, es klang wie das Meckern einer Ziege.

»Logisch sagst du, seit wann ist das Treiben des Bluatschinks logisch? An deiner Stelle würde ich lieber zum Herrgott beten, dass er sich nicht wieder ein Kind holt.«

»Der Franz hat recht«, sagte ein anderer düster. Er schien etwa im gleichen Alter wie sein Vorredner zu sein, nur mit dem Unterschied, dass sein Äußeres merklich gepflegter war. »Denkt an die Geschichten unserer Vorväter.«

»Jetzt macht aber mal halblang«, mischte sich ein wettergegerbter Blondschopf in die Unterhaltung ein und schlug mit der Innenfläche seiner Rechten energisch auf die Holzplatte des Stammtischs. Es gab ein kurzes, klatschendes Geräusch, das die meisten der Anwesenden veranlasste, den Kopf in seine Richtung zu drehen.

Markus Feuchter war nicht nur der jüngste Bauer im Dorf, sondern gleichzeitig auch der modernste. Während der Großteil der anderen seinen Hof noch in alter Tradition und nach überlieferten Bauernregeln bewirtschaftete, hatten auf seinem Anwesen schon längst Computer und gewinnorientierte Unternehmensstrategien Einzug gehalten.

»Ihr wollt doch nicht allen Ernstes behaupten, dass von diesem Ammenmärchen auch nur ein Wort wahr ist?«

»Der Bluatschink ist kein Ammenmärchen«, entrüstete sich Lugginger. »Er ist eine alte Tiroler Legende, und wenn du ehrlich bist, musst du zugeben, dass in allen Sagen unseres Landes immer auch ein Stück weit die Wahrheit steckt. Auch an dieser Geschichte muss etwas dran sein, unsere Vorfahren haben sich das Ganze bestimmt nicht nur aus Spaß an der Freud ausgedacht. Außerdem, wie erklärst du dir sonst die toten Tiere?«

Der Angesprochene zuckte mit den Schultern. »Vor ein paar Wochen war von Wölfen die Rede, sie sollen angeblich vom Balkan her über die Grenze gekommen sein. Vielleicht war es aber auch nur ein streunender Köter oder irgendein anderes Tier, das die Tollwut hat, was weiß ich. Jedenfalls nichts, was dieses Gerede rechtfertigen würde.«

Lugginger verzog das Gesicht und kratzte sich nachdenklich am Ohr. »Soso, Wölfe sagst du. Die fressen meines Wissens zwar andere Tiere, aber sie saugen ihnen nicht das Blut aus. Hast du dafür vielleicht auch eine Erklärung?«

»Ich denke … nun …«, stammelte Feuchter, während er offensichtlich nach einer plausiblen Antwort suchte. »Ach vergiss es«, sagte er schließlich schroff, machte eine abwertende Handbewegung und richtete seine Augen stattdessen auf den Wirt. »Zahlen, Hubert«

»Du willst schon gehen?«, fragte der Besitzer der Dorfschenke erstaunt.

»Dieses Gerede über den Bluatschink geht mir allmählich auf die Nerven. Jeden Abend dieselbe Leier, ich kann es bald nicht mehr hören. Dafür ist mir meine Zeit definitiv zu schade, außerdem klingelt um vier schon wieder der Wecker«, erklärte Feuchter.

»So früh?«

»Die Arbeit macht sich leider nicht von alleine und soviel wirft der Hof noch nicht ab, dass ich es mir leisten könnte, einen Knecht einzustellen.«

Der Wirt nickte verstehend, während er Lugginger das frische Bier in die Hand drückte und im Gegenzug sein leeres Glas dafür in den Spülstein stellte. Dann fischte er den Geldbeutel aus der Hosentasche und wandte sich Feuchter zu.


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